Oberfinanzdirektion Münster

Kürzung des Vorwegabzugs bei zusammenveranlagten Ehegatten

Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 32/2004 vom
Diese Kurzinformation wurde am und am aktualisiert (siehe unten)

1. Änderung der Rechtsprechung

Mit seinen (zusammenveranlagte Ehegatten) und (Steuerpflichtiger mit mehreren Arbeitsverhältnissen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit) hat der BFH entschieden, dass bei der Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) nur die Einnahmen aus solchen Beschäftigungsverhältnissen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, in deren Zusammenhang der Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht hat oder bei denen der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.

Die Regelungen in R 106 Satz 2 und R 106 Satz 3 EStR sind mit dieser Rechtsprechung nicht vereinbar. Gem. ist der Grundsatz des Urteils entgegen der Regelung in R 106 Satz 3 EStR in allen offenen Fällen anzuwenden.

Die Einkommensteuer-Programme werden zurzeit überarbeitet. Den Aufgriff betroffener Fälle bitte ich soweit möglich bis zum Abschluss der maschinellen Umsetzung der neuen Rechtsgrundsätze im Fachprogramm ESt (Programmfreigabe voraussichtlich zum ) zurückzustellen.

Ergänzend weist die OFD darauf hin, dass der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen keine eigenständige Änderungsmöglichkeit eröffnet (s. Abschnitt I Nr. 1 –  BStBl 2003 I S. 338).

Sollte gegenüber dem Steuerpflichtigen der Eindruck erweckt worden sein, aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks könne der Einkommensteuerbescheid (zu seinen Gunsten) geändert werden, falls der BFH gegen die Auffassung der Verwaltung entscheiden sollte, und hat

  • der Steuerpflichtige deshalb von der Einlegung eines Einspruchs abgesehen oder

  • einen bereits eingelegten Einspruch zurückgenommen oder

  • das Finanzamt einen eingelegten Einspruch mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig verworfen,

ist ein Antrag auf Änderung wie folgt zu bearbeiten:

  • Wurde der Steuerpflichtige von der Einlegung eines Einspruchs abgehalten und ist die Jahresfrist i.S.d. § 110 Abs. 3 AO noch nicht abgelaufen, ist dem Steuerpflichtigen zur Eröffnung der Einspruchsmöglichkeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) zu gewähren.

  • Bei einer durch eine irreführende Äußerung des Finanzamts bewirkten Einspruchsrücknahme ist die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme festzustellen und das Rechtsbehelfsverfahren fortzusetzen, falls dem nicht der Ablauf der Jahresfrist gem. § 362 Abs. 2 Satz 2 AO entgegensteht.

  • Soweit die vorgenannten verfahrensrechtlichen Möglichkeiten nicht bestehen, ist der vorläufige Einkommensteuerbescheid zur Anwendung der o.g. BFH-Rechtsprechung im Billigkeitswege zu ändern.

Wegen der Problematik der Kürzung des Vorwegabzugs bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH mit Zusage einer Altersversorgung siehe Kurzinformation ESt Nr. 005/2006.

2. Vorläufige Steuerfestsetzung; Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks „hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen”

Gemeinsamer Vorwegabzug bei zusammen veranlagten Ehegatten?

Hinweis auf die im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG (Az.: 2 BvR 587/01) vorgetragene Frage, inwieweit die vollumfängliche Kürzung des gemeinsamen Vorwegabzugs bei Ehegatten nach § 10 III Nr. 2 Satz 2 EStG a.F. mit dem GG vereinbar ist (anhängig seit dem ).

Dieser Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 773 und gegen das diesem Beschluss vorausgegangene .

Gegenstand beider Entscheidungen war die Frage, ob auch bei zusammenveranlagten Ehegatten eine individuelle Kürzung des Vorwegabzugs dergestalt möglich ist, dass jedenfalls demjenigen Ehegatten, der nicht durch vorwegabzugschädliche Arbeitgeberleistungen i.S.d. § 10 III Nr. 2 S. 2a EStG a.F. begünstigt worden ist, noch ein eigener Vorwegabzug von 6.000 DM (später: 3.068 €) verbleibt. Eine solche getrennte, individuelle Kürzung des Vorwegabzugs anhand der Einnahmen jedes einzelnen Ehegatten aus nichtselbständiger Arbeit hatten sowohl das FG als auch der BFH unter Hinweis auf den einem zusammenveranlagten Ehegattenpaar nach § 10 III Nr. 2 S. 1 2. Alternative EStG a.F. zustehenden einheitlichen, doppelten Vorwegabzug von 12.000 DM (später: 6.136 €) abgelehnt. Nach Auffassung beider Instanzen war der Vorwegabzug daher über den Teilbetrag von 6.000 DM hinaus ggf. auch dann bis zur vollen Höhe von 12.000 DM zu kürzen, wenn der Arbeitgeber nur eines Ehegatten vorwegabzugschädliche Zukunftssicherungsleistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht hat.

Im Verfahren 2 BvR 587/01 selbst geht es um die Frage, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, auch im Falle der Zusammenveranlagung die vorzunehmende Kürzung des gemeinsamen – gegenüber der Einzelveranlagung verdoppelten – Vorwegabzugs ggf der Höhe nach auf den (hälftigen) Anteil desjenigen Ehegatten zu beschränken, der im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses durch vorwegabzugschädliche Arbeitgeberleistungen begünstigt worden ist.

Das Verfahren 2 BvR 912/03 wird als Parallelverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geführt und zusammen mit dem Hauptverfahren entschieden. In diesem Verfahren geht es zum einen um die Grundsatzfrage, ob der beschränkte Abzug von Vorsorgeaufwendungen verfassungsgemäß ist. Diese Frage hat der BFH hinreichend entschieden (, BStBl 2003 II S. 650). Zum anderen geht es um die Frage, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, auch im Falle der Zusammenveranlagung die vorzunehmende Kürzung des gemeinsamen – gegenüber der Einzelveranlagung verdoppelten – Vorwegabzugs ggf. der Höhe nach auf den (hälftigen) Anteil desjenigen Ehegatten zu beschränken, der im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses durch vorwegabzugschädliche Arbeitgeberleistungen begünstigt worden ist.

Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks

Nach dem (Az.: X R 9/05, DStR 2006, 1548 ff) ist diese verfassungsrechtliche Fragestellung nach der betragsmäßigen Beschränkung der Kürzung auf einen Teilbetrag vom maschinellen Vorläufigkeitsvermerk „beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 III EStG)” umfasst. Das Verfahren 2 BvR 912/03 ist damit nur hinsichtlich dieser Fragestellung vom Vorläufigkeitsvermerk umfasst.

Oberfinanzdirektion Münster v.

Fundstelle(n):
VAAAC-38243