OFD Karlsruhe - S 7229

Kunstgegenstände im Sinne der Nummer 53 der Anlage 2 zu § 12 UStG

Nach dem Ergebnis der Erörterung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gilt zur Frage der Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes auf Umsätze mit Kunstgegenständen im Sinne der Nummer 53 der Anlage 2 zu § 12 Absatz 2 Nr. 1 und 2 UStG Folgendes:

Ob für Lieferungen künstlerischer Erzeugnisse mit der Zweckform von Gebrauchsgegenständen (sog. Gegenstände der „angewandten Kunst”, die auch als „Gebrauchsplastiken” bezeichnet werden, z.B. Brunnen, Kachelöfen, Türen, Türgriffe, Fenster, Vasen, Lampen, sakrale Kultgeräte und Kultgegenstände) der ermäßigte oder der allgemeine Umsatzsteuersatz anzuwenden ist, richtet sich nicht nach der künstlerischen Wertung des Gesamtwerks eines Künstlers. Vielmehr ist für die umsatzsteuerliche Beurteilung die Beschaffenheit jedes einzelnen Gegenstandes maßgebend. Entscheidend ist die Einreihung des Gegenstandes in den Zolltarif. Die Anerkennung einer künstlerischen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG hat keine Bedeutung für die Frage, ob auf die Umsätze des betreffenden Unternehmers der ermäßigte Steuersatz angewendet werden kann.

Maßgebend für die zolltarifliche Einreihung ist das äußere Erscheinungsbild des Gegenstandes. Ist der künstlerische Eindruck prägend und tritt der Gebrauchswert eines Gegenstandes dahinter zurück, handelt es sich um einen begünstigten Kunstgegenstand. Dagegen fallen künstlerische Erzeugnisse mit dem vorherrschenden Charakter von Gebrauchsgegenständen, deren Funktionalität durch eine künstlerische Gestaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird, nicht unter Position 9703 00 00 des Zolltarifs. Erzeugnisse – auch wenn sie vom Künstler handgefertigt sind – gelten immer dann als nicht begünstigte Handelswaren im Sinne der Anmerkung 3 zu Kapital 97 des Zolltarifs, wenn sie nach der äußeren Gestaltung vergleichbaren industriell oder handwerklich hergestellten Erzeugnisse ähneln und mit diesen zumindest in einer potentiellen wirtschaftlichen Wettbewerbssituation stehen. Dies gilt selbst für Gegenstände, die von bekannten Künstlern in begrenzter Stückzahl vollständig mit der Hand hergestellt und signiert und von Liebhabern gesammelt und in Messen ausgestellt werden (vgl. EuGH-Urteil vom , ABl. EG 1990, C 256, 6/EuGHE I 1990, 3387–3409).

In Zweifelsfällen sind Unternehmer, die den ermäßigten Steuersatz begehren, aufzufordern, bei der zuständigen Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA), eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke (uvZTA) einzuholen. Die Zollverwaltung hat hierzu den Vordruck „Antrag auf Erteilung einer unverbindlichen Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke” aufgelegt, der im Internet-Portal der Zollverwaltung (http://www.zoll.de) aufgerufen werden kann. Am Ende des Vordrucks ist die zuständige Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt genannt.

Einzelfälle:

  • Die Funktionalität und damit der Gebrauchswert von Kachelöfen wird durch eine künstlerische Gestaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Diese Erzeugnisse stehen unabhängig von ihrer künstlerischen Gestaltung in einer Wettbewerbssituation zu herkömmlichen Erzeugnissen, weil der Verwendungszweck als Kachelofen vorrangig bleibt. Kachelöfen fallen nicht unter Position 9703 00 00 des Zolltarifs und unterliegen somit stets dem allgemeinen Umsatzsteuersatz (vgl. EFG S. 547).

  • Brunnen sind grundsätzlich ebenfalls als Gebrauchsgegenstände anzusehen und unterliegen somit regelmäßig dem allgemeinen Umsatzsteuersatz. Allerdings ist ihre Einreihung als Bildhauerarbeit i.S. der Position 9703 00 00 des Zolltarifs nicht ausgeschlossen. Dies setzt allerdings einen hohen künstlerischen Anspruch voraus, der den Gebrauchswert in den Hintergrund treten lässt (vgl. BFH/NV 1997 S. 724). Der Hinweis darauf, dass ein Brunnen ein handgefertigtes Einzelstück ist, reicht für die Einreihung in die Position 9703 00 00 des Zolltarifs nicht aus.

  • Aus massivem Holz herausgearbeitete Skulpturen gehören als Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst zu Position 9703 00 00 des Gemeinsamen Zolltarifs und unterliegen somit dem ermäßigten Steuersatz. Dies gilt jedoch nicht für Skulpturen, die lediglich dekorative Bildhauerarbeiten von handelsgängigem Charakter repräsentieren (z.B. aus nachgeschnittenen Fräslingen entstandene Skulpturen). Umsätze derartiger Holzschnitzereien sind nicht der Position 9703 00 00 des Gemeinsamen Zolltarifs zuzuordnen und unterliegen somit dem allgemeinen Steuersatz.

OFD Karlsruhe v. - S 7229

Fundstelle(n):
EAAAC-75322