Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 265 Abs. 1; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 349 Abs. 5; StPO § 357; StPO § 357 Satz 1; WaffG § 1 Abs. 4; WaffG § 52 Abs. 1 Nr. 2 a; StGB § 25 Abs. 2; KWKG § 22 a Abs. 1 Nr. 2
Instanzenzug: LG Stendal vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten L. unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum Überlassen einer Schusswaffe an einen Nichtberechtigten, wegen Erwerbs von Schusswaffen, um sie einem Nichtberechtigten zu überlassen, sowie wegen versuchten Überlassens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe in Tateinheit mit Erwerb von Schusswaffen, um sie einem Nichtberechtigten zu überlassen unter Einbeziehung rechtskräftig verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Teilaufhebung des Urteils ist hinsichtlich der Tat II 2 der Urteilsgründe auf den nicht revidierenden Mitangeklagten T. zu erstrecken, der unter Freisprechung im Übrigen wegen der auch dem Beschwerdeführer zur Last gelegten drei Taten zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden ist.
I. Das Urteil hält rechtlicher Prüfung insofern nicht stand, als das Landgericht in den Fällen II 2 hinsichtlich der Angeklagten L. und T. und II 3 hinsichtlich des Angeklagten L. (Mit-)Täterschaft angenommen hat.
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erwarb der frühere Mitangeklagte B. eine Selbstladepistole Sauer & Sohn, Modell 38 und ein Mehrladegewehr Mäuser Modell 98 zum Preis von insgesamt 1.300 Euro, um die Waffen gewinnbringend weiterzuverkaufen. Nachdem der Angeklagte L. und der Mitangeklagte T. Kontakt zu einem vermeintlichen Kaufinteressenten, bei dem es sich tatsächlich um eine Vertrauensperson der Polizei handelte, hergestellt hatten, verkaufte B. die Waffen im Beisein von L. und T. an diesen Abnehmer zum Preis von 1.800 Euro. Es war vereinbart, dass der Angeklagte 50 Euro vom Verkaufspreis und T. 30 Euro von dem Abnehmer erhalten sollten (Fall II 2 der Urteilsgründe).
Kurz danach erwarb B. eine Maschinenpistole Uzi sowie drei weitere Schusswaffen (eine Bockbüchsflinte, eine Doppelflinte und ein Mehrladegewehr) zum Gesamtpreis von 4.050 Euro, um diese für 6.000 Euro an denselben Abnehmer zu verkaufen. Er übergab die Waffen dem früheren Mitangeklagten T. , der sie absprachegemäß über Nacht in seinem PKW aufbewahrte und tags darauf nach Magdeburg transportierte, um sie dort dem Abnehmer zu übergeben. Bevor es zur Übergabe kam, wurde T. festgenommen. Der Angeklagte L. förderte die Tat unter anderem dadurch, dass er den Kontakt zu T. und über diesen zu dem vermeintlichen Abnehmer unterhielt (Fall II 3 der Urteilsgründe).
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten L. wegen mittäterschaftlicher Tatbegehung nicht.
a) Eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Erwerbs von Schusswaffen, um sie einem Nichtberechtigten zu überlassen (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG), setzt einen Erwerb im Sinne des Waffenrechts voraus. Dieser Begriff ist, dem Schutzzweck des Gesetzes entsprechend, gesondert geregelt: Nach § 1 Abs. 4 WaffG i.V.m. Nr. 1 Anlage 1 Abschnitt 2 erwirbt derjenige eine Waffe oder Munition, der die tatsächliche Gewalt darüber erlangt. Der Begriff des Erwerbs umfasst mithin die Erlangung der tatsächlichen Möglichkeit, über einen Gegen-stand nach eigenem Willen zu verfügen, ohne dass es darauf ankommt, in welcher Weise der Erwerb vonstatten geht (vgl. BTDrucks. VI 2678 S. 25 f.). Dies entspricht dem Sicherungszweck des Gesetzes, da Gefahren grundsätzlich nur von demjenigen ausgehen, der die Waffe derart in seinem Herrschaftsbereich hat, dass er jederzeit auf sie zugreifen kann (Steindorf Waffenrecht 8. Aufl. § 1 WaffG Rdn. 34). Da auch mehrere Personen die tatsächliche Gewalt über einen Gegenstand ausüben können, reicht es aus, wenn dem Betreffenden lediglich die Mitverfügungsgewalt eingeräumt wird (vgl. Heinrich in MünchKomm § 1 WaffG Rdn. 161). Eine Zurechnung der tatsächlichen Gewalt auf einen anderen Tatbeteiligten, der keine direkte Zugriffsmöglichkeit hat, ist dagegen auch über § 25 Abs. 2 StGB nicht möglich (BGH NStZ 1997, 604, 605; vgl. auch Steindorf aaO).
aa) Gemessen daran hatte der Angeklagte L. weder im Fall II 2 noch im Fall II 3 der Urteilsgründe die erlaubnispflichtigen Schusswaffen erworben im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG. In beiden Fällen wusste er zwar davon, dass B. weitere Waffen zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwerben wollte, und förderte jeweils die Tat, an der er ein eigenes finanzielles Interesse hatte. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte er aber zu keiner Zeit die tatsächliche Gewalt über die Waffen. Deswegen hat er sich in beiden Fällen lediglich der Beihilfe zum Erwerb von Schusswaffen, um sie einem Nichtberechtigten zu überlassen, schuldig gemacht.
bb) Entsprechendes gilt, soweit es den Fall II 2 der Urteilsgründe betrifft, für den nicht revidierenden Mitangeklagten T. . Auch dieser unterstützte lediglich den Verkauf der Waffen durch B. , ohne selbst die tatsächliche Gewalt über diese auszuüben.
Im Fall II 3 der Urteilsgründe hatte er dagegen die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die Waffen, denn er hatte diese über Nacht in seinem Pkw aufbewahrt und am nächsten Tag von Bergen/Dumme nach Magdeburg transportiert, wo er sie im Auftrag des B. dem vermeintlichen Käufer übergeben sollte. Auch eine nur vorübergehende Erlangung der tatsächlichen Gewalt, etwa zum Zwecke der Verwahrung oder Beförderung, reicht für einen Erwerb im Sinne des Waffengesetzes aus (vgl. Heinrich aaO, § 1 WaffG Rdn. 159).
b) Auch soweit der Angeklagte L. im Fall II 3 der Urteilsgründe zugleich wegen täterschaftlich versuchten Überlassens der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen verurteilt worden ist, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Überlassen im Sinne des § 22 a Abs. 1 Nr. 2 KWKG ist jedes mit der Übertragung des unmittelbaren Besitzes verbundene Einräumen der tatsächlichen Möglichkeit, über die Kriegswaffe dauernd oder auch nur vorübergehend zu verfügen (vgl. Steindorf aaO § 22 a KWKG Rdn. 4, § 1 WaffG Rdn. 64). Diese Begehungsform setzt voraus, dass der Überlassende im Zeitpunkt des Überlassens selbst die tatsächliche Gewalt über die Kriegswaffe ausübt (BGHSt 28, 294). Daran fehlt es hier. Der Angeklagte L. hatte zu keiner Zeit selbst die tatsächliche Gewalt über die Maschinenpistole. Auch insoweit kommt daher nur Beihilfe in Betracht.
II. Der Senat ändert die Schuldsprüche in den Fällen II 2 und 3 der Urteilsgründe bezüglich des Angeklagten L. ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Im Fall II 2 der Urteilsgründe waren die Aufhebung der Verurteilung wegen mittäterschaftlicher Begehung und die Schuldspruchänderung gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten T. zu erstrecken, weil der sachlich-rechtliche Mangel in gleicher Weise auch ihn betrifft.
III. Die Schuldspruchänderungen führen zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtfreiheitsstrafen.
IV. Eine Erstreckung der Aufhebung nach § 357 StPO auf den Mitangeklagten B. im Fall II 3 der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht. Dieser hat die tatsächliche Gewalt über die Waffen nicht gänzlich aufgegeben.
Über eine Versuchsmilderung war - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - in diesem Fall nicht zu entscheiden, weil die Versuchstat tateinheitlich mit einem vollendeten Delikt begangen und die Strafen der für Letzteres geltenden Vorschrift entnommen wurden.
Dass der Generalbundesanwalt die Erstreckung der Aufhebung im Strafausspruch (auch) bezüglich des Mitangeklagten B. beantragt hat, hindert die Entscheidung des Senats im Beschlusswege nicht. § 349 Abs. 5 StPO steht dem nicht entgegen, da diese Regelung lediglich eine Beschlussentscheidung zu Ungunsten des revidierenden Angeklagten gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft ausschließt (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 5 Entscheidung 1).
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CAAAC-53567
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