BFH Beschluss v. - III B 10/07

Akteneinsicht durch Insolvenzverwalter

Gesetze: FGO § 78; ZPO § 240; AO § 30

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und der Beschwerdeführer, ein Steuerberater und Vereidigter Buchprüfer, sind Eheleute. Sie erhoben 2002 Klage u.a. wegen Einkommensteuer 1993 bis 1995. Streitig sind Einkünfte des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit Investitionen in Immobilien; deshalb wurde auch eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt und ein Strafverfahren eingeleitet.

Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdeführers gestellt hatte, beauftragte das Insolvenzgericht den Rechtsanwalt Dr. L. (Kläger) zunächst mit der Erstellung eines Gutachtens und bestellte ihn durch Beschluss vom zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beschwerdeführers.

Dem Antrag des Insolvenzverwalters auf Gewährung von Akteneinsicht stimmten die Klägerin, der Beschwerdeführer und das FA nicht zu. Das Finanzgericht (FG) gewährte die Akteneinsicht mit Beschluss vom . Es führte aus, das Recht auf Akteneinsicht ergebe sich aus der auf den Insolvenzverwalter übergegangenen Prozessführungsbefugnis. Das Steuergeheimnis des vom Insolvenzverfahren betroffenen Beschwerdeführers stehe ebenso wenig entgegen wie das der Klägerin.

Dagegen richtet sich die Beschwerde, deren angekündigte Begründung nicht eingegangen ist.

II. Die Beschwerde ist unbegründet; sie wird zurückgewiesen (§ 132 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Verfahrensrechtlich ist, weil mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter übergeht, der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des Gemeinschuldners Partei bzw. Beteiligter des anhängigen Klageverfahrens (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift 1997, 1445). Ihm steht deshalb bereits vor Aufnahme des Prozesses das Recht zur Akteneinsicht i.S. von § 78 FGO zu (Beschlüsse des , BFH/NV 2000, 1134; vom V B 131/01, BFH/NV 2004, 642). Die durch § 240 der Zivilprozessordnung angeordnete Unterbrechung des von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten betroffenen Prozesses dient u.a. dem Zweck, dem Insolvenzverwalter genügend Zeit zu geben, sich mit dem Prozessgegenstand zu befassen und zu entscheiden, ob es im Interesse der Masse sinnvoll ist, den schwebenden Rechtsstreit fortzuführen. Die hierzu notwendigen Erkenntnisse kann er durch Akteneinsicht gewinnen.

Die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (vgl. § 30 der Abgabenordnung) steht, wie das FG zutreffend entschieden hat, dem nicht entgegen. Soweit das Verwaltungs- und Verfügungsrecht reicht, kann der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des Beschwerdeführers (Gemeinschuldners) Auskunft über dessen steuerliche Verhältnisse auch dann verlangen, wenn dadurch zugleich die steuerlichen Verhältnisse des anderen Gesamtschuldners —im Streitfall der mit dem Beschwerdeführer zusammen veranlagten Klägerin— offenbart werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 30 AO Rz 22).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1182 Nr. 6
DAAAC-43757