Leitsatz
[1] Zur Pflicht eines Rechtsanwalts, die Eintragung des Fristendes für eine Berufungsbegründung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, wenn ihm die Handakte aufgrund einer notierten Vorfrist vorgelegt wird.
Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 233 (Fa)
Instanzenzug: LG Lüneburg 3 O 365/04 vom OLG Celle 7 U 87/06 vom
Gründe
I.
Der Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts zur Zahlung verurteilt worden. Dagegen hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen lassen. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum verlängert worden. Bis zum Ablauf der Frist ist eine Berufungsbegründung nicht beim Berufungsgericht eingegangen. Den Antrag des Beklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, die Berufung hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
2. Allerdings begegnet der angefochtene Beschluss Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts sowie der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschluss vom - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom - II ZB 3/03 - NJW 2005, 78; vom - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es hier alleine ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen und den dort in Bezug genommenen Aktenteilen ergeben.
3. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu Recht zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen muss.
a) Nach dem Vortrag des Beklagten unterlief der zuverlässigen Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten beim Notieren der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ein Zahlendreher, indem sie statt des 26. Juni den auf der Akte notierte. Dieser Fehler fiel dem Prozessbevollmächtigten nicht auf, als ihm die Akte am Tag der notierten Vorfrist, dem , vorgelegt wurde. Er überprüfte nicht die Richtigkeit der notierten Frist, sondern lediglich, ob aufgrund seines Arbeitsplans ausreichend Zeit für die Erledigung der Frist sei, wenn er sich mit der Sache am Tag vor dem Fristablauf befasse.
b) Danach hat der Prozessbevollmächtigte die Versäumung der Frist deswegen verschuldet, weil er die gebotene Fristkontrolle unterlassen hat, als ihm die Akten zu der notierten Vorfrist am vorgelegt wurden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VI ZB 16/98 - BRAK-Mitt. 1998, 269 und vom - VI ZB 3/99 - VersR 1999, 866; BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 12/94 - NJW 1994, 2831 und vom - VIII ZB 19/01 - VersR 2002, 1391 f., jeweils m.w.N.). Diese Prüfung muss zwar nicht sofort erfolgen, weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VI ZB 3/99 - aaO und vom - VI ZB 22/99 - VersR 2000, 202, 204; - aaO). Soll die Prüfung Sinn machen, darf sie jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Rechtsanwalt - gegebenenfalls erst am letzten Tag der Frist (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 10/97 - VersR 1997, 1252, 1253) - die eigentliche Bearbeitung der Sache vornimmt. Vielmehr entsteht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VI ZB 16/98 - aaO und vom - VI ZB 5/06 - EBE/BGH 2007, 83; BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 38/91 - NJW 1992, 841; vom - VIII ZB 12/94 - aaO; vom - I ZB 50/96 - NJW 1997, 1708; vom - VIII ZB 19/01 - aaO). Dementsprechend muss sich der Rechtsanwalt, der die eigentliche Sachbearbeitung zurückstellen will, bei der Vorlage auf Vorfrist auch davon überzeugen, ob ihm am Tag des Fristablaufs noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (Senatsbeschlüsse vom - VI ZB 10/97 - und vom - VI ZB 16/98 - aaO). Auch hat der Senat bereits früher ausgeführt, der Rechtsanwalt habe jedenfalls dann Anlass zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten sei, wenn ihm die Sache anlässlich des bevorstehenden Fristablaufs vorgelegt werde; dass diese Verpflichtung auch und gerade dann entstehe, wenn dem Rechtsanwalt die Akten auf Vorfrist zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden, sei im Hinblick auf die Warnfunktion der Vorfrist selbstverständlich und bedürfe deshalb keiner näheren Darlegungen (Senatsbeschluss vom - VI ZB 16/98 - aaO).
Die Rechtsbeschwerde beruft sich für ihre Auffassung demnach zu Unrecht auf den Senatsbeschluss vom (VI ZB 22/99 - aaO). Auch dort ist betont, dass die Vorfrist dem Zweck dient, die Einhaltung der Hauptfrist zu sichern. Dass die Akte nicht bereits am Tag der Vorlage auf die Vorfrist zur Hand genommen werden muss und dass die gesetzliche Frist, deren Einhaltung durch die Notierung der Vorfrist gesichert werden soll, voll ausgeschöpft werden darf, besagt nicht, dass die Akte ohne jegliche Prüfung der notierten Fristen bis zum letzten Tag der notierten Frist wieder weggelegt werden darf.
Auch auf den - BGH-Report 2006, 255 f.) beruft sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Dort ist zwar (insoweit in BGH-Report 2006, 255 f. nicht abgedruckt) ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse eine Sache, die auf Grund einer Vorfristenanordnung vorgelegt werde, nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden. Dabei ist indes Bezug genommen auf den Senatsbeschluss vom (VI ZB 3/99 - aaO), in dem ausgeführt ist, es könne nicht beanstandet werden, wenn der Rechtsanwalt die Bearbeitung der ihm als Vorfristsache vorgelegten Akten erst am Tage nach Vorlage in Angriff nehme und dabei die Fristen überprüfe. In dem der Entscheidung vom zu Grunde liegenden Fall endete die Frist bereits am Tag nach Ablauf der Vorfrist, so dass dem Rechtsanwalt ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden konnte.
Im vorliegenden Fall geht es im Übrigen weniger darum, innerhalb welchen Zeitraums nach Vorlage auf die Vorfrist die Akte zur Hand genommen werden muss. Vielmehr ist entscheidend, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich mit der Akte noch am Tag der Vorlage befasst und die Bearbeitung der Berufungsbegründung auf den letzten Tag der notierten Frist verschoben hat, ohne die notierte Frist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 2332 Nr. 32
MAAAC-46774
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja