BGH Beschluss v. - VIII ZB 73/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2; ZPO § 575

Instanzenzug: AG Bad Schwalbach 3 C 155/01 vom LG Wiesbaden 3 S 17/05 vom

Gründe

I.

Das erstinstanzliche Urteil ist der Beklagten zu Händen ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten am zugestellt worden. Der Schriftsatz zur Begründung der rechtzeitig eingelegten Berufung der Beklagten ist am bei Gericht eingegangen. Auf die Ankündigung des Berufungsgerichts vom , die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen, hat die Beklagte vorgetragen, ihr damaliger Prozessbevollmächtigter habe am einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Boten bei dem Berufungsgericht eingereicht. Zur Glaubhaftmachung hat die Beklagte eine dementsprechende anwaltliche Versicherung des seinerzeit tätigen Prozessbevollmächtigten angeboten. Mit am bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Ein Fristverlängerungsantrag der Beklagten ist nicht zu den Gerichtsakten gelangt.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Beschluss vom als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden sei. Gleichzeitig hat es den hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist als unzulässig verworfen. Gegen den Beschluss vom richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und form- und fristgerecht gemäß § 575 ZPO eingelegt und begründet worden. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Allerdings ist das angefochtene Urteil der Beklagten am zugestellt worden und die vorliegende Berufungsbegründung erst am und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen. An der nicht fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung vermag auch ein vor Fristablauf eingereichter Antrag auf Fristverlängerung nichts zu ändern. Denn eine Verlängerung der Frist ist nicht erfolgt.

b) Der Beklagten ist jedoch, wie von ihr vorsorglich beantragt, aus prozessökonomischen Gründen ohne vorherige Entscheidung über den nach ihrem Vorbringen gestellten Verlängerungsantrag (vgl. dazu: IVb ZB 19/88, NJW-RR 1988, 581, unter II; Beschluss vom - VII ZB 37/00, NJW-RR 2001, 931, unter II) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, falls sich ihre Behauptung als zutreffend erweisen sollte, ihr damaliger Prozessbevollmächtigter habe am - rechtzeitig vor Fristablauf - einen Antrag auf Fristverlängerung bei dem Berufungsgericht eingereicht und diesen (u.a.) damit begründet, er sei wegen der notwendigen Erledigung anderer fristgebundener Angelegenheiten nicht in der Lage, die Berufung innerhalb der zweimonatigen Frist zu begründen. Denn ein Anwalt kann bei einem ersten Verlängerungsantrag regelmäßig darauf vertrauen, dass die beantragte Fristverlängerung von einem Monat erfolgt, wenn einer der Gründe des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dargelegt wird (, MDR 2001, 1432, unter II 1). Dies war hier der Fall.

Rechtsirrig geht das Berufungsgericht davon aus, dass allein aufgrund des Verlängerungsantrags kein Vertrauensschutz des Anwalts dahingehend bestehe, dass dem Antrag auch stattgegeben werde. Zwar ist gegen die gerichtliche Entscheidung über einen Verlängerungsantrag, auch gegen seine Ablehnung, kein Rechtsmittel gegeben (BGHZ 102, 37, 39). Dem Berufungskläger ist aber regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er "mit großer Wahrscheinlichkeit" die Bewilligung der beantragten Fristverlängerung erwarten konnte (BGH aaO). Dies ist der Fall, wenn - wie hier - mit einem ersten Verlängerungsantrag einer der Gründe des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dargelegt wird. Auch obliegt dem Anwalt bei einem fristgerecht gestellten Antrag keine Erkundigungspflicht (Senatsbeschluss vom - VIII ZB 6/86, VersR 1986, 787 f.).

Das Wiedereinsetzungsgesuch vom ist auch nicht verspätet, wie das Berufungsgericht rechtsirrig annimmt, da die Wiedereinsetzungsfrist, die frühestens am begonnen hat, nicht zwei Wochen, sondern gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat beträgt und daher am noch nicht abgelaufen war.

3. Der angefochtene Beschluss kann somit keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht selbst über den von der Beklagten gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen zu der Behauptung der Beklagten, ihr damaliger Prozessbevollmächtigter habe am einen Antrag auf Fristverlängerung bei dem Berufungsgericht eingereicht. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
LAAAC-62020

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein