BGH Beschluss v. - XII ZB 231/05

Leitsatz

[1] Die Kosten eines vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahrens gehören auch dann zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens, wenn dessen Streitgegenstand und der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens nur teilweise identisch sind.

Dabei bleibt es auch dann, wenn die Hauptsacheklage zurückgenommen wurde. Die fehlende Kostengrundentscheidung im Hauptsacheverfahren kann nicht durch eine Entscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO ersetzt werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 176/03 -).

Gesetze: ZPO § 269 Abs. 3; ZPO § 494 a

Instanzenzug: LG Dresden 1 OH 4515/02 vom OLG Dresden 5 W 901/04 vom

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich dagegen, dass das Beschwerdegericht ihren Antrag, der Antragstellerin gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO die Kosten des von dieser betriebenen selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, abgewiesen hat.

Die Antragstellerin (Mieterin) hat nach Beendigung eines zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerin (Vermieterin) u.a. zur Feststellung der Schäden, die in den Mieträumen durch wiederholte Hochwassereinwirkung entstanden sind, durchgeführt. Mit Beschluss vom hat das Landgericht der Antragstellerin gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO die der Antragsgegnerin im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auferlegt, ohne ihr zuvor die von der Antragsgegnerin beantragte Frist zur Klageerhebung gesetzt zu haben. Diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wegen fehlender Fristsetzung aufgehoben. Das Landgericht hat daraufhin der Antragstellerin Frist zur Klageerhebung bis gesetzt.

Mit Beschluss vom hat es der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt. Es hat den Streitgegenstand der bereits am der Antragsgegnerin zugestellten Klage, mit der die Antragstellerin beantragt hatte, festzustellen, dass sie nach Rückgabe der Mieträume nicht verpflichtet sei, die Räume instand zu setzen bzw. zu renovieren, für nicht identisch mit dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gehalten. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und den Antrag der Antragsgegnerin, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, der Antragstellerin könnten die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nicht gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO auferlegt werden, weil sie vor Fristablauf Hauptsacheklage erhoben habe. Für die Hauptsacheklage genüge, dass der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und der Gegenstand des Hauptsacheverfahrens teilweise identisch seien. Das sei hier der Fall. Damit seien die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens geworden. Daran ändere die Rücknahme der Hauptsacheklage nichts. Zwar werde verbreitet angenommen, die nach Klagerücknahme ergehende Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO erstrecke sich nicht auf die im selbständigen Beweisverfahren angefallenen Kosten. Es sei jedoch der Auffassung zu folgen, dass auch bei Klagerücknahme die in der Hauptsache zu treffende Kostenentscheidung die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens mit umfasse. Hier sei es zwar mangels Antrags der Antragsgegnerin zu keiner Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren gekommen. Das führe aber nicht dazu, dass die fehlende Kostengrundentscheidung im Hauptsacheverfahren durch eine solche gemäß § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO ersetzt werden könne.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auch dann zu den Kosten des Klageverfahrens gehören, wenn nur Teile des Gegenstands eines selbständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gegen den Antragsgegner gemacht werden. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Beschlüsse vom - VII ZB 11/03 - NJW 2004, 3121 m.w.N.; vom - V ZB 28/04 - NJW 2005, 294; vom - VII ZB 59/05 - NJW-RR 2006, 810).

b) Das Beschwerdegericht geht weiter zu Recht davon aus, dass die Rücknahme der Klage im Hauptsacheverfahren nichts an der einmal begründeten Zugehörigkeit der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptverfahrens ändert.

Wie der Senat mit Beschluss vom (- XII ZB 176/03 - zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, werden die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens von der Kostenentscheidung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Hauptsacheverfahren umfasst, wenn die Parteien und der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens identisch sind. Das folgt aus dem Grundsatz, dass über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens stets im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist und nur ausnahmsweise, wenn trotz Fristsetzung keine Hauptsacheklage erhoben worden ist, eine Kostenentscheidung gemäß § 494 a ZPO ergehen darf (Senatsbeschluss vom aaO; ­ VII ZB 11/03 ­ aaO). § 494 a ZPO ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck weder direkt noch analog anwendbar, wenn die Klage im Hauptsacheverfahren zurückgenommen wird und die Parteien und der Streitgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens identisch sind. Sinn und Zweck des § 494 a ZPO ist es, die Lücke zu schließen, die entsteht, wenn der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens nach der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet. Als Ausnahmevorschrift ist § 494 a ZPO eng auszulegen. Er ist deshalb grundsätzlich auf die Fälle zu beschränken, in denen der Antragsteller keine Klage erhoben hat ( ­ VII ZB 11/03 ­ aaO m.w.N.). Einer Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens nach Klagerücknahme steht auch nicht entgegen, dass der Kläger erneut Klage erheben kann und die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens dort entsprechend der Entscheidung in der Hauptsache aufgeteilt werden können. Gleiches gilt für die Kosten einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht. Auch diese Kosten bleiben nach Klagerücknahme Kosten des Rechtsstreits, obwohl das Beweisergebnis in einem späteren über denselben Streitgegenstand geführten Prozess von den Parteien erneut verwertet werden kann.

Auch die Fiktion des § 269 Abs. 3 ZPO, wonach der Rechtsstreit bei Klagerücknahme als nicht anhängig geworden anzusehen ist, kann an der Zugehörigkeit der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten der Hauptsache nichts ändern. Denn der Rechtsstreit bleibt wegen der Kosten anhängig (§ 269 Abs. 3 Satz 2 Abs. 4, 5 ZPO). Die bis dahin entstandenen Kosten werden von der Kostenentscheidung deshalb stets umfasst (vgl. ­ V ZB 59/03 ­ NJW 2004, 2309, 2010; OLG Celle JurBüro 1984, 1581).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen gehören im vorliegenden Fall die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens. Die Parteien und der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens sind identisch. Die Antragstellerin hat sich in der Klage auch auf Tatsachen berufen, über die im selbständigen Beweisverfahren Beweis erhoben worden ist (§ 493 ZPO), und hat auf das dort erstattete Gutachten Bezug genommen.

Über die Kosten des Hauptsacheverfahrens war nach Klagerücknahme nur auf Antrag zu entscheiden (§ 269 Abs. 5 ZPO). Da kein Antrag gestellt wurde, ist auch keine Kostenentscheidung ergangen. Das ändert allerdings nichts an der Zugehörigkeit der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 1282 Nr. 18
BAAAC-38387

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja