Leitsatz
[1] a) Meldet der Gesellschafter ein eigenkapitalersetzendes Darlehen zur Insolvenztabelle an, ist aber der Vertrag wegen Verstoßes gegen das Verbot der Durchführung staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gewährter Beihilfen nach dem EG-Vertrag nichtig, ist die Klage auf Feststellung des vom Verwalter bestrittenen Anspruchs als Darlehensforderung unzulässig; es bedarf einer Neuanmeldung des Rückforderungsanspruchs.
b) Ist die Bundesrepublik Deutschland aufgrund einer Entscheidung der Europäischen Kommission zur Rückforderung einer Beihilfe verpflichtet, ist diese Rückforderung eine einfache Insolvenzforderung im Rang des § 38 InsO; dem Umstand, dass sie den Regeln über eigenkapitalersetzende Darlehen unterliegt, kommt keine Bedeutung zu.
Gesetze: InsO § 38; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5; InsO § 174; InsO § 181; InsO § 183; EG Art. 87 Abs. 1; EG Art. 88 Abs. 2; EG Art. 88 Abs. 3
Instanzenzug: LG Magdeburg 5 O 92/04 vom OLG Naumburg 5 U 5/05 vom
Tatbestand
Die Klägerin gewährte der S. GmbH (i. F.: Schuldnerin) in der Zeit von Juli 1997 bis März 2000 15 Darlehen in Höhe von insgesamt ca. 54,9 Mio. DM und stundete ihr darüber hinaus eine Kaufpreisforderung in Höhe von 3.116.626,33 DM = 1.593.505,74 €. Die Schuldnerin sollte so neu strukturiert und saniert werden; die Darlehen sollten vorbehaltlich einer Genehmigung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (i. F.: Kommission) in Zuschüsse umgewandelt werden. Wegen einiger der Darlehen erklärte die Klägerin im Verlauf der Umstrukturierung Rangrücktritte.
Seit Oktober 1998 war die L. GmbH i. L. alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin. Alleingesellschafterin dieser Gesellschaft war seit September 1999 die Klägerin.
Wegen der Darlehen leitete die Kommission im August 2000 ein Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EGV gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Im September 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Klägerin meldete die Darlehensforderungen - teilweise nachrangig - und die Kaufpreisforderung, jeweils zuzüglich Zinsen, im Oktober 2000 zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte bestritt sie vorläufig.
Die Kommission entschied am , dass von der Bundesrepublik Deutschland an die Schuldnerin vergebene Beihilfen in Höhe von 34,26 Mio. Euro, darunter die hier in Rede stehenden Darlehen sowie die gestundete Forderung, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar seien, und forderte die Bundesrepublik auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beihilfen zuzüglich Zinsen zurückzufordern (ABlEG - L 314/75, 84 f).
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr in Höhe der Darlehen und der gestundeten Forderung nebst Zinsen eine Insolvenzforderung sowie eine nachrangige Insolvenzforderung wegen der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Zinsen zustehe. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Gründe
Die Revision hat weitgehend Erfolg.
A.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klage sei begründet. Der Klägerin stehe ein Bereicherungsanspruch zu; die Darlehensverträge seien nichtig (§ 134 BGB), weil sie gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag verstießen. Der Bereicherungsanspruch gewähre der Klägerin eine nicht nachrangige Insolvenzforderung (§ 38 InsO). § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO greife nicht ein, weil die Rückzahlungsansprüche wirksam durchgesetzt werden müssten. Die Eigenkapitalersatzregeln stünden dem entgegen und seien deshalb nicht anzuwenden.
B.
Diese Begründung des Berufungsgerichts trifft zu. Gleichwohl hält seine Entscheidung rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit es der Feststellungsklage hinsichtlich der als Darlehen angemeldeten Forderungen nebst Zinsen stattgegeben hat. Insoweit ist die Klage unzulässig.
I.
Auch in der Revisionsinstanz ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen; der Bundesgerichtshof ist insoweit Tatsacheninstanz (vgl. BGHZ 85, 288, 290; 86, 184, 188; 100, 217, 219; 166, 1, 2; , WM 2000, 891, 892).
1. Dass der Beklagte die Forderungen der Klägerin nur vorläufig bestritten hat, steht der Zulässigkeit der Klage allerdings nicht entgegen. Denn das Gesetz sieht nicht vor, dass der Insolvenzverwalter im Prüfungstermin (§ 176 InsO) eine angemeldete Forderung lediglich vorläufig bestreitet. Daher ist auch ein solches vorläufiges Bestreiten als ein Bestreiten im Sinne des § 179 Abs. 1 InsO anzusehen (, WM 2006, 731, 732).
2. Die Klage ist aber überwiegend unzulässig, weil die Klägerin ihre als Darlehen angemeldeten Forderungen nicht in der rechtlich gebotenen Form zur Tabelle angemeldet hat.
Die Feststellung kann nach Grund, Betrag und Rang der Forderung nur in der Weise begehrt werden, wie die Forderung in der Anmeldung oder im Prüfungstermin bezeichnet worden ist (§ 181 InsO). Die Anmeldung zur Tabelle ist Sachurteilsvoraussetzung; eine Feststellungsklage ohne Anmeldung ist unzulässig (, WM 2001, 2180, 2181; v. - IX ZR 165/02, WM 2003, 2429, 2432; MünchKomm-InsO/Schumacher, § 181 Rn. 3). Der Grund für das vorrangig zu betreibende Anmeldungs- und Prüfungsverfahren liegt darin, dass das Feststellungsurteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Gläubigern wirkt (§ 183 Abs. 1 InsO); diese müssen ebenso wie der Verwalter selbst zunächst Gelegenheit erhalten, die angemeldete Forderung zu prüfen und gegebenenfalls zu bestreiten. Maßgebend für diese Prüfung ist der Sachverhalt, der in der Anmeldung angegeben worden ist (§ 174 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO). Dieser Sachverhalt (der "Grund" des Anspruchs) bestimmt, soweit die Forderung als anerkannt in die Tabelle eingetragen wird, den Umfang der Rechtskraft der Eintragung gegenüber den Gläubigern (§ 183 InsO) und, soweit die Forderung bestritten wird, den Umfang der Rechtskraft des im Feststellungsprozess ergehenden Urteils. Deswegen muss der Anspruchsgrund bei der Anmeldung zur Tabelle angegeben werden. Wird er nach der insolvenzrechtlichen Prüfung geändert, so bedarf es einer neuen Anmeldung; ohne sie ist eine auf den anderen Anspruchsgrund gestützte Feststellungsklage ebenso unzulässig wie eine Klage ohne jede Anmeldung ( und v. , jew. aaO).
a) Der beklagte Insolvenzverwalter hat die Unzulässigkeit der Klage nicht gerügt; er hat vielmehr mehrfach geäußert, dass sie seiner Ansicht nach zulässig sei. Dieser von der Revisionserwiderung hervorgehobene Umstand führt nicht zur Zulässigkeit der Klage. § 296 Abs. 3 ZPO ist nicht anwendbar. Der Insolvenzverwalter kann auf die ordnungsgemäße Anmeldung nicht verzichten (vgl. aaO); denn § 181 InsO will die übrigen Insolvenzgläubiger schützen, weil das Feststellungsurteil auch ihnen gegenüber wirkt (§ 183 Abs. 1 InsO).
b) Die europarechtlichen Regelungen und der auf ihnen beruhende Rückforderungsbescheid der Kommission zwingen nicht dazu, von den Voraussetzungen des § 181 InsO abzuweichen. Die Forderung kann auch nach Ablauf der Frist des § 28 Abs. 1 Satz 1 InsO jederzeit angemeldet werden (§ 177 InsO; vgl. im Übrigen , WM 2006, 778, 779).
c) Die Klägerin hat ihre auf den Darlehen beruhenden Forderungen teilweise mit einem anderen Rang als dem von ihr nunmehr bezeichneten zur Tabelle angemeldet, nämlich als nachrangig (§ 39 InsO). Im Übrigen hat sie die Forderungen als Darlehensforderungen und damit unter Angabe eines anderen Grundes angemeldet.
aa) Die Klägerin hat wegen der von ihr ausgereichten Darlehen nicht nachrangige Insolvenzforderungen (vgl. § 38 InsO) nur in einer Höhe von 16.297.095,73 € angemeldet. Davon entfallen 14.391.843,87 € auf die Hauptforderung und 1.905.251,86 € auf die - nicht nachrangigen - Zinsen. Die übersteigende Forderung von 16.892.060,61 € hat sie nur als nachrangig (vgl. § 39 Abs. 1 InsO), also mit einem anderen Rang, angemeldet. Die anderen Gläubiger hatten bislang keine Gelegenheit, einen besseren Rang des übersteigenden Betrags zu prüfen.
Der von der Klägerin erklärte Rangrücktritt ist allerdings unwirksam, weil der Beihilfegeber sich auf diese Weise nicht seiner Rückforderungsverpflichtung entziehen darf (vgl. Bork, Festschrift für Lutter, Seite 301, 308 f). Darauf kommt es aber nicht an. Denn auch wenn dem die Feststellung begehrenden Gläubiger ein besserer als der von ihm angemeldete Rang zusteht, müssen die übrigen Insolvenzgläubiger doch Gelegenheit erhalten, sich zu diesem besseren Rang zu äußern. Gerade darin liegt der Sinn des § 181 InsO.
bb) Wegen der von ihr ausgereichten Darlehen im Übrigen hat die Klägerin Forderungen in Höhe der restlichen 16.297.095,73 € mit einem anderen Grund angemeldet.
(1) Ob eine Änderung zwischen dem Grund der Anmeldung und dem der Klage vorliegt, bestimmt sich nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen (vgl. BGHZ 105, 34, 37; aaO). Die Frage der Änderung ist anhand des Schutzzwecks des § 181 InsO zu beurteilen. § 181 InsO, der § 146 Abs. 4 KO entspricht, soll, wie bereits ausgeführt, sicherstellen, dass die übrigen Widerspruchsberechtigten Gelegenheit zur Mitwirkung bei der Feststellung der Insolvenzforderungen erhalten (Hahn, Die Gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band IV KO, S. 329). Es darf keine Insolvenzforderung eingeklagt werden, welche nicht der vorschriftsmäßigen Prüfung unterworfen worden ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Änderung des das Wesen der Forderung bestimmenden Schuldgrundes gegeben ist (Hahn, aaO). In einem solchen Fall müssen die übrigen Gläubiger Gelegenheit erhalten, sich zu dem neuen Anspruchsgrund zu äußern, weil sie in ihrer aufgrund der Anmeldung vorgenommenen Prüfung noch nicht alle nunmehr in der Klage wesentlichen Aspekte berücksichtigen konnten. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die den Klagegrund der Feststellungsklage begründende Forderung rechtlich wesentlich anders zu beurteilen ist als die angemeldete, es also nicht lediglich um eine andere rechtliche Qualifizierung der schon angemeldeten Forderung geht (vgl. aaO). Muss dem in der Klage geltend gemachten Anspruchsgrund eine andere Verteidigung entgegengesetzt werden als dem angemeldeten, so handelt es sich um eine wesentliche Änderung des Grundes der Forderung. Wegen des Schutzzwecks des § 181 InsO genügt es nicht, dass der beklagte Insolvenzverwalter den gemeinsamen Gegenstand des Anspruchsgrundes erkennen kann ( aaO S. 2181; Graf-Schlicker, InsO § 174 Rn. 16).
(2) Vorliegend beruht die der Feststellungsklage zugrunde liegende Forderung auf einem anderen Sachverhalt und ist rechtlich wesentlich anders zu beurteilen als die angemeldete. Die Klägerin hat ihre Forderungen als Darlehensforderungen angemeldet. Tatsächlich stehen der Klägerin aber Bereicherungsansprüche gegen die Schuldnerin zu, weil die zwischen den Parteien vereinbarten Darlehen gegen das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 (früher Art. 93 Abs. 3 Satz 3) EG-Vertrag (i. F.: EGV) verstießen. Diese Norm ist unmittelbar anwendbar und betrifft nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere jede Beihilfemaßnahme, die ohne die in Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EGV vorgeschriebene Notifizierung durchgeführt wird (EuGH, Rs. 120/73, Slg. 1973, 1471 Rn. 8; Rs. C-354/90, Slg. 1991, I-5505 Rn. 11; Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 Rn. 39). Eine Notifizierung der Darlehensverträge ist hier unterblieben (vgl. Entscheidung der Kommission vom - ABlEG L 314/75, Rn. 87). Dieser Verstoß führt zur Nichtigkeit des Vertrages; denn Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV ist ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB (, WM 2003, 1491, 1492; v. - V ZR 48/03, VIZ 2004, 77, 78; vgl. auch EuGH, Rs. 354/90, Slg. 1991, I-5505 Rn. 12).
Die der Feststellungsklage zugrunde liegenden Bereicherungsansprüche unterscheiden sich erheblich von den angemeldeten Darlehensforderungen, weil sie von anderen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen abhängen. Darlehen eines Gesellschafters können den Restriktionen des Eigenkapitalersatzrechts unterliegen. Da auch das Stehen lassen von Forderungen zur Anwendung der Regelungen über den Eigenkapitalersatz (§§ 32a, 32b GmbHG) führt (BGHZ 127, 336, 345), unterfallen Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz sogar regelmäßig diesen Einschränkungen. Sie sind dann nur als nachrangige Insolvenzforderungen zu berücksichtigen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Meldet ein Gesellschafter Darlehensforderungen zur Insolvenztabelle an, können und werden die übrigen Gläubiger darauf vertrauen, dass der Insolvenzverwalter prüft, ob diese eigenkapitalersetzend waren, und dass dies in aller Regel zu bejahen sein wird. Die Bereicherungsansprüche sind hingegen, wie sich aus den Ausführungen unter Ziff. II. ergibt, aufgrund der europarechtlichen Vorgaben im Insolvenzverfahren als nicht nachrangige Insolvenzforderungen zu behandeln (§ 38 InsO). Daraus folgt, dass die Bereicherungsansprüche im Insolvenzverfahren rechtlich wesentlich anders zu behandeln sind als die von der Klägerin angemeldeten Darlehensansprüche. Insoweit ist die Klage daher unzulässig.
II.
Die Revision ist hingegen unbegründet, soweit sie sich gegen die Feststellung der von der Klägerin angemeldeten Kaufpreisforderung wendet.
1. Insoweit ist die Feststellungsklage zulässig. Insbesondere hat die Klägerin ihre Kaufpreisforderung in der rechtlich gebotenen Weise angemeldet. Der Rang und der Grund des Anspruchs haben sich nicht geändert (§ 181 InsO).
2. Das Berufungsgericht hat dem Feststellungsbegehren der Klägerin insoweit auch mit Recht stattgegeben. Auf die zwischen den Parteien nicht streitige Forderung ist § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht anzuwenden.
Zwar führt auch das Stehen lassen von Forderungen zur Anwendung der Regelungen über den Eigenkapitalersatz (§§ 32a, 32b GmbHG; vgl. BGHZ 127, 336, 345). Die Kaufpreisforderung ist aber nicht als nachrangige Insolvenzforderung zu berücksichtigen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), denn sie ist aufgrund der europarechtlichen Rückforderungsbestimmungen durchzusetzen, um die durch die unerlaubte Beihilfe eingetretene Wettbewerbsbeeinträchtigung zu beseitigen. Zwar führt der Verstoß gegen das formelle Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV allein noch nicht dazu, dass die Beihilfe endgültig zurückzufordern ist (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Artt. 7 Abs. 5, 14 Abs. 1 der EG-Verordnung 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 EGV vom , ABlEG L 83/1, S. 1 f - i. F.: EG-VO 659/1999). Aufgrund des Verstoßes gegen das Durchführungsverbot steht noch nicht fest, dass die Darlehen eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstellten und deshalb gegen das Beihilfeverbot gemäß Art. 87 Abs. 1 EGV (früher Art. 92 Abs. 1 EGV) verstießen. Diese Bestimmung entfaltet in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erst dann unmittelbare Wirkung, wenn sie insbesondere durch eine Entscheidung der Kommission nach Art. 88 Abs. 2 EGV (früher Art. 93 Abs. 2 EGV) in Verbindung mit den vorgenannten Artikeln der EG-VO 659/1999 konkretisiert wurde (EuGH, Rs. 77/72, Slg. 1973, 611 Rn. 6; Rs. 78/76, Slg. 1977, 595 Rn. 10; Rs. C-301/87, Slg. 1990, I-307 Rn. 9 f, 21). Mit der Entscheidung der Kommission vom steht hier aber fest, dass die Beihilfen auch materiell-rechtlich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar waren und von der Bundesrepublik Deutschland zurückzufordern sind.
a) Der Mitgliedstaat, an den eine Entscheidung gerichtet ist, die ihn zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet, hat alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Durchführung der Entscheidung sicherzustellen (EuGH, Rs. C-209/00, Slg. 2002, I-11695 Rn. 31; Rs. C-404/00, Slg. 2003, I-6695 Rn. 21; Rs. C-232/05, EuZW 2007, 56, 58 [Rn. 42]). Er muss erreichen, dass der Beihilfegeber die geschuldeten Beträge tatsächlich wiedererlangt (EuGH, Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn. 75; Rs. C-415/03, Slg. 2005, I-3875 Rn. 44; Rs. C-232/05, EuZW 2007, 56, 58 Rn. 42). Mit der Rückzahlung verliert nämlich der Empfänger den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Konkurrenten besaß, und die Lage vor der Zahlung der Beihilfe wird wiederhergestellt (EuGH, Rs. C-350/93, Slg. 1995, I-699 Rn. 22; Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn. 75). Die Rückforderung hat nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 EG-VO 659/1999 unverzüglich zu erfolgen. Das Hauptziel der Rückerstattung liegt darin, die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit der Beihilfe verbundenen Wettbewerbsvorteil verursacht wurde (EuGH, Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn. 76).
Die Beihilfen sind nach Art. 3 Abs. 3 der Entscheidung der Kommission vom von der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des deutschen Rechts zurückzufordern (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 EG-VO 659/1999). Die nationalen Regelungen dürfen aber die Rückforderung nicht ausschließen oder faktisch unmöglich machen (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 EG-VO 659/1999 und EuGH, Rs. 94/87, Slg. 1989, 175 Rn. 12; Rs. C-24/95, Slg. 1997, I-1591 Rn. 24; EuGH, Rs. C-480/98, Slg. 2000, I-8717 Rn. 34; Rs. C-209/00, Slg. 2002, I-11695 Rn. 35; Rs. C-232/05, EuZW 2007, 56, 58 Rn. 49). Im Fall von rechtswidrigen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen muss ein wirksamer Wettbewerb wiederhergestellt und dazu die betreffende Beihilfe unverzüglich zurückgefordert werden (EuGH, Rs. C-209/00, Slg. 2002, I-11695 Rn. 35). Die Anwendung der nationalen Verfahren darf somit die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs nicht erschweren, indem sie die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung verhindert (EuGH, Rs. C-232/05, EuZW 2007, 56, 58 Rn. 50). Generell sind bei der Durchführung der Rückforderung auch die mit dem Beihilfeverbot verfolgten Ziele zu berücksichtigen (EuGH, Rs. C-334/99, Slg. 2003, I-1139 Rn. 118). Falls zwischen dem unmittelbar anwendbaren Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem nationalen deutschen Recht ein Widerspruch auftritt, kommt dem EG-Recht nach Art. 24 Abs. 1 Grundgesetz ein Anwendungsvorrang zu (BVerfGE 73, 339, 375; 75, 223, 244; 85, 191, 204). Verhindert also die Anwendung des deutschen Rechts die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung und erschwert sie dadurch die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs, sind die entsprechenden deutschen Normen nicht anzuwenden (vgl. EuGH, Rs. C-232/05, EuZW 2007, 56, 58 Rn. 53). Das nationale Gericht ist dabei verpflichtet, einen Schutz gegen die Auswirkung der rechtswidrigen Durchführung von Beihilfen sicherzustellen (EuGH, Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 Rn. 67).
b) Die Verpflichtung zur Rückforderung besteht aber nicht uneingeschränkt. Befindet sich das Unternehmen in der Insolvenz, genügt es, dass der Beihilfegeber, wie hier, seine Rückerstattungsforderung zur Tabelle anmeldet (EuGH, Rs. C-142/87, Slg. 1990, I-959 Rn. 62; Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn. 85; , WM 2006, 778, 779). Denn durch das Insolvenzverfahren und die Liquidation des Beihilfeempfängers wird die durch die unerlaubte Beihilfe hervorgerufene Beeinträchtigung des Wettbewerbs in aller Regel bereinigt. Durch die Liquidation haben in der Vergangenheit benachteiligte Wettbewerber die Möglichkeit, die durch das Ausscheiden des Beihilfeempfängers frei werdende Lücke am Markt zu nutzen. Sie können auch die Vermögensgegenstände des Beihilfeempfängers vom Insolvenzverwalter erwerben und ihrerseits einsetzen (EuGH, Rs. C-328/99 u. C-399/00, Slg. 2003, I-4035 Rn. 69). Auf die Rückforderung der Beihilfe sind mit der vorgenannten Einschränkung grundsätzlich die jeweiligen nationalen Insolvenzvorschriften anzuwenden.
c) Die Verpflichtung zur Rückforderung wird mit der Anmeldung im Insolvenzverfahren aber nur dann effektiv und unverzüglich umgesetzt, wenn die Rückforderungsansprüche als nicht nachrangige Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) behandelt werden. Nur unter dieser Voraussetzung wird die mit der rechtswidrigen Beihilfe verbundene Wettbewerbsverzerrung wirksam beseitigt. Der Vorrang der europarechtlichen Regelungen der Art. 88 Abs. 2 EGV, Art. 14 Abs. 3 Satz 1 EG-VO 659/1999 führt zur Nichtanwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.
aa) In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, der Rückforderungsanspruch für staatliche Beihilfen, die als eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zu werten seien, gewähre gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur eine nachrangige Insolvenzforderung; das Europarecht gebiete nichts anderes (Bork, aaO S. 315 f; Smid, Festschrift für Uhlenbruck S. 405, 417 f; Kübler/Prütting/Holzer, InsO § 39 Rn. 20e u. 20f; Geuting/Michels ZIP 2004, 12, 15; a. A. von der Lühe/Lösler ZIP 2002, 1752, 1755 f; zweifelnd Quardt in Heidenhain, Handbuch des europäischen Beihilfenrechts § 54 Rn. 16). Die Vorschriften des Eigenkapitalersatzrechts seien wettbewerbsneutral. Entscheidend sei allein die Liquidation des Beihilfeempfängers, weil dadurch die Wettbewerbsbeeinträchtigung beseitigt werde. Wer den Liquidationserlös erhalte, sei dann aus Sicht der Wettbewerber ohne Bedeutung (Geuting/Michels aaO). Darüber hinaus seien die Gläubigervorrechte mit der Insolvenzrechtsreform abgeschafft worden; ihre Wiedereinführung sei richterlicher Rechtsfortbildung entzogen (Smid, InsO 2. Aufl. § 39 Rn. 18).
bb) Diese Auffassung trifft nicht zu. Der Beihilfegeber ist auch in der Insolvenz des Beihilfeempfängers zur Rückforderung verpflichtet; nur so wird die unerlaubte Beeinträchtigung des Wettbewerbs bereinigt.
(1) Mit der Nichtanwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wird kein Gläubigervorrecht eingeführt. Die Klägerin wird vielmehr wie jeder andere Gläubiger behandelt. Die Nichtanwendung ist auch keine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung, sondern folgt aus dem Anwendungsvorrang des europäischen Rechts und der den nationalen Gerichten im Rahmen des Art. 88 Abs. 2 EGV zugewiesenen Funktion (EuGH, Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 Rn. 67).
(2) Der Mitgliedstaat wird durch die Entscheidung der Kommission nach Art. 88 Abs. 2 EGV i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Abs. 5, Art. 14 Abs. 1, 3 EG-VO 659/1999 verpflichtet, die Beihilfe effektiv und unverzüglich zurückzufordern. Daran ändert die Insolvenz des Beihilfeempfängers grundsätzlich nichts; die Anwendung des deutschen Insolvenzrechts darf die Rückforderung nicht faktisch verhindern (von der Lühe/Lösler aaO S. 1758). Die Teilnahme des Rückforderungsanspruchs am Insolvenzverfahren ist allein der rein tatsächlichen Unmöglichkeit der vollständigen Befriedigung aller Gläubiger des Beihilfeempfängers geschuldet. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll den Beihilfegeber hingegen nicht von seiner Rückforderungspflicht entbinden. Er ist vielmehr verpflichtet, alle Gläubigerrechte im Rahmen des Insolvenzverfahrens zur bestmöglichen Befriedigung des Beihilferückforderungsanspruchs aktiv wahrzunehmen (EuGH, Rs. C-328/99 u. C-399/00, Slg. 2003, I-4035 Rn. 69; Ehricke ZIP 2000, 1656, 1660; Borchardt ZIP 2001, 1301, 1302; Quardt, aaO § 54 Rn. 1; vgl. auch Koenig BB 2000, 573, 580). Wenn die Rückforderung aber nur zu einer nachrangigen Insolvenzforderung führte, hätte der Beihilfegeber nicht einmal die uneingeschränkte Möglichkeit, die Rückforderung zur Tabelle anzumelden, sondern könnte der entsprechenden Pflicht nur nachkommen, wenn das Insolvenzgericht ihn zur Anmeldung aufforderte (vgl. § 174 Abs. 3 InsO). Er stünde also noch schlechter, als dies wegen der Zahlungsunfähigkeit des Beihilfeempfängers ohnehin schon der Fall ist. Die Einordnung als nachrangige Insolvenzforderung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO würde selbst die auf der Zahlungsunfähigkeit beruhende quotale Rückforderung faktisch unmöglich machen. Denn die auch nur teilweise Befriedigung nachrangiger Insolvenzforderungen ist regelmäßig nicht zu erwarten. Die nur theoretische Möglichkeit, dass grundsätzlich auch eine nachrangige Forderung befriedigt werden kann, reicht für die von Art. 88 Abs. 2 EGV, Art. 14 Abs. 3 Satz 1 EG-VO 659/1999 geforderte effektive Durchsetzung der Rückforderung nicht aus (entgegen Kübler/Prütting/Holzer, aaO Rn. 20f).
(3) Falls Sicherungsrechte bestehen sollten, könnte der Beihilfegeber auf diese nicht zurückgreifen, weil sie nicht verwertbar sind, wenn sie kapitalersetzende Darlehen besichern (vgl. BGHZ 133, 298, 305). Mit der Möglichkeit, Sicherheiten zu verwerten, kann aber ein effektiver Weg beschritten werden, um die Beihilfe unverzüglich zurückzuerhalten und damit die durch sie bewirkte Wettbewerbsbeeinträchtigung schon im noch laufenden Insolvenzverfahren zu beseitigen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn der Beihilfegeber in diesem Fall nicht auf die Sicherheit zurückgreifen dürfte.
(4) Die Anwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO würde darüber hinaus die Einflussnahme des Rückforderungsgläubigers auf das Insolvenzverfahren des Beihilfeempfängers ausschalten, die notwendig ist, um den mit der Beihilfe erlangten Wettbewerbsvorteil vollständig abzuschöpfen und sein teilweises Weiterwirken auch im Falle einer (übertragenden) Sanierung des Schuldnerunternehmens zu verhindern (vgl. EuGH, Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn. 75, 76, 85, 86).
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Gefahr weiterer Beeinträchtigungen des Wettbewerbs noch nicht gebannt. Der Insolvenzverwalter kann den Betrieb des Beihilfeempfängers - möglicherweise über längere Zeit - fortführen. Damit nutzt er den auf der unerlaubten Beihilfe beruhenden Wettbewerbsvorteil aus. Diese Gefahr besteht auch dann, wenn es zu einem Insolvenzplanverfahren kommt. Schließlich ist es denkbar, dass der Betrieb des Beihilfeempfängers an eine Auffanggesellschaft veräußert wird, die gemäß § 138 Abs. 2 InsO als nahe stehend anzusehen ist (vgl. § 162 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Auch dann liegt es nahe, dass die mit Hilfe der verbotenen Beihilfe erworbenen Vermögensgegenstände des Beihilfeempfängers zu einem nicht marktgerechten Preis veräußert werden, wodurch sich die Wettbewerbsbeeinträchtigung fortsetzt (vgl. EuGH, Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn. 86).
Als nachrangiger Insolvenzgläubiger wäre der Beihilfegeber nicht berechtigt, die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu beantragen (vgl. § 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO); er wäre in ihr auch nicht stimmberechtigt (§ 77 Abs. 1 Satz 2 InsO). Er könnte also weder einer Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter ohne vollständige Rückzahlung der Beihilfe noch einer Veräußerung an eine nahe stehende Gesellschaft widersprechen. Ein Erfolg versprechender Widerspruch gegen einen Insolvenzplan wäre ihm ebenfalls nicht möglich; denn mit einer Quote hat er regelmäßig nicht zu rechnen (vgl. § 245 Abs. 1, § 225 Abs. 1 InsO).
(5) Entschiede man anders (vgl. OLG Jena WM 2006, 222), wäre es für den Mitgliedstaat ein Leichtes, seine Verpflichtung zur Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen zu umgehen, indem er sich zum Gesellschafter macht.
3. Eine Vorlage gemäß Art. 234 EGV an den Europäischen Gerichtshof ist nicht angezeigt. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV besteht dann nicht, wenn das letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm schwebenden Verfahren feststellt, dass die betreffende entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig für einen vernünftigen Zweifel keinen Raum lässt ( 283/81 - C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, 3415, 3430 Rn. 16; vgl. BVerfG NJW 1988, 1456; BGHZ 109, 29, 35). So liegt der Fall hier.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2146 Nr. 40
NJW-RR 2007 S. 1693 Nr. 24
RIW 2007 S. 789 Nr. 10
WM 2007 S. 1749 Nr. 37
ZIP 2007 S. 1760 Nr. 37
DAAAC-57670
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja