BGH Urteil v. - XII ZR 178/04

Leitsatz

[1] a) Die Regelung in einem Mietvertrag, dass das Mietverhältnis mit der künftigen Übergabe der Mietsache beginnt, steht der Wahrung der Schriftform des § 566 BGB a.F. nicht entgegen (Festhaltung an Senatsurteil vom - XII ZR 212/03 - NJW 2006, 139 f.).

b) Zur Heilung eines auf unzureichender Kennzeichnung der Lage des Mietobjekts in einem Gebäude beruhenden Mangels der Schriftform durch eine Nachtragsvereinbarung, die eine hinreichende Kennzeichnung des Mietobjekts (hier: "Mieteinheit Nr. 15") enthält.

Gesetze: BGB § 126; BGB § 566 a.F.

Instanzenzug: LG Leipzig 11 O 3461/03 vom OLG Dresden 5 U 426/04 vom

Tatbestand

Mit ihrer Widerklage, die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, begehrt die Beklagte die Feststellung, dass das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom zum beendet worden sei.

Insoweit streiten die Parteien darüber, ob der von ihren jeweiligen Rechtsvorgängern abgeschlossene Mietvertrag vom 1./ über noch zu errichtende Gewerberäume, der in § 2 Abs. 1 eine feste Laufzeit von 15 Jahren vorsah, der Schriftform genügt.

Die zum Betrieb einer Apotheke vorgesehenen Mieträume im Einkaufszentrum "P. E. " in L. , P. -/V. straße sind in § 1 dieses Vertrages wie folgt bezeichnet:

"Die Lage und Nutzung des Mietobjektes und der vorgenannten Grundstücke ergeben sich aus dem beiliegenden Lageplan, der Vertragsbestandteil ist (Anlage 2). ...

An den Mieter werden 119 qm Nettogrundrissfläche (gem. DIN 277) im Erdgeschoss, Bereich P. Straße, vermietet.

Die an den Mieter vermieteten Flächen sind in dem beiliegenden Grundriss gekennzeichnet, der ebenfalls Vertragsbestandteil ist (Anlage 3)."

Die Mietzeit ist in § 2 Abs. 1 des Vertrages wie folgt bestimmt:

"Das Mietverhältnis beginnt mit dem 1. des Monats, der auf die Übergabe des bezugsfertigen Mietobjektes folgt, voraussichtlich am .

Das Mietverhältnis wird für 15 Jahre Festmietzins (lies: Festmietzeit) abgeschlossen..."

Ferner bestimmt § 2 Abs. 1 des Mietvertrages, dass die Übergabe des Mietobjekts in einem Übergabeprotokoll festzuhalten ist.

Mit schriftlicher Vereinbarung vom 29. Juli/12. August/, die als "Änderung zum Mietvertrag vom 01.09./" zwischen den namentlich benannten ursprünglichen Vertragsparteien bezeichnet ist, vereinbarten diese und eine W. L. KG Gesellschaft für Industrie- und Gewerbebau in M. , dass letztere anstelle der bisherigen Vermieterin in sämtliche Rechte und Pflichten des Mietvertrages eintritt. Die L. KG wurde am als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Sie veräußerte das Grundstück an G. H. , der am als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.

In einer weiteren schriftlichen, von beiden Parteien unterzeichneten Vereinbarung vom trafen G. H. als Vermieter und die Beklagte als Mieterin "zur Durchführung des Mietvertrages vom 01./ i.d.F. vom 29.07./12.08./ betreffend die Mieteinheit Nr. 15 im Gewerbeobjekt P. straße /V. straße in L. ("P. E. ")" ergänzende Vereinbarungen zur Untervermietung und zur Beilegung eines anhängigen Rechtsstreits.

G. H. verstarb 2002 und wurde von den Klägern als alleinigen Erben beerbt.

Mit Anwaltsschriftsatz vom (Bl. 74 R des vom Berufungsgericht beigezogenen früheren Verfahrens 11 O 5557/02 LG Leipzig) und erneut mit Anwaltsschriftsatz vom im vorliegenden Verfahren erklärte die Beklagte unter Berufung auf einen Mangel der Schriftform jeweils "nochmals" die Kündigung des Mietverhältnisses zum nächstmöglichen Termin. Aus den Akten dieses früheren Verfahrens ist ferner ersichtlich, dass sie schon zuvor mit Anwaltsschriftsatz vom die Kündigung zum erklärt hatte (Bl. 6, 35 der Beiakte 11 O 5557/02 LG Leipzig).

Die Beklagte, die das Mietobjekt unter anderem von Juni 2002 bis März 2003 im Wege der Untervermietung genutzt und im Mai 2003 geräumt hat, vertritt die Auffassung, dass das Mietverhältnis durch ihre Kündigung vom zum beendet worden sei, und begehrt die entsprechende Feststellung im Wege der Widerklage, die sie gegenüber der von den Klägern erhobenen Klage auf Mietzins und Nebenkosten für die Zeit von August 2002 bis März 2003 erhoben hat.

Das Landgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Die Berufung der Beklagten hatte - abgesehen von einer geringfügigen Herabsetzung des ausgeurteilten Zahlungsbetrages infolge übereinstimmender Teilerledigungserklärung - lediglich insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht auf die Widerklage abändernd feststellte, das Mietverhältnis sei zum beendet worden.

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht nur hinsichtlich der Widerklage zugelassene Revision der Kläger, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehren, soweit damit die Widerklage abgewiesen wurde.

Gründe

Die Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung zur Widerklage.

I.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZMR 2005, 41 f. (m. abl. Anm. Durst/Weber ZMR 2005, 760 ff.) veröffentlicht ist, davon aus, dass an die Stelle des ursprünglichen Vermieters zunächst durch dreiseitigen Vertrag die L. KG und sodann gemäß § 571 Abs. 1 BGB a.F. der Grundstückserwerber G. H. trat, dessen Rechtsnachfolger die Kläger sind. Auch die Revision erinnert dagegen nichts.

2. Zumindest im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob bereits die Kündigung der Beklagten vom das Mietverhältnis beendet hatte, nämlich zum und damit zu einem früheren Zeitpunkt als demjenigen, den die Beklagte als Zeitpunkt der Beendigung festzustellen begehrt.

Es ist bereits fraglich, ob das Berufungsgericht gehalten war, wegen der Bezugnahme der Parteien auf die im Verfahren 11 O 5557/02 LG Leipzig erklärte Kündigung vom nach Beiziehung dieser Akte auch den Wortlaut dieser Kündigungserklärung zu beachten und wegen ihrer Formulierung "... kündige ich nochmals das Mietverhältnis zum nächstmöglichen Termin" zu prüfen, ob sich aus dieser Akte eine frühere Kündigungserklärung ergab. Die frühere Kündigung vom konnte nämlich für die Widerklage ohnehin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt entscheidungserheblich sein. Denn wenn der Mietvertrag die Schriftform wahrte, war sie wegen der vereinbarten Festmietzeit ebenso unwirksam wie die späteren Kündigungen. Andernfalls wäre sie zwar als ordentliche Kündigung zulässig gewesen, hätte das dann als auf unbestimmte Zeit geschlossen geltende Mietverhältnis aber ebenfalls nicht beendet, weil die Beklagte den Gebrauch der Mietsache nach dem (durch ihren Untermieter) fortsetzte und nicht ersichtlich ist, dass eine der Parteien innerhalb der Frist des § 545 BGB ihren entgegenstehenden Willen erklärt hätte. Das nach dieser Vorschrift (wiederum auf unbestimmte Zeit) verlängerte Mietverhältnis hätte somit im Zeitpunkt der erneuten Kündigung vom noch bestanden und wäre erst durch diese Kündigung zum beendet worden.

3. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kündigung der Beklagten vom habe das Mietverhältnis zum beendet, weil der Vertrag wegen eines Mangels der Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB (§ 566 Satz 2 BGB a.F.) als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelte und deshalb mit der Frist des § 580 a Abs. 2 BGB ordentlich habe gekündigt werden können.

a) Den Mangel der gesetzlichen Schriftform des § 126 BGB sieht das Berufungsgericht darin, dass dem Vertrag zwar die fest vereinbarte Laufzeit von 15 Jahren zu entnehmen sei, nicht aber deren Beginn und folglich auch nicht deren Ende. Der mit der Schriftform in erster Linie bezweckte Schutz eines späteren Grundstückserwerbers erfordere es aber auch, dass dieser aus der Mietvertragsurkunde, einer darin in Bezug genommenen weiteren Urkunde oder einem formgültigen Nachtrag auch den Ablauf des Mietverhältnisses ersehen könne. Auf außerhalb der Urkunde liegende tatsächliche Umstände könne insoweit nicht zurückgegriffen werden, da es nicht um die Auslegung des Vertrages gehe. Dies gelte selbst dann, wenn der Zeitpunkt der Übergabe des Mietobjekts - anders als im vorliegenden Fall - unstreitig sei.

b) Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Er hat - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - eine ähnliche Laufzeitklausel ("Das Mietverhältnis beginnt mit der Übergabe der Mieträume. Es endet nach Ablauf von 15 Jahren am darauf folgenden 30. Juni.") als schriftformwahrend angesehen und dabei insbesondere auch das praktische Bedürfnis berücksichtigt, den Mietbeginn bei einer Vermietung vom Reißbrett von einem künftigen Ereignis wie der Fertigstellung oder der Übergabe der Mietsache abhängig zu machen, mithin einem Ereignis, dessen Eintritt die Mietvertragsparteien als gewiss ansehen, ohne den genauen Zeitpunkt des Eintritts vorhersagen zu können (Senatsurteil vom ­ XII ZR 212/03 ­ NJW 2006, 139 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom - XII ZR 40/05 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Bedenken der Revisionserwiderung fest.

c) Die Parteien haben nämlich das, was sie zur zeitlichen Befristung vereinbart haben, vollständig und richtig in der Vertragsurkunde niedergelegt. Zusätzlich haben sie sinnvollerweise vereinbart, die für den Mietbeginn maßgebliche spätere Übergabe in einem Übergabeprotokoll zu dokumentieren. Dass dies in der Folgezeit unterblieb, ist unschädlich, weil das Übergabeprotokoll entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine Anlage zum Mietvertrag darstellen sollte, in die weitere im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bereits getroffene Vereinbarungen "ausgelagert" werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 142, 158, 161).

Ob eine Urkunde die Schriftform wahrt oder nicht, ist grundsätzlich aus der Sicht des Zeitpunktes ihrer Unterzeichnung zu beurteilen. Spätere tatsächliche Geschehnisse können die Wahrung der Form nicht mehr in Frage stellen; dies gilt sogar für die Vernichtung der Urkunde. Allenfalls nachträgliche, nicht formwahrend getroffene Änderungsvereinbarungen können dazu führen, dass die Schriftform von nun an nicht mehr gewahrt ist. Die nach dem Willen der Parteien zu protokollierende spätere Übergabe des Mietobjekts stellt aber keine den Ursprungsvertrag abändernde Vereinbarung dar, etwa dergestalt, dass die Mietzeit nunmehr abweichend von der ursprünglichen Bestimmung kalendarisch festgelegt werden sollte. Mit der Übergabe verwirklichte sich vielmehr nur dasjenige tatsächliche Ereignis, das nach dem Ursprungsvertrag den Mietbeginn zum ersten Tag des Folgemonats auslösen sollte.

d) Auch der Schutzgedanke des § 550 BGB erfordert keine abweichende Beurteilung. Der Senat hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Fallgestaltungen gibt, in denen § 550 BGB bzw. § 566 BGB a.F. den Zweck, einem späteren Grundstückserwerber Klarheit über die Bedingungen eines langfristigen Mietvertrages zu verschaffen, in den er kraft Gesetzes eintritt, nicht umfassend gewährleisten kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 171 f.; 136, 357, 370 f.). Dies gilt auch hinsichtlich der für einen Grundstückserwerber wichtigen Kenntnis, zu welchem Zeitpunkt ein langfristiges Mietverhältnis endet. Wenn die Mietvertragsurkunde etwa eine Verlängerungsoption zugunsten des Mieters vorsieht, kann der Grundstückserwerber der Urkunde nicht entnehmen, ob der Mieter diese Option vor dem Eigentumsübergang ausgeübt hat oder nicht, so dass Ungewissheit darüber bestehen kann, ob das Mietverhältnis bald enden oder gegebenenfalls noch jahrelang fortbestehen wird. Er ist aber durch die aus der Urkunde ersichtliche Einräumung einer solchen Option hinreichend gewarnt, so dass es ihm zuzumuten ist, sich gegebenenfalls bei dem Verkäufer oder bei dem Mieter zu erkundigen.

Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall. Aus der Mietvertragsurkunde ist für ihn ersichtlich, dass der Mietbeginn und damit auch das Mietende vom Zeitpunkt des Eintritts eines Ereignisses abhängig sind, der bei Abschluss des Vertrages noch ungewiss war. Er weiß daher, dass das Mietverhältnis nicht bereits 15 Jahre nach Abschluss des Vertrages enden wird, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, über den er sich erst noch auf andere Weise Gewissheit verschaffen muss und regelmäßig auch kann.

II.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung erweist sich die angefochtene Entscheidung zur Widerklage auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

Es kann dahinstehen, ob das Mietobjekt bereits durch den Wortlaut des § 1 des Ursprungsvertrages hinreichend konkretisiert ist, etwa weil an Ort und Stelle festzustellen wäre, dass es im "Erdgeschoss, P. Straße" nur eine einzige Mieteinheit gibt, deren Räume eine Nettogrundrissfläche nach DIN 277 von 119 m² aufweisen.

Zwar weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, die Beklagte habe unbestritten vorgetragen, die im Mietvertrag erwähnte Anlage 3 - Grundriss mit darin eingezeichneten Mietflächen - (vermutlich Blatt 28 der ebenenfalls beigezogenen Akte 11 O 1593/98 LG Leipzig) habe zu keinem Zeitpunkt existiert. Auch wenn deshalb der Ursprungsmietvertrag mangels hinreichender Konkretisierung des Mietobjekts nicht der Schriftform entsprochen haben sollte, wäre dieser Mangel nämlich inzwischen geheilt.

Insoweit kann wiederum dahinstehen, ob diese Heilung schon dadurch eingetreten ist, dass die genaue Lage der Mieträume jedenfalls im Zeitpunkt der Errichtung der jeweils formwahrend vereinbarten Nachträge anhand der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse im Gebäude hätte festgestellt werden können. Denn spätestens die von beiden damaligen Vertragsparteien unterzeichnete Nachtragsvereinbarung vom , die auf den Ursprungsvertrag nebst Nachtrag aus dem Jahre 1993 Bezug nimmt, enthält eine ausreichende Konkretisierung des Mietobjekts, indem es dieses als "Mieteinheit Nr. 15 im Gewerbeobjekt P. straße /V. straße in L. (P. E. )" kennzeichnet. Spätestens seitdem ist die Schriftform des Vertrages gewahrt, weil sich aus der Gesamtheit der durch Bezugnahme zu einer gedanklichen Einheit verbundenen Vertragsurkunden nunmehr hinreichend bestimmbar ergibt, welche Räume vermietet sind. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass sich bei einem Bauprojekt der vorliegenden Größenordnung (Einkaufszentrum nebst weiteren Gewerbeflächen), das von einer Bauplanungsfirma errichtet wurde, die durch laufende Nummern gekennzeichneten Mieteinheiten jeweils unschwer identifizieren lassen. Dafür spricht hier zusätzlich nicht nur, dass die Beklagten selbst sich in der vorgerichtlichen Korrespondenz dieser Kennzeichnung bedienen, sondern auch, dass sie in den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 1996 bis 2000 von zwei mit der Verwaltung des Gesamtobjekts nacheinander beauftragten Unternehmen jeweils zur Identifizierung des Mietobjekts verwendet wurde (Blatt 21, 23, 25 der Akte 11 O 9568/00 LG Leipzig und Blatt 22, 28 der Akte 11 O 5557/02 LG Leipzig).

III.

Nach alledem erweist sich die Kündigung vom zum als unwirksam, so dass das Landgericht die Feststellungswiderklage zu Recht abgewiesen hat. Das Urteil des Berufungsgerichts war deshalb auf die Revision der Kläger im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung der Widerklage zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 3273 Nr. 45
WM 2007 S. 1993 Nr. 42
BAAAC-46782

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja