Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 296 Abs. 1; ZPO § 411 Abs. 3; ZPO § 411 Abs. 4; ZPO § 411 Abs. 4 Satz 1; ZPO § 411 Abs. 4 Satz 2; ZPO § 544 Abs. 7
Instanzenzug: LG Frankfurt/Main 2/25 O 276/04 vom OLG Frankfurt/Main 7 U 58/05 vom
Gründe
I. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerhaft den Antrag des Klägers auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens nach § 411 Abs. 4 Satz 2 i.V. mit § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Eine Zurückweisung aus diesem Grunde setzt eine wirksame richterliche Fristsetzung voraus, an der es hier fehlt.
II. Nach Eingang des Gutachtens zur Behauptung des Klägers, das Unfallereignis vom Februar 2002 sei überwiegende Ursache für den im Juli 2002 operierten Bandscheibenvorfall gewesen, ist den Parteien zunächst durch Verfügung des Berichterstatters vom Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum gegeben worden. Diese Frist ist auf entsprechende Anträge des Klägers mehrmals auch durch Verfügungen des Vorsitzenden schließlich bis zum verlängert worden. In den Verlängerungsanträgen hatte der Kläger weiteren Klärungsbedarf geltend gemacht und dabei insbesondere auf einen seiner Ansicht nach vom Gutachter nicht überzeugend geklärten Befund aufgrund einer Computertomografie aus dem Jahre 2000 hingewiesen, zuletzt unter genauer Formulierung einer an den Sachverständigen gerichteten und von ihm zu beantwortenden Frage zum Ursachenzusammenhang. Der Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung ist nach Verlegungen zuvor anberaumter Termine (13. September und ) am ohne den Sachverständigen durchgeführt worden, nachdem sich der Kläger mit Schriftsatz vom unter anderem mit Blick auf seine noch nicht beantwortete Frage nach einer Ladung des Sachverständigen zum Termin erkundigt und diese zur Erläuterung des Gutachtens vorsorglich beantragt hatte.
1. Es kann dahinstehen, ob die nicht in mündlicher Verhandlung bestimmte Stellungnahmefrist (§ 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO) schon deshalb keine Ausschlusswirkung für verspätetes Vorbringen nach § 296 Abs. 1 ZPO herbeiführen konnte, weil sie nicht durch den Senat beschlossen, sondern allein durch den Berichterstatter bzw. den Vorsitzenden verfügt worden ist (vgl. - VersR 2002, 120 unter II 2 b; Beschluss vom - V ZR 241/04 - NJW-RR 2006, 428 unter II 1 a; Musielak/Huber, ZPO 5. Aufl. § 411 Rdn. 7).
Offen bleiben kann auch, ob der Kläger - wie die Nichtzulassungsbeschwerde meint - in seinem Verlängerungsantrag vom "jedenfalls konkludent die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung beantragt" hat.
2. Einen Ausschluss des ausdrücklich erst lange nach Fristablauf, eine Woche vor dem Termin, gestellten Antrages auf Anhörung des Sachverständigen konnte diese Fristsetzung jedenfalls deswegen nicht bewirken, weil es an dem dafür erforderlichen Hinweis an die Parteien über die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist fehlte. Präklusionsvorschriften haben vor allem wegen ihrer das Grundrecht auf rechtliches Gehör einschränkenden Wirkung und der damit zwangsläufig verbundenen nachteiligen Folgen für das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung strengen Ausnahmecharakter. Deswegen kann dem Ablauf einer gerichtlichen Frist zum Vorbringen von Einwendungen gegen ein Gutachten und die Begutachtung betreffende Anträge gemäß § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO nur dann Ausschlusswirkung zukommen, wenn bei der Partei keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können ( aaO und Beschluss vom aaO, jeweils m.w.N.).
Daran fehlt es hier. Der Verfügung ist lediglich eine Aufforderung zur Stellungnahme zu dem Gutachten in bestimmter Frist zu entnehmen, sie enthält aber keinen Hinweis auf die Gefahr des Ausschlusses von Vorbringen, das erst nach Ablauf dieser Frist eingeht. Mit einer solchen Folge konnte und brauchte der Kläger daher nicht zu rechnen. Bei einem entsprechenden deutlichen Hinweis hätte er zudem nicht die Vorstellung entwickeln können - wie dies nach dem Schriftsatz vom der Fall gewesen zu sein scheint -, in den gegebenen Begründungen zu den begehrten Fristverlängerungen nicht deutlich genug gemacht zu haben, dass zumindest eine Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen unverzichtbar ist und deswegen von ihm auch verlangt wird.
3. Das Berufungsgericht hat, indem es davon abgesehen hat, den Sachverständigen anzuhören, den prozessualen Anspruch des Klägers auf mündliche Befragung des Sachverständigen (§§ 397, 402 ZPO) und damit zugleich den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BVerfG NJW 1995, 2980; aaO unter II 1 b und 2 b m.w.N.).
Dass das Berufungsgericht selbst keinen weiteren Aufklärungsbedarf durch den Sachverständigen gesehen hat, ist ohne Belang. Das Befragungsrecht der Partei besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (st. Rsp., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - VI ZR 233/06 - NJW-RR 2007, 1294 Tz. 3 und vom - VI ZR 121/05 - NJW-RR 2006, 1503 unter I 2 a).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung hat es der Kläger auch nicht an seinen Mitwirkungspflichten gemäß § 411 Abs. 4 ZPO mangels konkreter Hinweise fehlen lassen, in welcher Richtung er weitergehende Aufklärung durch den Sachverständigen wünscht. Der Kläger hat mit der von ihm mehrfach vorgetragenen, auf der Grundlage der Befunderhebung im Krankenhaus B. im Jahre 2000 für ihn gerade nicht gegebenen einschlägigen Vorerkrankung die gegenteilige Feststellung des Sachverständigen in Frage gestellt. Damit hat er - schließlich sogar unter konkreter Formulierung einer entsprechenden Frage - den gewünschten Aufklärungsbedarf ausreichend klar umrissen. Anhaltspunkte für Beschränkungen seines Antragsrechts - wie etwa aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung (vgl. - VersR 2003, 926 unter II 1) - sind nicht ersichtlich und werden auch vom Berufungsgericht nicht angenommen.
4. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach einer Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre. Sie betrifft den zentralen Punkt der Beweisfrage nach einer überwiegenden Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch das Unfallereignis, was - auf der Grundlage des vom Kläger angemeldeten Klärungsbedarfs - gerade noch nicht hinreichend sicher verneint werden kann.
Fundstelle(n):
YAAAC-62970
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein