BFH Urteil v. - V R 38/04 BStBl 2008 II S. 37

Steuerbefreiung von Umsätzen eines Logotherapeuten

Leitsatz

Die Umsätze eines nichtärztlichen Logotherapeuten sind nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1991/1993 umsatzsteuerfrei.

Gesetze: UStG 1991/1993 § 4 Nr. 14Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c

Instanzenzug: (EFG 2005, 1567) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Umsätze des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus seiner Tätigkeit als Logotherapeut in den Streitjahren 1992 bis 1994 gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes 1991 und 1993 (UStG) umsatzsteuerfrei waren.

Der Kläger ist promovierter Theologe. Er ist selbständig tätig und betreibt ein Institut für Existenzanalyse und Logotherapie.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG auf die Umsätze des Klägers aus dieser Tätigkeit ab, da der Kläger keine den in dieser Vorschrift genannten Heilberufen ähnliche Tätigkeit ausübe; es fehle bereits an einer vergleichbaren gesetzlichen Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelung.

Die hiergegen gerichteten Einsprüche des Klägers waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) lehnte die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG auf die streitigen Umsätze des Klägers ab und ließ dementsprechend zusätzliche, unstreitige Vorsteuerbeträge, die das FA bisher nicht berücksichtigt hatte, zum Abzug zu.

Das FG führte aus, § 4 Nr. 14 UStG sei auf die Umsätze des Klägers aus Logotherapie und Existenzanalyse nicht anzuwenden. Es komme darauf an, dass die Tätigkeit des Klägers ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern finanziert werde. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.

Das Urteil ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte” 2005, 1567 abgedruckt.

Mit derRevision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger trägt vor, bereits in den Streitjahren ausgebildeter Psychotherapeut mit der Fachrichtung Logotherapie gewesen zu sein. Er habe das European Certificate of Psychotherapy erhalten. Inzwischen sei ihm von der . Psychotherapieakademie eine Professur verliehen worden und er lehre an der Privatuniversität . Psychotherapie. Ferner legte er eine Bescheinigung vor, wonach er in Österreich seit dem zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt ist. Daher ist der Kläger der Auffassung, psychotherapeutische Umsätze auszuführen.

Deren Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG ergebe sich daraus, dass für Psychotherapie allgemein und nicht speziell für die Logotherapie eine Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger in Betracht komme. Auf die Methode der Psychotherapie und darauf, ob diese Methode in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden sei, komme es nicht an.

Ferner meint der Kläger, der Grundsatz der steuerlichen Neutralität sei verletzt, wenn seine Umsätze aus Logotherapie steuerpflichtig, die gleichen Umsätze eines Arztes allerdings steuerfrei seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die streitigen Umsätze von der Umsatzsteuer zu befreien, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Umsätze des Klägers aus der Tätigkeit als Logotherapeut nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sind.

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 der in den Streitjahren geltenden Fassungen des UStG sind „die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes” steuerfrei.

a) Diese Vorschrift setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderliche Qualifikation besitzt (vgl. Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2003, 585 Rz 5; vom C-443/04 und C-444/04, Solleveld u.a., BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 Rz 24, 37; , BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904; vom V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143).

aa) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) umfassen Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden (, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675; vom V R 7/05, BFH/NV 2006, 2387, Deutsches Steuerrecht 2006, 1982, m.w.N.).

bb) Im Urteil „Solleveld” in BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 hat der EuGH die Grundsätze für die Definition der „arztähnichen Berufe” durch die Mitgliedstaaten präzisiert:

Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bei der Definition der arztähnlichen Berufe ein Ermessen, das sich nicht nur auf die für die Ausübung dieser Berufe erforderliche Qualifikation, sondern auch auf die Festlegung der spezifischen Heiltätigkeiten bezieht, die zu diesen Berufen gehören (Rz 29, 30). Die Mitgliedstaaten können einzelne Berufe von den arztähnlichen Berufen ausnehmen, selbst wenn sie hinsichtlich bestimmter Aspekte im nationalen Recht besonders geregelt sind (Rz 33).

Begrenzt wird dieses Ermessen jedoch zum einen durch das Ziel der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG aufgestellten Voraussetzung, „dass die Befreiung nur für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gilt, die von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Qualifikationen…besitzen. Daher sind nicht alle Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen”. (Rz 37).

Zum anderen verbietet zwar der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. „Bei der Prüfung, ob Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gleichartig sind, sind jedoch die beruflichen Qualifikationen der Behandelnden zu berücksichtigen.” (Rz 40).

In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hängt der Nachweis der erforderlichen Qualifikation nach der Rechtsprechung des Senats nicht ausschließlich von einer berufsrechtlichen Regelung und deren Erfüllung ab. Indizien für das Vorliegen einer beruflichen Qualifikation sind die Zulassung des jeweiligen Unternehmers oder die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Sozialversicherung oder die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V (BFH-Urteil in BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904, m.w.N.). Weiteres Indiz ist, dass der Behandelnde die Qualifikation hat, die in einem Versorgungsvertrag gemäß § 11 Abs. 2, §§ 40, 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur medizinischen Rehabilitation benannt ist (, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190, unter II.2.c).

b) Nach diesen Grundsätzen sind die streitigen Umsätze des Klägers nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit:

aa) Für Logotherapeuten bestand keine berufsrechtliche Regelung. Die Logotherapie war nach Anlage 1 der in den Streitjahren gültigen Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 SGB V über die Durchführung der Psychotherapie in der kassenärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Richtlinien) von den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich ausgenommen. Da der Kläger ausschließlich die Logotherapie praktizierte, ist —entgegen seiner Auffassung— auf diese Methode und nicht allgemein auf Psychotherapie abzustellen.

bb) Soweit der Kläger vorträgt, bereits in den Streitjahren Psychotherapeut gewesen zu sein, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren schon aufgrund der Bindung an die Feststellungen des FG nicht berücksichtigt werden kann (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Denn das FG stellte lediglich fest, dass der Kläger in den Streitjahren Theologe war. Ebenfalls neu in diesem Sinne ist das Vorbringen des Klägers, er sei Inhaber des . Certificate of Psychotherapy, ihm sei eine Professur verliehen worden und er lehre an der . Psychotherapie. Gleiches gilt für die vom Kläger eingereichte Bescheinigung, wonach er in Österreich seit dem zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt ist.

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht verletzt, wenn logotherapeutische Heilbehandlungen eines Arztes aufgrund seiner breiten heilberuflichen Ausbildung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerbefreit sein sollten, die Leistungen des Klägers hingegen steuerpflichtig sind. Denn Heilbehandlungen sind nur gleichartig und damit hinsichtlich der Mehrwertsteuer gleich zu behandeln, wenn die Qualifikationen der Leistenden vergleichbar sind (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 Rz 40 ff.). Der Kläger hatte aber nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt in den Streitjahren keine ähnlich breite heilberufliche Ausbildung wie ein Arzt, sondern war Theologe.

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 37
BB 2007 S. 2389 Nr. 44
BB 2007 S. 2389 Nr. 44
BFH/NV 2007 S. 2435 Nr. 12
BStBl II 2008 S. 37 Nr. 1
DB 2007 S. 2522 Nr. 46
DStR 2007 S. 1905 Nr. 43
DStRE 2007 S. 1466 Nr. 22
DStZ 2007 S. 716 Nr. 22
HFR 2008 S. 56 Nr. 1
KÖSDI 2007 S. 15779 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2007 S. 3757
StB 2007 S. 443 Nr. 12
StBW 2007 S. 4 Nr. 22
StuB-Bilanzreport Nr. 21/2007 S. 832
UStB 2007 S. 345 Nr. 12
UVR 2008 S. 35 Nr. 2
NAAAC-60541