BGH Beschluss v. - KVR 12/06

Leitsatz

[1] Wird eine im Verfahren der Zusammenschlusskontrolle ergangene Entscheidung des Bundeskartellamts angefochten, ist das Beschwerdegericht nicht gehalten, selbst oder unter Einschaltung des Amtes diejenigen Erhebungen durchzuführen, die im Verwaltungsverfahren schon wegen des engen zeitlichen Rahmens von vornherein nicht in Betracht gekommen wären.

Bei der Abgrenzung des relevanten Marktes sind auch Produkte einzubeziehen, die zwar mit anderen auf dem ins Auge gefassten Markt angebotenen Produkten nicht funktionell austauschbar sind, die aber die Grundlage dafür bieten, dass ihr Hersteller bei Vorliegen günstiger Wettbewerbsbedingungen jederzeit sein Sortiment umstellen und ein Konkurrenzprodukt anbieten könnte. Eine solche Angebotsumstellungsflexibilität kann jedoch nur angenommen werden, wenn die Umstellung kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand erfolgen kann.

Gesetze: GWB 2005 § 19 Abs. 2; GWB 2005 § 36 Abs. 1; GWB 2005 § 57 Abs. 1; GWB 2005 § 70 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Düsseldorf VI-Kart 25/04 (V) vom

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: G+J/RBA) ist ein paritätisches Gemeinschaftsunternehmen, dessen Geschäftsanteile zu jeweils 50% von der Beteiligten zu 1 (im Folgenden: G+J) und der Beteiligten zu 3 (im Folgenden: RBA Germany) gehalten werden. G+J/RBA ist seit 1999 Herausgeberin der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift "National Geographic". Die Rechte hatte sie durch einen im Frühjahr 1999 abgeschlossenen Lizenzvertrag erworben. G+J beabsichtigt, die von RBA Germany gehaltenen Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen zu erwerben und hat diesen Zusammenschluss dem Bundeskartellamt angezeigt.

Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben untersagt (WuW/E DE-V 955). Es hat die Zeitschrift "National Geographic" dem Lesermarkt für Publikumszeitschriften und innerhalb dieses Marktes dem Bereich der populären Wissensmagazine zugeordnet. Die entsprechenden Titel zeichneten sich durch einen Schwerpunkt bei anspruchsvoller, authentischer Berichterstattung über fremde Länder und Kulturen oder über Geographie, Natur und Umwelt aus. Auf diesem Markt verfüge G+J mit den Titeln "GEO", "P.M." und "National Geographic" über eine überragende Marktstellung, die sich in einem Marktanteil von etwa 75% ausdrücke und die durch den angemeldeten Zusammenschluss noch verstärkt werde. Den restlichen Marktanteil teilten sich drei Titel - "Spektrum der Wissenschaft", "Bild der Wissenschaft" und "Natur & Kosmos" - aus den Verlagshäusern Georg v. Holtzbrinck und Konradin.

Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts stellte sich der Markt der populären Wissensmagazine im Jahre 2003 wie folgt dar:

Titel|Verlag|Gründungsjahr|Erscheinungsweise |Auflage|Marktanteil in %

GEO|G+J|1976|monatlich|380.000|29,8

P.M.|G+J|1978|monatlich|335.000|26,2

National Geographic|G+J/RBA|1999|monatlich|247.000|19,3

Zwischensumme||||962.000|75,3

Spektrum der Wissenschaft|v. Holtzbrinck|1978|monatlich|100.500|7,9

Bild der Wissenschaft|Konradin|1964|monatlich|114.328|9,0

Natur & Kosmos|Konradin|1999|monatlich|100.105|7,8

Zwischensumme||||314.933|24,7

Summe||||1.276.933|100,0

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerden von G+J und RBA Germany zurückgewiesen (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1501). Hiergegen wendet sich G+J mit der - vom Senat zugelassenen - Rechtsbeschwerde. Mit ihr erstrebt sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts. Das Bundeskartellamt beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

Das Beschwerdegericht hat die Voraussetzungen für eine Untersagung nach § 36 Abs. 1 GWB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Bei der Marktabgrenzung sei mit dem Bundeskartellamt der sachlich relevante Markt der populären Wissensmagazine zugrunde zu legen, auf dem G+J über eine überragende Stellung verfüge. Von einem einheitlichen Markt für Zeitschriften der allgemeinen Unterhaltungs- und Informationssegmente könne nicht ausgegangen werden. Eine Publikumszeitschrift, die sich schwerpunktmäßig mit anspruchsvollen Themen aus dem Bereich der Wissenschaft befasse, befriedige ein spezielles Informationsinteresse der Leser, das durch Publikumszeitschriften mit anderen Themenschwerpunkten nicht gestillt werde. Auch Wochenmagazine, Wochenzeitungen sowie Tageszeitungen, möglicherweise mit Verlagsbeilage, seien, auch wenn sie Wissenschaftsrubriken mit populären Wissenschaftsthemen enthielten, mit einer monatlich erscheinenden Wissenszeitschrift nicht austauschbar.

Das Bedarfsmarktkonzept bedürfe nicht der Modifizierung, um die durch das Zusammenschlussvorhaben betroffenen Wettbewerbsverhältnisse zu erfassen. Insbesondere sei nicht erforderlich, ergänzend auf die Produktions- und Angebotsumstellungsflexibilität abzustellen. Denn im Streitfall sei nicht festzustellen, dass Zeitschriftenverlage kurzfristig und ohne nennenswerte Kosten und Risiken in der Lage seien, ein mit der deutschen Ausgabe von "National Geographic" vergleichbares Magazin herauszubringen.

Die Bedeutung des hohen Marktanteils von G+J auf dem relevanten Markt werde durch Schwankungen der Verkaufszahlen und der Marktanteile der Zeitschriften "GEO", "P.M." und "National Geographic" nicht entkräftet. Leichte Schwankungen oder geringfügige Verluste beim Marktanteil stünden einer Marktbeherrschung grundsätzlich nicht entgegen. Dies gelte umso mehr, je höher und dauerhafter der Marktanteil und je größer der Abstand zu den übrigen Wettbewerbern sei. Der Verhaltensspielraum von G+J werde durch Markteintritte neuer Wettbewerber sowie durch potentielle Wettbewerber in Gestalt jederzeit möglicher Markteintritte weiterer Anbieter nicht kontrolliert. Ob die erstmals im Jahre 2004 erschienenen Zeitschriften "Horizonte", "ZEIT Wissen" und "SZ Wissen" überhaupt dem relevanten Markt zuzurechnen seien, sei fraglich. Sie erschienen nicht monatsweise, sondern bislang nur in größeren, teils unregelmäßigen Intervallen. G+J verfüge im Übrigen über eine derart überlegene Marktstellung, dass sich auch durch die Marktzutritte die Wettbewerbsbedingungen nicht wesentlich veränderten. Sie gebe mit "GEO", "P.M." und "National Geographic" die drei auflagenstärksten Titel heraus. "GEO" und "P.M." seien bereits seit 1976/1978 auf dem Markt vertreten, so dass eine starke Leser-Blatt-Bindung bestehe. Auch "National Geographic" habe sich seit der Erstausgabe im Herbst 1999 im Markt mit einer nahezu konstanten Auflagenstärke etabliert. Demgegenüber sei ungewiss, ob und gegebenenfalls in welcher Auflagenstärke sich die genannten Neuerscheinungen am Markt durchsetzen könnten. Das bisherige Marktgeschehen zeige, dass im Hinblick auf die zu überwindenden Marktzutrittsschranken und das damit verbundene Risiko nur in einem Umfang mit dem Aufkommen neuer Wettbewerber zu rechnen sei, der die gefestigte Stellung von G+J nicht in nennenswerter Weise beeinträchtige.

Durch den angemeldeten Anteilserwerb würde die überragende Marktstellung von G+J abgesichert, gefestigt und damit weiter verstärkt. Während derzeit die geschäftsführende Komplementärin des Gemeinschaftsunternehmens durch den paritätisch besetzten Beirat beaufsichtigt werde und viele Maßnahmen der Geschäftsführung der einstimmigen oder mehrheitlichen Zustimmung bedürften, würde G+J/RBA nach dem angemeldeten Zusammenschluss allein von G+J kontrolliert und beherrscht. Auch dieser verhältnismäßig geringfügige Vorteil reiche aus, um die Marktstellung von G+J weiter zu festigen.

III.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Oberlandesgericht die Beschwerden gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts zurückgewiesen.

1. Das Vorliegen eines Zusammenschlusstatbestandes steht außer Streit. Zutreffend ist das Bundeskartellamt davon ausgegangen, dass der Tatbestand eines Kontrollerwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfüllt ist.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, durch den angemeldeten Zusammenschluss werde eine bereits bestehende marktbeherrschende Stellung von G+J verstärkt.

a) Das Beschwerdegericht hat den sachlich relevanten Markt auf den Lesermarkt für populäre Wissensmagazine begrenzt. Zu diesem Markt hat es außer den von G+J herausgegebenen Zeitschriften "GEO", "P.M." und "National Geographic" die Zeitschriften "Spektrum der Wissenschaft", "Bild der Wissenschaft" und "Natur & Kosmos" gerechnet, während es die übrigen Publikumszeitschriften (vgl. zum Begriff: , WuW/E 2360 - Freundschaftswerbung; BKartA WuW/E BKartA 1921, 1924) nicht in den relevanten Markt einbezogen hat.

aa) Das Beschwerdegericht ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, dass dem relevanten (Angebots-)Markt alle Produkte zuzurechnen sind, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (BGHZ 160, 321, 326 - Staubsaugerbeutelmarkt, m.w.N.). Danach sei es gerechtfertigt, den Lesermarkt für populäre Wissensmagazine als sachlich relevanten Markt anzusehen. Dieser Markt umfasse Zeitschriften, die sich durch eine anspruchsvolle, authentische, bildreiche Berichterstattung über fremde Länder und Kulturen oder über Geographie, Natur und Umwelt auszeichnen. Der Bedarf nach solchen Wissensmagazinen werde nicht in vergleichbarer Weise durch andere Zeitschriften und Zeitungen gedeckt.

Diese tatrichterlichen Feststellungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Abgrenzung des maßgebenden Marktes obliegt in erster Linie dem Tatrichter, da sie wesentlich von den - tatrichterlich festzustellenden - tatsächlichen Gegebenheiten des Marktes abhängt. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur begrenzt überprüft werden (BGHZ 92, 223, 238 - Gruner+Jahr/Die Zeit I; , Tz. 3 - Deutsche Bahn/KVS Saarlouis II). Im Streitfall beruhen die getroffenen Feststellungen auf einer ausreichenden Prüfung der Umstände, wobei die Mitglieder des Senats des Beschwerdegerichts ebenso wie die Mitglieder der Beschlussabteilung des Bundeskartellamts zu dem betreffenden Nachfragerkreis gehören und die erforderlichen Feststellungen daher auch aufgrund eigener Lebenserfahrung selbst treffen konnten (vgl. , WuW/E 2433, 2437 - Gruner+Jahr/Die Zeit II). Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen gab dem Beschwerdegericht keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Markterhebungen durch Verkehrsbefragungen im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle, bei der eine Entscheidung innerhalb weniger Monate ergehen muss (§ 40 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 GWB), im Allgemeinen nicht in Betracht kommen. Die Ermittlungen des Amtes sind vielmehr in der Regel auf Unterlagen und Informationen gerichtet, die bei den im fraglichen Markt tätigen Unternehmen erhoben werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschlussabteilungen des Bundeskartellamts regelmäßig über eine besondere Sachkunde hinsichtlich der Verhältnisse in der fraglichen Branche verfügen, die es ihnen gestattet, auch ohne (zeit-)aufwendige Verkehrsbefragungen zu entscheiden. Die sich aus der Fristgebundenheit erklärende Beschränkung der Aufklärungsmöglichkeiten ist im gerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht aufgehoben. Auch wenn das Gesetz für die Beschwerdeentscheidung keine Fristen vorsieht, ist das Beschwerdegericht nicht gehalten, nunmehr selbst oder unter Einschaltung des Amtes diejenigen Erhebungen durchzuführen, die im Verwaltungsverfahren schon wegen des engen zeitlichen Rahmens von vornherein nicht in Betracht gekommen wären.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass Bundeskartellamt und - ihm folgend - Beschwerdegericht im Streitfall nicht von einem Bedarfsmarkt für allgemein unterhaltende, informierende Publikumszeitschriften ausgegangen sind. Bei "National Geographic" handelt es sich um eine sogenannte "Special-Interest"-Zeitschrift, die durch fachkundige Beiträge sowie durch eine aufwendige Bebilderung über komplexe wissenschaftliche Themen in einer allgemeinverständlichen Weise informiert. Derartige Zeitschriften sind mit ihrem redaktionellen Angebot thematisch gerade auf spezifische Interessenbereiche ausgerichtet. Wesentlich für den Kauf einer solchen Zeitschrift ist in der Regel der jeweilige thematische Bild- und Textschwerpunkt (vgl. KG AG 1983, 285, insoweit nicht durch BGHZ 92, 223 - Gruner+Jahr/ Die Zeit I beanstandet). Es ist deshalb anerkannt, dass innerhalb des Marktes der Publikumszeitschriften solche Titel eigene Teilmärkte bilden (vgl. Europäische Kommission, Beschl. v. , Fall Nr. COMP/M 3648 Tz. 10 - Gruner+Jahr/ MPS; KG AG 1983, 285; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 30; ferner Ruppelt in Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 GWB Rdn. 22; Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 19 Rdn. 13).

Dieser Marktabgrenzung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es - woran an sich kein Zweifel besteht - auch Käufer gibt, die vor dem Erwerb einer Zeitschrift - etwa vor einer längeren Bahnfahrt - noch unentschieden sind, auf welche Art von Zeitschrift und auf welchen Themenbereich sich ihr Nachfrageinteresse richtet (vgl. KG AG 1983, 285, 286). Dieser Umstand ändert nichts daran, dass - wie das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat - die meisten Käufer von populären Wissenszeitschriften gerade durch die ihrem besonderen Interesse entsprechenden Themenschwerpunkte angesprochen werden. Hierfür spricht nicht zuletzt die vom Beschwerdegericht festgestellte hohe Leser-Blatt-Bindung. Sie wird nicht dadurch widerlegt, dass die Verkaufszahlen der Wissensmagazine aus dem Hause G+J - wie im Beschwerdeverfahren vorgetragen - erheblichen Schwankungen unterliegen. Denn diese Schwankungen betreffen lediglich den Einzelverkauf, nicht aber den in diesem Bereich besonders wichtigen Abonnementabsatz. Die große Bedeutung des Abonnementabsatzes lässt sich beispielsweise für das Jahr 2003 einem Vergleich der von G+J vorgetragenen Zahlen des Einzelverkaufs mit der oben wiedergegebenen verkauften Auflage entnehmen: Während die verkaufte Auflage der drei Wissensmagazine aus dem Hause G+J im Jahre 2003 bei 380.000 (GEO), 335.000 (P.M.) und 247.000 (National Geographic) lag, wurden in diesem Zeitraum nach der von G+J vorgelegten Aufstellung von keiner Ausgabe mehr als 100.000 (GEO), 120.000 (P.M.) und 110.000 (National Geographic) im Einzelverkauf abgesetzt.

Für die Abgrenzung des sachlichen Lesermarktes von Zeitschriften gelten keine anderen Grundsätze als die, die für die Abgrenzung des sachlichen Marktes von Konsumgütern heranzuziehen sind. Abzustellen ist danach auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Güter aus der Sicht der (potentiellen) Kunden, die diese Güter zur Deckung eines spezifischen Bedarfs nachfragen (vgl. , WuW/E 1445, 1447 - Valium I, insoweit nicht in BGHZ 68, 23; BGHZ 92, 223, 238 - Gruner+Jahr/Die Zeit I). Auch bei der Abgrenzung der Zeitungs- und Zeitschriftenmärkte kommt es maßgeblich darauf an, welche Produkte bei der Kaufentscheidung als zur Befriedigung gleicher Bedürfnisse geeignet in Betracht gezogen werden (vgl. BGHZ 82, 1, 5 - Zeitungsmarkt München). Auf den Wettbewerb um noch nicht entschiedene Käufer, die noch nicht wissen, zur Befriedigung welchen Interesses sie ihr Geld ausgeben wollen, kann regelmäßig nicht abgestellt werden, weil die Wettbewerbswirkungen, die von solchen Nachfragern ausgehen, regelmäßig als gering einzustufen sind; hierbei handelt es sich um Wirkungen eines Substitutionswettbewerbs, die erst bei der Frage der Marktbeherrschung zu berücksichtigen sind (vgl. BGHZ 82, 1, 5 - Zeitungsmarkt München).

cc) Der Rechtsbeschwerde ist allerdings einzuräumen, dass das allein auf das Nachfrageverhalten der Marktgegenseite abstellende Bedarfsmarktkonzept eines Korrektivs bedarf. Die Marktabgrenzung dient dem Ziel, die Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen die beteiligten Unternehmen ausgesetzt sind (BGHZ 156, 379, 384 - Strom und Telefon I; , WuW/E DE-R 1681 Tz. 29 - DB Regio/üstra, zur Veröffentlichung in BGHZ 166, 165 vorgesehen). Denn für die Frage, ob ein Unternehmen über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, kommt es entscheidend darauf an, ob die Verhaltensspielräume dieses Unternehmens hinreichend durch den Wettbewerb kontrolliert werden. Würde ausschließlich auf das vorgefasste, am konkreten Bedarf orientierte Kaufinteresse der Marktgegenseite abgestellt, müssten häufig extrem kleinteilige Märkte gebildet werden, weil der konkrete Bedarf - etwa der Bedarf nach einem Straßenschuh der Größe 48 - durch einen gleichartigen, aber doch in einem für den Nachfrager entscheidenden Punkt unterschiedlichen Gegenstand - etwa durch einen Straßenschuh der Größe 46 - nicht befriedigt werden kann (vgl. die zahlreichen treffenden Beispiele bei Säcker, ZWeR 2004, 1, 3 f. Fn. 2 bis 8). Dem trägt die Praxis durch das Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität Rechnung (vgl. dazu auch BGHZ 160, 321, 326 - Staubsaugerbeutelmarkt; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl 1997 C 372, S. 5, Tz. 20). Es beruht auf der Erkenntnis, dass ein die Verhaltensspielräume kontrollierender Wettbewerb auch von Anbietern ähnlicher Produkte ausgeht, die ihr Angebot kurzfristig umstellen können, um eine bestehende Nachfrage zu befriedigen. Mit diesem Konzept lässt es sich begründen, dass auch in der Verlagsbranche teilweise Marktabgrenzungen vorgenommen werden, die sich allein mit dem Bedarfsmarktkonzept nicht mehr erklären lassen (vgl. hinsichtlich des Marktes für Taschenbücher KG WuW/E OLG 2825, 2832 sowie hinsichtlich der juristischen Fachliteratur BKartA WuW/E DE-V 191). So hätte beispielsweise ein Schuhhersteller, der anders als seine Wettbewerber nicht nur Schuhe bis zur Größe 46, sondern auch darüber hinaus herstellt, möglicherweise keine marktbeherrschende Stellung, weil sein Verhaltensspielraum durch Wettbewerber eingeschränkt wäre, die ihr Sortiment jederzeit und ohne größeren Aufwand auf Schuhe der Größe 48 erweitern könnten.

Im Rahmen der Marktabgrenzung kann eine mögliche Angebotsumstellungsflexibilität allerdings nur dann Berücksichtigung finden, wenn die Anbieter ähnlicher Produkte bereit und in der Lage sind, ihre Produktion kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand umzustellen. Eine solche Flexibilität hat das Beschwerdegericht im Streitfall rechtsfehlerfrei verneint. Zwar zeigen die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Beispiele ("Horizonte", "ZEIT Wissen", "SZ Wissen"), dass Herausgeber von Publikumszeitschriften sowie von Tages- und Wochenzeitungen immer wieder Versuche unternehmen, in den Markt der Wissensmagazine vorzudringen. Doch sind derartige Vorstöße, wie das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, nicht kurzfristig möglich und im Übrigen mit derart hohen Kosten verbunden, dass die Produkte derjenigen Verlagshäuser, die für einen solchen Vorstoß in Betracht kommen - im Streitfall vor allem die großen überregionalen Tages- und Wochenzeitungen, die über eine eigene Wissenschaftsredaktion verfügen - nicht in den sachlichen Markt einbezogen werden können. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Vorstöße von Zeitungsverlagen können unter diesen Umständen nur in der Weise berücksichtigt werden, dass die konkreten Projekte - je nach Realisierungsstand - dem relevanten Markt hinzugerechnet werden. Dagegen kann die in den Vorstößen zum Ausdruck kommende latente Neigung anderer Verlagshäuser, neue Wissensmagazine auf den Markt zu bringen, lediglich im Rahmen der Bewertung der Marktzutrittsschranken und des potentiellen Wettbewerbs und damit erst bei der Frage der Marktbeherrschung berücksichtigt werden.

b) Auf dem hiernach allein relevanten Lesermarkt für populäre Wissensmagazine hat G+J eine marktbeherrschende Stellung inne. Nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Beschwerdegerichts betrug der Marktanteil der von ihr (mit-)herausgegebenen Titel "GEO", "P.M." und "National Geographic" im Jahre 2003 etwa 75%. Diesem hohen Marktanteil kommt nicht nur wegen seiner absoluten Größe, sondern auch deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil der Abstand zu den Wettbewerbern beträchtlich ist. Auch wenn das Beschwerdegericht die Marktanteile nicht erneut unter Berücksichtigung der noch in der Erprobungsphase befindlichen Neuerscheinungen ermittelt hat, ist die Annahme nicht zu beanstanden, G+J verfüge auf dem Markt der populären Wissensmagazine über eine überragende Marktstellung. Diese Marktstellung des Verlagshauses G+J, das nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts 125 Zeitschriften und Zeitungen mit einem Umsatz von insgesamt 2,5 Mrd. € herausgibt, wird durch finanzielle Ressourcen abgesichert, die denen der Konkurrenz überlegen sind und durch die Wettbewerber davon abgehalten werden, G+J mit einem ähnlichen Produkt wie "GEO" oder "National Geographic" Konkurrenz zu machen.

Diese Marktstellung von G+J auf dem relevanten Markt wird durch die oben beschriebene latente Neigung großer Zeitungsverlage, ihre Ressourcen im Bereich des Wissenschaftsjournalismus zu nutzen, um neue Wissensmagazine auf den Markt zu bringen, nicht in entscheidender Weise relativiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Vorstöße vor allem die Wissensmagazine betreffen, die sich durch ein breites Spektrum populärwissenschaftlicher Beiträge aus den Bereichen der Naturwissenschaft und der Technik auszeichnen. Aus dem Hause G+J gehört hierzu in erster Linie die Zeitschrift "P.M.". Die beiden Titel "GEO" und "National Geographic", mit denen allein G+J bereits einen Marktanteil von nahezu 50% erreicht, nehmen demgegenüber mit ihren auf das Leserinteresse an (fremden) Landschaften und Kulturen gerichteten Reise- und Exkursionsberichten sowie mit besonders aufwendigen Fotostrecken eine Sonderstellung unter den Wissensmagazinen ein, die durch den potentiellen Wettbewerb, der von weiteren Wissensmagazinen der Zeitungsverlage der in Rede stehenden Art ("Horizonte", "ZEIT Wissen", "SZ Wissen") ausgehen könnte, nicht gefährdet wird.

c) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass der Zusammenschluss eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von G+J auf dem Markt für populäre Wissensmagazine erwarten lässt (§ 36 Abs. 1 GWB), weil ihre überragende Marktstellung durch den Erwerb des von RBA Germany gehaltenen Anteils an dem Gemeinschaftsunternehmen weiter gesichert und gefestigt wird. Auch das rügt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

Ob ein beabsichtigter Zusammenschluss die Erwartung begründet, dass eine schon bestehende marktbeherrschende Stellung verstärkt wird, ist aufgrund eines Vergleichs der Wettbewerbslage, wie sie vor der Verwirklichung des Vorhabens besteht, und der nach dem Zusammenschluss wahrscheinlich eintretenden Entwicklung festzustellen (BGHZ 71, 102, 117 - Kfz-Kupplungen; , WuW/E DE-R 668, 670 - Werra Rundschau). Entgegen der von G+J geäußerten Ansicht ist nach ihrem eigenen Vorbringen und den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts eine solche Erwartung begründet.

