BGH Beschluss v. - 4 StR 558/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 206 a Abs. 1; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 263; StGB § 265 b

Instanzenzug: LG Bielefeld vom 26.06.2006

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Fall I 4 der Urteilsgründe

Das Verfahren ist hinsichtlich des Falles I 4 der Urteilsgründe wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 206 a Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs für schuldig befunden, weil er die Volksbank - im Wissen, eine entsprechende Deckung des belasteten Kontos nicht herbeiführen zu können - durch wahrheitswidrige Angaben am 13. November 2001 zur Einlösung eines Schecks über 285.000 DM veranlasst habe. Diese Tat ist weder Gegenstand der Anklage vom 21. April 2004 noch ist eine diese Tat einbeziehende Nachtragsanklage erhoben worden. Es besteht auch keine prozessuale Tatidentität (vgl. BGHSt 32, 215, 216) mit den übrigen der Anklageschrift zugrunde liegenden Lebensvorgängen, die die Geschäftsbeziehungen des Angeklagten bzw. der K. GmbH & Co. KG (künftig: K. GmbH) mit der Volksbank betreffen. Die der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich vielmehr nach Zeit und Tatumständen eindeutig von dem abgeurteilten Geschehen.

2. Fälle I 1 und 3 der Urteilsgründe

In den Fällen 1 und 3 hält die Verurteilung wegen Betrugs sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. In beiden Fällen sind die Feststellungen zum Eintritt eines Vermögensschadens ungenau und unvollständig und entziehen sich deshalb einer revisionsgerichtlichen Kontrolle.

a) Fall I 1 der Urteilsgründe

Nach den Feststellungen bewilligte die Firma D. - eine Hauptlieferantin der im Mineralölhandel tätigen K. GmbH, deren Geschäftsführer der Angeklagte war - im April 2000 auf Antrag des Angeklagten die Prolongation eines Lieferantenkredits für ein weiteres Jahr und stockte diesen (Kontokorrent-)Kredit gleichzeitig auf eine Million DM auf. Dabei vertraute die Kreditgeberin auf die vom Angeklagten behauptete Bonität der GmbH und die Werthaltigkeit einer von ihm übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft in Höhe des Kreditbetrags (UA 24). Tatsächlich hatte der Angeklagte den von der Kreditgeberin geforderten Bonitätsnachweisen bewusst falsche Zahlen zugrunde gelegt und so das Liquiditätsrisiko verschleiert. Im Rahmen der aufgestockten Kreditlinie lieferte die Firma D. in der Folgezeit Mineralöl an die K. GmbH. Im November 2001 stellte diese Zahlungen an die Firma D. ein. Im Dezember 2001 beantragte der Angeklagte die Eröffnung der Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH und über sein Privatvermögen.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte durch die falsche Darstellung des Liquiditätsrisikos eines Eingehungsbetruges schuldig gemacht habe, da der Firma D. bereits durch die - täuschungsbedingte - Kreditzusage ein Vermögensschaden in Form einer Vermögensgefährdung entstanden sei (UA 28).

Die bisher zur Vermögenslage der K. GmbH und des Angeklagten getroffenen Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass der Rückzahlungsanspruch der Kreditgeberin bereits im Zeitpunkt der Darlehensbewilligung Anfang April 2000 wirtschaftlich nicht sicher, das Vermögen der Firma D. also zu diesem für den Betrugsvorwurf maßgeblichen Zeitpunkt bei lebensnaher Betrachtung konkret und damit schadensgleich gefährdet war (vgl. BGHSt 34, 394, 395, BGH wistra 1995, 222, 223).

Zweifel an der von der Wirtschaftsstrafkammer als Betrugsschaden gewerteten Vermögensgefährdung ergeben sich, weil nach den Feststellungen der Kredit bis November 2001 von der K. GmbH bedient wurde. Zahlungsschwierigkeiten traten erstmals zu diesem Zeitpunkt auf und die GmbH stellte fortan "weitere" - mithin bis dahin erfolgte - Zahlungen an die Firma D. ein (UA 13).

Angesichts dieses Umstandes hätten die Vermögensverhältnisse der K. GmbH und des Angeklagten als selbstschuldnerisch haftenden Bürgen präziser als bisher geschehen anhand nachvollziehbarer Vermögensübersichten dargelegt werden müssen.

Den Urteilsgründen sind insbesondere nahezu keine überprüfbaren Feststellungen zum Status des Privatvermögens des Angeklagten in dem für die Schadensberechnung maßgeblichen Zeitpunkt der Kreditgewährung im April 2000 zu entnehmen. Das insoweit in Bezug genommene Immobilienvermögen (Stand zum 31. Juli 1999, UA 11) ist ersichtlich nicht dem Angeklagten, sondern dem Privatvermögen der Gesellschafter der K. GmbH zuzuordnen. Soweit das Urteil in anderem Zusammenhang Ausführungen zum Grundvermögen des Angeklagten macht (UA 16), betrifft dies Zeitpunkte, die deutlich nach der Kreditvereinbarung vom April 2000 liegen. Diese sind deshalb für die Schadensberechnung ohne weitere Darlegungen nicht aussagekräftig. Gleiches gilt für den pauschalen Hinweis, am 31. Dezember 2001 hätten Forderungen gegen den Angeklagten aus übernommenen Bürgschaften in Höhe von insgesamt 28 Millionen DM bestanden. Soweit das Urteil in diesem Zusammenhang auf vorhandenes Barvermögen des Angeklagten verweist, wird nicht einmal dessen Höhe mitgeteilt (UA 29).

In der neuen Hauptverhandlung werden deshalb weitergehende Feststellungen zu treffen sein, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe bei Darlehensgewährung eine Vermögensgefährdung bestand. Sollte ein Vergehen des Betrugs nach § 263 StGB mangels Vermögensschadens oder Gefährdungsvorsatzes zu verneinen sein, so wird das Landgericht zu prüfen haben, ob ein Kreditbetrug nach § 265 b StGB in Betracht kommt.

b) Fall I 3 der Urteilsgründe

Diesem Fall liegt der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe ungedeckte Schecks über eine Gesamtsumme von ca. 950.000 DM zum Inkasso bei der Volksbank eingereicht, um so eine Rückführung des Kontokorrentkredits der K. GmbH in das vereinbarte Kreditlimit vorzutäuschen und die Bank zu veranlassen, weitere Scheckbelastungen oder Überweisungen zu Lasten des Kontokorrentkontos zu akzeptieren.

Die Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte eines - vollendeten - Betrugs schuldig gemacht hat. Die Annahme des Landgerichts, durch die Rückbelastung der zum Inkasso vorgelegten und (vorläufig) gutgeschriebenen Schecks sei der Volksbank ein Vermögensschaden entstanden (UA 18), ist rechtsfehlerhaft. Ein Vermögensschaden wäre bei der Inkassobank nur dann eingetreten, wenn der Angeklagte während des Zeitraums der vorläufigen Gutschrift der Scheckbeträge hierauf Zugriff genommen hätte oder - im Sinne einer schadensgleichen Vermögensgefährdung - jedenfalls hätte Zugriff nehmen können. Dies ergeben die Feststellungen nicht. Zwar werden Scheckbeträge von den Kreditinstituten aus bankwirtschaftlichen Gründen bereits bei Hereinnahme "unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung" gutgeschrieben (Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken und AGB-Sparkassen). Die Gutschrift ist bis zur Einlösung des Schecks durch die bezogene Bank allerdings nur eine vorläufige. Einen Anspruch auf Auszahlung der Schecksumme hat der Scheckeinreicher zu diesem Zeitpunkt nicht (vgl. Nobbe in WM (SB 5) 2000 S. 1, 13 ff. m.N.). Es versteht sich deshalb nicht von selbst, dass der Scheckeinreicher bereits vor der endgültigen Gutschrift über den Scheckbetrag auch verfügen kann. Mit der Frage, ob eine solche Verfügungsmöglichkeit durch den Angeklagten bestand bzw. ob er gegebenenfalls hiervon zu Lasten der Volksbank Gebrauch gemacht hat, hat sich das Landgericht indes nicht auseinandergesetzt (UA 18).

3. Fall I 2 der Urteilsgründe

Im Fall I 2 weist der Schuldspruch wegen Betrugs keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Jedoch hält der Strafausspruch sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Urteil enthält keine Feststellungen über die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten. Dies stellt hier einen sachlichrechtlichen Mangel dar (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 8). Für die Strafzumessung und deren rechtliche Überprüfung ist jedenfalls im Hinblick auf die verhängte, nicht unerhebliche Einzelfreiheitsstrafe die Kenntnis von Werdegang und Lebensverhältnissen des Angeklagten unentbehrlich.

Zwar hat das Landgericht im Wege eines Berichtigungsbeschlusses die Urteilsgründe ergänzt und Ausführungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten gemacht. Eine Urteilsberichtigung ist allerdings nur dann zulässig, wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt, das sich zwanglos aus klar zutage tretenden Tatsachen ergibt, wenn die Urteilsgründe also offensichtliche Schreibfehler oder ähnliche äußere, für alle Beteiligten offenkundige und aus sich heraus erkennbare Unstimmigkeiten enthalten. Eine Berichtigung ist hingegen unzulässig, wenn auch nur der Verdacht einer nachträglichen (sachlichen) Änderung und damit einer Verfälschung des Urteils entstehen kann (vgl. BGHR StPO § 267 Berichtigung 1).

So liegt es hier. Durch das "Nachschieben" der Feststellungen zur Person des Angeklagten sollte ein dem Urteil anhaftender Rechtsfehler beseitigt werden. Dass dieser auf einer Nachlässigkeit der erkennenden Richter bei Durchsicht der Urteilsurkunde vor deren Unterzeichnung beruht, vermag an diesem Umstand nichts zu ändern.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 3219 Nr. 44
wistra 2007 S. 305 Nr. 8
WAAAC-46736

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