BFH Urteil v. - V R 28/04 BStBl 2010 II S. 999

Steuerbefreiung für eine ausbildungsbegleitende sozialpädagogische Leistungen; berufsbildende Einrichtung

Leitsatz

Erbringt eine berufsbildende Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 zusätzlich zu den unmittelbar der Ausbildung dienenden Leistungen ausbildungsbegleitende sozialpädagogische Leistungen, die nicht selbst die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 erfüllen, sind diese unter den Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerbefreit.

Gesetze: UStG 1991/1993 § 4 Nr. 21 Buchst. bRichtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und Abs. 2

Instanzenzug: (EFG 2002, 1265) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, führt Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und für den Arbeitsförderungsdienst der Bundeswehr durch. Sie veranstaltete in den Streitjahren 1990 bis 1994 —in der Regel einjährige— Kurse in den Fachbereichen Gastronomie, Floristik, Textil und EDV / Schreibtechnik. Teilnehmer waren überwiegend Langzeitarbeitslose, Spätaussiedler und Asylanten. Für Aussiedler und Asylanten veranstaltete sie außerdem Deutschkurse. Das Entgelt für die Durchführung der Bildungsmaßnahmen gewährte die BA nach dem in den Streitjahren geltenden ArbeitsförderungsgesetzAFG— (seit dem Drittes Buch SozialgesetzbuchSGB III—); die Höhe richtete sich nach der Teilnehmerzahl; Kosten für Lehr- und Lernmittel ersetzte die BA bis zu einem monatlichen Pauschbetrag in Höhe von 30 DM. Prüfungsgebühren und Kosten für Arbeitskleidung je Teilnehmer „auf Nachweis und Empfangsbestätigung”.

Außerdem gewährte die BA auf besonderen Antrag für die sozialpädagogische Betreuung der Teilnehmer eines Lehrgangs monatlich 4 950 DM. Im Rahmen dieser sozialpädagogischen Betreuung kümmerten sich die Mitarbeiter der Klägerin um Fahrgelegenheiten für die Lehrgangsteilnehmer zu den Unterrichtsstätten. Sie sorgten für die Betreuung der Kinder, indem sie Kindergarten- und Hortplätze besorgten. Für Teilnehmer, die Drogenprobleme hatten, vermittelten sie Kontakte zu Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Verschuldeten Teilnehmern versuchte sie, durch Gespräche mit Banken oder Schuldenberatungsstellen zu helfen. Mit anderen Teilnehmern an den Fortbildungsmaßnahmen übte die Klägerin Rechnen, Lesen und Schreiben.

Die Klägerin besitzt in Übereinstimmung mit dem Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom (Niedersächsisches Ministerialblatt —ND MinBl— 1994, 941) in Verbindung mit der Bestätigung der BA eine Bescheinigung, wonach sie eine Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993 (UStG) ist, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Aufgrund dieser Bescheinigung betrachtete sie sämtliche Zahlungen der BA als Entgelte für steuerbefreite Umsätze.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA-) die Auffassung, zwar seien die Lehrgangsgebühren und ein Teil der Entgelte für Lehr- und Lernmaterial und Arbeitskleidung steuerfrei. Nicht steuerfrei seien aber die Entgelte für die sozialpädagogische Betreuung, für Lehr- und Lernmaterial sowie für Arbeitskleidung, soweit es sich dabei nicht um selbsterstellte Gegenstände handele. Diese Leistungen unterlägen der Regelbesteuerung.

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin die Steuerbefreiung für die sozialpädagogischen Leistungen geltend machte, hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte in dem in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 2002, 1265 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus, die Klägerin sei zwar eine Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG; denn nach dem Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums in ND MinBl 1994, 941 genüge hierfür die Bescheinigung der BA gemäß § 34 AFG, welche die Klägerin besitze. Diese Bescheinigung binde jedoch nur hinsichtlich der Qualifikation der Klägerin, nicht hinsichtlich der Beurteilung der Umsätze.

Die streitigen sozialpädagogischen Betreuungsleistungen der Klägerin erfüllten nicht die Voraussetzungen der Steuerbefreiung i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG; denn mit Ausnahme der Lese-, Schreib- und Rechenübungen seien dies keine unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG; hierunter fielen nur Leistungen, die ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- und Fortbildung dienen. Hilfen für die private Lebensführung, die der Berufsaus- oder Fortbildung nützen, zählten, auch wenn sie im Einzelfall wichtig für den Erfolg seien, nicht dazu.

Die sozialpädagogische Betreuung sei auch keine unselbständige Nebenleistung zur Schul- und Ausbildungsleistung, die umsatzsteuerlich wie die Hauptleistung behandelt werden müsste.

Aus dem Gemeinschaftsrecht ergebe sich nichts anderes, zumal die Befreiungsvorschriften eng auszulegen seien.

Lediglich die Schreib-, Rechen- und Leseübungen dienten unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck. Die Steuerfreiheit dieser Leistungen könne jedoch deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin deren Umfang nicht —wie erforderlich— habe konkretisieren können; Anhaltspunkte hierfür ergäben sich auch nicht aus den Akten.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Sie trägt im Wesentlichen vor, bei den streitigen Leistungen handele es sich um mit der Fortbildung und der Umschulung „eng verbundene” Leistungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Außerdem rügt sie als Verfahrensfehler Verletzung rechtlichen Gehörs durch das FG. Sie habe bis zur mündlichen Verhandlung keine Veranlassung gehabt, den Umfang der Entgelte aus den Leistungen in Form von Schreib-, Rechen- und Leseübungen herauszurechnen. Auch habe sie sich mit dem Aufteilungsvorschlag des FG in der mündlichen Verhandlung, für die das FG im Übrigen keine Kriterien mitgeteilt habe, nicht auseinandersetzen können.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1990 bis 1994 „ohne Berücksichtigung der Umsätze aus der sozialpädagogischen Betreuung” festzusetzen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Entgegen der Auffassung des FG kann sich die Klägerin unmittelbar auf die ihr günstigere Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung.

1. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG der von der Klägerin gerügte Verfahrensfehler unterlaufen ist. Die Klägerin hat ihre Revision auch auf Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. z.B. , BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316). Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, kann offenbleiben, ob die Klägerin auch infolge eines Verfahrensfehlers in ihren Rechten verletzt ist.

2. Die Klägerin kann sich für die gegenüber der BA sowie dem Arbeitsförderungsdienst der Bundeswehr erbrachten sozialpädagogischen Leistungen unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG berufen, weil eine entsprechende Steuerbefreiung im UStG fehlt.

a) Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG liegen —wie das FG zu Recht entschieden hat— nicht vor.

Nach § 4 Nr. 21 Buchst b UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

Berufsbildende Schulen oder Einrichtungen sind Einrichtungen, die Leistungen erbringen, die ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- oder der Berufsfortbildung dienen (, BFHE 204, 355, BStBl II 2004, 252; vom V R 84/98, BFHE 188, 462, BStBl II 1999, 578). Sie müssen spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind (vgl. BFH in BFHE 204, 355, BStBl II 2004, 252; Bundesverwaltungsgericht —BVerwG—, Urteil vom VII C 73.75, BStBl II 1977, 334). Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Das Tatbestandsmerkmal „unmittelbar” bezieht sich, wie der (BFHE 157, 458, BStBl II 1989, 815) zu § 4 Nr. 21 UStG 1980 ausgeführt hat, nicht auf den Inhalt der Leistungen, sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schulzweckes und Bildungszweckes der Einrichtung eingesetzt werden müssen, d.h. es dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken. Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck in diesem Sinn dienen, wie das FG zu Recht entschieden hat, nur die im Rahmen der sozialpädagogischen Betreuung gegenüber den Teilnehmern der Fortbildungsmaßnahmen ergänzende Rechen-, Lese- und Schreibübungsleistungen, die von der BA erstattet worden sind, nicht dagegen die übrigen Leistungen der sozialpädagogischen Betreuung.

b) Andere der in § 4 UStG geregelten Steuerbefreiungen für diese Leistungen kommen offensichtlich nicht in Betracht.

c) Entgegen der Auffassung des FG kann sich die Klägerin insoweit jedoch auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

aa) Das UStG hat diese Richtlinienbestimmung —wie auch andere in Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführte Steuerbefreiungen— bisher lediglich dadurch „umgesetzt”, dass es die bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG vorhandenen, teilweise bereits im UStG 1951 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat. Der Senat lässt im Streitfall offen, inwieweit eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG möglich wäre; denn die Klägerin kann sich für die Umsatzsteuerfreiheit der streitigen Leistungen auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG berufen (zur Berufbarkeit ausführlich , BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom V R 32/03, BFHE 210, 175, BStBl II 2005, 900).

bb) Durch die Befreiung der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Leistungen sowie der mit diesen eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen soll gewährleistet werden, dass der Zugang zu den bezeichneten Leistungen nicht durch höhere Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn diese Tätigkeiten oder die mit ihnen eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen der Mehrwertsteuer unterworfen wären (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-287/00, Kommission/Deutschland, Slg. I-2002, 5811 Rz 47, BFH/NV Beilage 2002, 135 Rz 47, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2002, 316 betreffend Hochschulunterricht; BFH-Urteil in BFHE 210, 175, BStBl II 2005, 900). Eng mit der Fortbildung und beruflichen Umschulung verbunden sind deshalb ausbildungsbegleitende, individuelle Hilfen —wie Maßnahmen zum Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten und zur sozialpädagogischen Begleitung—, die im Einzelfall zur Erreichung des mit der Ausbildung und Umschulung verfolgten Zieles erforderlich sind.

cc) Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind allerdings Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen von der in Abs. 1 Buchst. i vorgesehenen Steuerbefreiung ausgeschlossen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind.

Ob dies der Fall ist, kann der Senat mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht beurteilen. Allerdings spricht für die Annahme, dass die streitigen sozialpädagogischen Leistungen für den jeweiligen Ausbildungserfolg in diesem Sinn unerlässlich waren, im Streitfall, dass es sich um Fortbildungs- und Ausbildungsleistungen i.S. des § 34 Abs. 1 AFG handelt. Nach dieser Vorschrift fördert die BA die Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen u.a. nur nach vorheriger Prüfung der Maßnahme sowie unter der Voraussetzung, dass die Maßnahme eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lässt und nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant und durchgeführt wird, wobei bei der individuellen Förderung auch die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller zu berücksichtigen sind (vgl. § 39 Nr. 1 AFG). Sind vom BA unter diesen Voraussetzungen nicht nur die Kosten der unmittelbar der Aus- und Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahme dienenden Leistungen der Klägerin erstattet worden, sondern unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmer auch Leistungen wie Stützunterricht zum Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten sowie die sozialpädagogische Begleitung zur Sicherung des Aus-, Fortbildungs- oder Umschulungszweckes, spricht dies dafür, dass diese Leistungen für die steuerbefreiten Tätigkeiten unerlässlich sind. Bestätigt wird dies durch § 241 des seit dem geltenden SGB III —Arbeitsförderung—, wonach ausdrücklich u.a. auch Maßnahmen „zum Abbau von Sprach – und Bildungsdefiziten”, zur „Förderung der Fachpraxis und Fachtheorie” und zur „sozialpädagogischen Begleitung” zu den förderungsfähigen Maßnahmen der betrieblichen Ausbildung gehören. Die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen wird das FG allerdings noch nachzuholen haben.

Anhaltspunkte dafür, dass die streitigen Leistungen im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden (Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG) sind anhand der Feststellungen des FG nicht erkennbar.

dd) Die Klägerin erfüllt auch die persönlichen Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG.

Befreit sind nur Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

(1) Der Begriff „Einrichtung” ist grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen (, Kingscrest Associates Ltd und Montecello Ltd, BFH/NV Beilage 2005, 310 Rz 35; vgl. auch , Gregg, Slg. 1999, I-4947 Rz 17). Hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Inanspruchnahme der betreffenden Befreiungen nicht ausdrücklich vom Fehlen eines Gewinnstrebens abhängig gemacht —wie z.B. in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG--, kann das Streben nach Gewinnerzielung die Inanspruchnahme dieser Befreiungen nicht ausschließen (EuGH-Urteil in BFH/NV Beilage 2005, 310 Rz 40 und 43).

(2) Nach den Feststellungen des FG besitzt die Klägerin eine Bescheinigung, wonach sie eine Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ist, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Das genügt. Im Übrigen hat der erkennende Senat zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG bereits entschieden, dass die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden kann. Maßgebend ist insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren (BFH-Urteile in 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, m.w.N.). Vergleichbares gilt auch für die Frage, ob eine Einrichtung mit vergleichbarer Zielrichtung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG anerkannt ist.

Werden die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Leistungen von dem betreffenden Sozialversicherungsträger erstattet, kann daraus auch die Anerkennung des Mitgliedstaates abgeleitet werden.

(3) Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Unterrichtsleistungen nicht in eigener Verantwortung erbracht hat (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin des in den Vorabentscheidungsersuchen der Rs. C-434/05, Stichting Regional Opleidingen Noord-Kennemerland/West-Friesland, Horizon College, und Rs. C-445/05, Werner Haderer), sind nicht erkennbar.

Wäre dies nicht der Fall, käme auch eine Befreiung der streitigen Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht. Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar

  • zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und

  • zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden (EuGH-Urteil in BFH/NV Beilage 2005, 310 Rz 34; Senatsurteil in BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; in BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849).

ee) Die in Art. 13 Teil A Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Möglichkeit, die Gewährung der in Abs. 1 dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiungen von der Erfüllung einer oder mehrerer Bedingungen abhängig zu machen, steht der Steuerbefreiung nicht entgegen. Diese Beschränkung der Befreiungsregel hat —wie der EuGH mehrfach entschieden hat (Urteile vom Rs. C-141/00, Kügler, Slg 2002, I-6833, UR 2002, 513 Rz 60, und in BFH/NV Beilage 2005, 310 Rz 42)— nur Eventualcharakter. Ein Mitgliedstaat, der es unterlassen hat, die insoweit erforderlichen Maßnahmen zu treffen, kann sich nicht auf sein eigenes Unterlassen berufen, um einem Steuerpflichtigen eine Steuerbefreiung zu verwehren, die dieser nach der Richtlinie 77/388/EWG in Anspruch nehmen kann.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen zu den Leistungen für den Arbeitsförderungsdienst der Bundeswehr und außerdem keine Feststellungen zu den von der Klägerin für die Streitjahre erklärten Vorsteuerbeträgen getroffen. Der Rechtsstreit muss deshalb nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen werden.

Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 999
BB 2007 S. 1608 Nr. 30
BFH/NV 2007 S. 1604 Nr. 8
BStBl II 2010 S. 999 Nr. 18
DB 2007 S. 2754 Nr. 50
DStRE 2007 S. 1119 Nr. 17
GStB 2007 S. 31 Nr. 8
HFR 2007 S. 1016 Nr. 10
KÖSDI 2007 S. 15655 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 29/2007 S. 2456
SJ 2007 S. 9 Nr. 21
StB 2007 S. 285 Nr. 8
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2007 S. 557
UR 2007 S. 687 Nr. 18
UStB 2007 S. 216 Nr. 8
UVR 2007 S. 289 Nr. 10
YAAAC-49683