aa) Der beabsichtigte Vollerwerb des Gemeinschaftsunternehmens führt zu einer Verstärkung der Stellung von G+J in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Derzeit stellt sich die Situation so dar, dass G+J und RBA Germany jeweils einen Geschäftsanteil von 50% an dem Gemeinschaftsunternehmen haben. Die geschäftsführende Komplementärin wird durch den paritätisch besetzten Beirat beaufsichtigt. Zudem bedarf eine Vielzahl von Geschäftsführungs- und sonstigen Maßnahmen der einstimmigen oder mehrheitlichen Zustimmung des Beirats. Nach dem beabsichtigten Anteilserwerb scheidet RBA Germany aus dem Gemeinschaftsunternehmen aus. Keine geschäftsführende oder sonstige Maßnahme bedarf dann der Zustimmung von RBA Germany. Rechtsfehlerfrei ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass hierdurch G+J Verhaltensspielräume eröffnet werden, die sie aufgrund der teilweise gegenläufigen Interessenlage bisher nicht nutzen konnte. Denn RBA Germany hat - anders als G+J - keinen Anlass, auf die Konkurrenztitel aus dem Hause G+J - vor allem "GEO", aber auch "P.M." - Rücksicht zu nehmen. Dabei ist ohne entscheidende Bedeutung, dass - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - RBA Germany ihre Einflussmöglichkeiten in der Vergangenheit nicht oder nicht spürbar ausgenutzt hat. Es genügt insoweit, dass sie diese Rechte ausüben könnte, und zwar insbesondere immer dann, wenn geplante Maßnahmen der Geschäftsführung ihrem Interesse zuwiderlaufen.

bb) Es ist zu erwarten, dass G+J durch die genannten rechtlichen und faktischen Einflussmöglichkeiten ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Lesermarkt für populäre Wissensmagazine verstärken wird. Auch G+J verkennt nicht, dass es zur Annahme einer solchen Verstärkungswirkung nicht der Ausweitung der bestehenden Marktanteile bedarf (BGHZ 82, 1, 10 - Zeitungsmarkt München; BGH WuW/E DE-R 668, 673 - Werra Rundschau; Beschl. v. - KVR 26/03, WuW/E DE-R 1419, 1424 - Deutsche Post/trans-o-flex). Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Ressourcenzuwachs bei dem Gemeinschaftsunternehmen erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Zusammenschluss überhaupt eine - wenngleich geringe - Verbesserung der Wettbewerbssituation für G+J nach sich ziehen kann, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die zu erwartenden Vorteile um so geringeres Gewicht haben müssen, je stärker die Marktstellung des betroffenen Unternehmens bereits vor der beabsichtigten Aufstockung der Beteiligung gewesen ist; denn gerade dann gilt es, bestehenden Restwettbewerb zu schützen und potentiellen Wettbewerb nicht zu entmutigen (BGH WuW/E DE-R 668, 673 - Werra Rundschau; WuW/E DE-R 1419, 1424 - Deutsche Post/trans-o-flex). Da G+J auf die dargestellten gegenläufigen Interessen von RBA Germany keine Rücksicht zu nehmen bräuchte, ist im Falle des Zusammenschlusses zu erwarten, dass G+J Strategie- und Marketingentscheidungen träfe, die "National Geographic" in eine umfassende Geschäftspolitik einordnen würden (vgl. BGHZ 71,102, 123 - Kfz-Kupplungen).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stehen dieser Prognose die lizenzvertraglichen Regelungen nicht entgegen, die G+J verpflichten, "National Geographic" "nach besten Kräften zu vermarkten". Das Beschwerdegericht weist zu Recht darauf hin, dass auch im Rahmen der lizenzvertraglichen Vorgaben Verhaltens- und Entscheidungsspielräume bestehen und dass eine solche Verpflichtung nicht bedeutet, dass die Vermarktung gegebenenfalls zum Schaden des eigenen Unternehmens zu erfolgen hat.

cc) Unter den gegebenen Umständen kann offenbleiben, ob - wie das Beschwerdegericht gemeint hat - die marktbeherrschende Stellung von G+J auch dadurch verstärkt wird, dass (potentielle) Wettbewerber durch den angemeldeten Zusammenschluss abgeschreckt und entmutigt werden. Dies mag im Hinblick darauf zweifelhaft erscheinen, dass in der Vergangenheit von der Beteiligung von RBA Germany am Gemeinschaftsunternehmen offenbar kaum wettbewerbliche Impulse ausgegangen sind.

IV.

Danach ist die Rechtsbeschwerde von G+J zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 2 GWB.

Fundstelle(n):
AG 2007 S. 490 Nr. 13
NJW 2007 S. 1823 Nr. 25
WM 2007 S. 849 Nr. 18
YAAAC-41125

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja