BGH Beschluss v. - 5 StR 99/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 4; StPO § 349 Abs. 2; StGB § 69a; StGB § 23; StGB § 49 Abs. 1; StGB § 224

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und für die Erteilung einer Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt.

Der Angeklagte hat die Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und die verhängte Maßregel von seinem Revisionsangriff ausgenommen. Damit sind die sechs festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen von je sechs Monaten und die Maßregel nach § 69a StGB rechtskräftig. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat sich ausschließlich aufgrund der Zeugenaussage des wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vorbestraften und anderweitig verurteilten B. davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Zeugen B. im April 2005 20 kg Haschisch für 23.000 Euro verkaufte. Das Landgericht hat hierzu Folgendes festgestellt:

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Türsteher von Diskotheken hatte B. den Angeklagten, "Präsident der Motorradgang Gremium in Spremberg", schon 1999 kennengelernt. Er wusste, dass der Angeklagte in der Betäubungsmittelszene eine führende Position innehatte. B. suchte im April 2005 für ein mit D. verabredetes Rauschgiftgeschäft über 20 kg Haschisch einen Lieferanten. Der Angeklagte zeigte sich bei einem zufälligen Treffen mit B. zur Lieferung des Rauschgifts für 23.000 Euro bereit. Dieser Preis war D. indes zu hoch. Daher wandte sich B. an den Neffen des D. , Do. aus Bautzen, und wurde mit diesem handelseinig, wobei Do. als Belohnung den Erlass einer Darlehensschuld von 3.000 Euro versprach. Do. übergab dem B. den Kaufpreis; dieser verabredete mit dem Angeklagten die Anlieferung des Rauschgifts für die nächsten Tage. An einem nicht näher bestimmten Tag im Zeitraum vom 23. April bis fuhr der Angeklagte mit einem Pkw auf den zur Wohnung des B. gehörenden Parkplatz. Auf das Hupen des Angeklagten begab sich B. zu ihm und nahm gegen Zahlung des Gesamtpreises eine Teillieferung von 7 kg Haschisch in Empfang, die später von Do. bei B. abgeholt wurde. Der Angeklagte überbrachte B. die restlichen 13 kg Haschisch am Abend des auf die gleiche Weise. B. wollte das Rauschgift noch am späten Abend mit seinem Pkw Audi A 5 an Do. ausliefern. Indes wurde er um Mitternacht festgenommen, wobei er Widerstand leistete.

2. Das Landgericht hat sich von der Glaubhaftigkeit der Aussage des B. aufgrund des von diesem im Kernbereich stets übereinstimmend geschilderten Geschehensablaufs und des Vorliegens weiterer Umstände überzeugt. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spreche insbesondere, dass er eine Teillieferung von 7 kg Haschisch ohne dahingehend belastende Indizien eingeräumt habe und es nicht nachvollziehbar sei, dass B. gerade den Angeklagten als eine in Szenekreisen führende und gefährliche Person zu Unrecht belastet haben könnte. Zudem sprächen Komplikationen im Handlungsverlauf für einen Erlebnisbezug der Aussage des B. .

Diese Erwägungen reichen indes nicht aus, um die in der hier gegebenen Situation der konkreten Belastung allein durch einen entdeckten Tatbeteiligten gebotene sorgfältige Gesamtwürdigung aller Indizien zu belegen (vgl. BGH NStZ 2004, 691).

a) Der Annahme des Landgerichts, der Zeuge B. habe im Kernbereich stets übereinstimmend den Geschehensablauf geschildert, steht entgegen, dass B. als geständiger Angeklagter in dem gegen ihn vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Bautzen geführten Verfahren den Tatablauf und seine zentrale Rolle im Tatgeschehen anders geschildert hat, was das Amtsgericht ersichtlich zur Grundlage der Verurteilung genommen hat. Danach hat der Angeklagte das Haschisch nicht dem Zeugen B. überbracht; dieser war vielmehr jeweils mit seinem Pkw zum Angeklagten gefahren und hat das Haschisch dort übernommen. Daneben hat sich B. als bloßer Kurierfahrer des Do. geriert, der ihm für den Fall einer erfolgreichen Abwicklung einen Schulderlass in Höhe von 3.000 Euro zugesagt hätte. B. sei klar gewesen, dass es sich um Betäubungsmittel gehandelt habe und er damit keinen Umgang hätte haben dürfen.

Aufgrund dieser Erörterungslücke bleiben die Erwägungen unvollständig, mit denen das Landgericht weitere Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. (differierender Zeitpunkt der ersten Haschischlieferung in vier polizeilichen Vernehmungen und in der Hauptverhandlung - ersichtlich nach einem dem Angeklagten für den zunächst genannten Liefertag geglückten Alibi, unzutreffende Angaben zum Typ des vom Angeklagten gefahrenen Pkw, ungenaue Angaben bezüglich der Festlegung des Preises für das Haschisch und widersprüchliche Darlegungen der Zeugen B. und Do. zum Vorteil des B. ) relativiert hat (vgl. ). Das Landgericht hätte sämtliche Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. in einer Gesamtschau daraufhin würdigen müssen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7; ).

b) Soweit das Landgericht der den Angeklagten belastenden Aussage des Zeugen B. eine größere Zuverlässigkeit wegen der Selbstbelastung hinsichtlich der ersten - zunächst unbekannt gewesenen - Teillieferung und der dargestellten Komplikationen im Handlungsablauf zugebilligt hat, lässt solches besorgen, dass einem bloßen schlüssig geschilderten Tatgeschehen eines Mittäters - was stets die Aktionen eines anderen Mittäters umfasst, aber nicht dessen wahre Identität umfassen muss - eine zu große Bedeutung für die Glaubhaftigkeit der Angaben zur Identifizierung des genannten Mittäters beigemessen worden sein kann (vgl. BGH StV 2006, 683; ). Allein aus dem Umstand der Selbstbelastung ist kein Indiz von überragender Bedeutung für die Belastung der Person des Angeklagten zu gewinnen.

c) Auch die Erwägung des Landgerichts, eine Falschbelastung des Angeklagten sei wegen dessen Rachekompetenz nicht nachvollziehbar, begegnet Bedenken. Einen bereits stadtbekannten Rauschgifthändler - wie den Angeklagten - wird jemand, der etwa, ohne den wahren Tatbeteiligten zu verraten, einen Vorteil durch weitere Aufklärung erreichen will, mit größerer Plausibilität belasten können als einen den Ermittlungsbehörden noch gänzlich unbekannten Täter (vgl. BGH StV 2006, 515). Zudem lässt das Landgericht in diesem Zusammenhang unerörtert, dass vorliegend - vom Landgericht ohne jede Erläuterung festgestellt - der Angeklagte von der Polizei bereits am verdächtigt wurde, der Zeuge B. sich indes erst am 30. Mai den Ermittlungsbehörden anvertraut hat.

d) Das dem Angeklagten angelastete Rauschgiftgeschäft bedarf demnach neuer tatrichterlicher Aufklärung und Bewertung.

3. Soweit die Revision den Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen angreift, offenbart sie keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat sich nach ausreichender Würdigung der Tatumstände vor dem Hintergrund des nach Überzeugung des Angeklagten von ihm ausgehenden Aids-Ansteckungsrisikos von 1:1.000 in allen 25 Fällen des von ihm praktizierten ungeschützten oralen und vaginalen Geschlechtsverkehrs rechtsfehlerfrei von einem bedingten Körperverletzungsvorsatz überzeugt (vgl. BGH NJW 1992, 2644, 2645 f., insoweit in BGHSt 38, 300 nicht abgedruckt). Indes können die dem gemäß §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 224 StGB entnommenen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten schon deshalb nicht aufrecht erhalten bleiben, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass sie von der Höhe der Einsatzstrafe beeinflusst worden sind.

Das neue Tatgericht wird insoweit bei der Strafrahmenfindung und Einzelstrafbemessung zu berücksichtigen haben, dass das vom Angeklagten objektiv ausgehende Ansteckungsrisiko (1:1 Mio.) durch die erfolgreiche Medikation des Angeklagten nachhaltig geringer als vom Angeklagten angenommen und darüber hinaus in 24 Fällen durch den vom Angeklagten praktizierten coitus interruptus noch weiter verringert war (vgl. BGHSt 36, 1, 8).

Fundstelle(n):
IAAAC-45841

1Nachschlagewerk: nein