BSG Beschluss v. - B 6 KA 34/06 B

Leitsatz

Ist sechs Monate nach dem planmäßigen Ausscheiden eines Vorsitzenden Richters aus dem richterlichen Dienst dessen Stelle noch nicht besetzt, liegt regelmäßig keine "vorübergehende Verhinderung" iS des § 21f Abs 2 GVG mehr vor.

Gesetze: SGG § 6; SGG § 13; SGG § 33 S 1; SGG § 202; ZPO § 547 Nr 1; GVG § 21e Abs 1 S 4; GVG § 21f Abs 2 S 1

Instanzenzug: SG Frankfurt am Main S 5/29 KA 89/03 vom LSG Darmstadt L 4 KA 32/05 vom

Gründe

I

Der am geborene und seit 1974 vertragsärztlich tätige Kläger wendet sich gegen die Beendigung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen der Vollendung des 68. Lebensjahres zum .

Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses, wonach seine Zulassung wegen Vollendung des 68. Lebensjahres und mehr als zwanzigjähriger vertragsärztlicher Tätigkeit zum ende, hatte der Kläger den beklagten Berufungsausschuss angerufen und auf die Unvereinbarkeit der Vorschrift über die Altersgrenze mit Verfassungsrecht und europäischem Recht hingewiesen. Der Beklagte wies den Widerspruch unter Hinweis auf die eindeutige Regelung des § 95 Abs 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zurück. Im Verlauf des im Januar 2003 dagegen anhängig gemachten Klageverfahrens hat der Kläger am auf seine ärztliche Approbation verzichtet und nur noch die Feststellung begehrt, die Zulassung sei zu Unrecht beendet worden.

Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, ihm die Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit über September 2002 hinaus zu gestatten, ist in beiden Rechtszügen erfolglos geblieben (Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2003 und des Hessischen Landessozialgerichts <LSG> vom 15. Dezember 2004).

Auch in der Hauptsache haben Klage und Berufung keinen Erfolg gehabt. An dem Urteil des Hessischen haben Richter am LSG E (E.) als Vorsitzender und als ehrenamtlicher Richter Dr. Bö (Dr. Bö.) mitgewirkt.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger die Mitwirkung dieser beiden Richter als verfahrensfehlerhaft (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und macht weiterhin geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

II

Die Beschwerde hat Erfolg. Das Berufungsgericht war bei Erlass des Berufungsurteils nicht vorschriftsmäßig besetzt, weil der 4. Senat des Hessischen LSG bei der Entscheidung über die Berufung des Klägers am entgegen der Regelung des § 33 Satz 1 SGG nicht in der Besetzung mit einem Vorsitzenden Richter und zwei weiteren Berufsrichtern entschieden hat. Der als Vorsitzende tätig gewordene Richter am LSG E. war nicht gemäß § 6 SGG iVm § 21f Abs 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zur Vertretung des Vorsitzenden berufen, weil keine "Verhinderung" iS dieser Vorschrift vorgelegen hat. Auf dem zutreffend gerügten Besetzungsfehler beruht das angefochtene Urteil iS des § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm § 202 SGG.

Der frühere Vorsitzende des 4. Senats des LSG, Vorsitzender Richter am LSG B (B.), ist mit Ablauf des wegen Erreichens der Altersgrenze von 65 Jahren (vgl Handbuch der Justiz, 2004, S 475) in den Ruhestand getreten. Seitdem ist die Planstelle von B. vakant, und der 4. Senat ist vertretungsweise zunächst durch den Richter am LSG E. als dem vom Präsidium bestimmten Vertreter geführt worden. Daran hat das Präsidium des LSG auch bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2006 (§ 21e Abs 1 Satz 2 GVG) nichts geändert.

Ein Fall der Verhinderung iS des § 21f Abs 2 Satz 1 GVG hat nicht vorgelegen. Der Vorsitzende Richter am LSG B. war am nicht "verhindert", denn er war zum Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils bereits seit siebeneinhalb Monaten in den Ruhestand getreten. Ein Richter, der dem Gericht nicht mehr angehört, ist nicht iS des § 21f Abs 2 Satz 1 GVG verhindert (Bundesfinanzhof <BFH>, Beschluss vom - VII R 15/99 -, BFHE 190, 47, 51; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom - 3 C 4.85 -, NJW 1986, 1366, 1367). Allerdings besteht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Einigkeit, dass im Falle des endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper, dem dieser bisher vorgesessen hat, die entsprechende Anwendung des § 21f Abs 2 Satz 1 GVG unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen geboten ist. Bundesgerichtshof (BGH), BVerwG und BFH haben in zahlreichen Entscheidungen dargelegt, dass auch im Falle des planmäßigen Ausscheidens eines Vorsitzenden Richters aus dem richterlichen Dienst zeitlich eng begrenzte Vakanzen im Vorsitz nicht gänzlich vermieden werden können, und dass es nicht sachgerecht wäre, in allen Fällen und ungeachtet der mutmaßlichen Dauer der Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers zusätzlich überträgt, was nach § 21e Abs 1 Satz 4 GVG möglich ist (BVerwG aaO, BFHE aaO). Der BFH weist zutreffend darauf hin, dass diese Forderung in manchen Fällen eine sachgemäße und den Zielen des GVG entsprechende Besetzung des Spruchkörpers nicht herbeiführen könnte, insbesondere wenn sich zB ein Spruchkörper mit Rechtsgebieten zu befassen hat, mit denen bei dem Gericht keiner der übrigen Vorsitzenden Richter so vertraut ist, dass er ohne ins Gewicht fallende Einarbeitungszeit die Funktion des Vorsitzenden auch in dem weiteren Senat zu erfüllen vermöchte. Die Bestellung eines Übergangsvorsitzenden, der sich in die betreffende Rechtsmaterie erst einarbeiten muss, zudem für eine möglicherweise voraussehbar nur kurze Zeitspanne, würde in einem solchen Fall keinen merklichen Gewinn für die Rechtsprechung des Spruchkörpers bieten, weil die Übergangszeit bereits verstrichen sein würde, bevor er nach Einarbeitung den von ihm erwarteten richtungsweisenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers ausüben und in der seinem Amt entsprechenden Weise durch seine besondere Erfahrung und Qualifikation für die Rechtsprechung des Spruchkörpers bürgen könnte (BFHE 190, 47, 53/54 unter Hinweis auf BGHZ 20, 355; ähnlich Gummer in Zöller, ZPO, 25. Aufl 2005, § 21e GVG RdNr 39d).

§ 21f Abs 2 Satz 1 GVG ist nach dem Ausscheiden eines Vorsitzenden auch dann für eine Übergangszeit entsprechend anwendbar, wenn das Ausscheiden zu einem Zeitpunkt vorhersehbar war, der es den zuständigen Organen ermöglicht hätte, rechtzeitig einen für die Wiederbesetzung dieser Position geeigneten Vorsitzenden Richter zu berufen. Der BFH hat zutreffend dargelegt, dass es ungeachtet der Verpflichtung der staatlichen Stellen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit für eine zügige Besetzung frei werdender Vorsitzenden-Stellen zu sorgen, aus unterschiedlichen und vor allem nicht ohne Weiteres aufklärbaren und als vermeidbar oder unvermeidbar zu bewertenden Gründen zu Verzögerungen bei der Wiederbesetzung einer frei werdenden Stelle kommen kann (BFHE 190, 47, 53 f). Das hält auch der Senat für zutreffend, zumal aus Gründen der Rechtssicherheit die richtige Besetzung eines Spruchkörpers nicht davon abhängig sein darf, ob nachträglich im Rechtsmittelzug Verzögerungen im Besetzungsverfahren als vermeidbar oder unvermeidbar gewertet werden.

Wie lange das Präsidium im Falle der nicht nahtlosen Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden mit der Entscheidung zuwarten darf, einen anderen Vorsitzenden zusätzlich mit dem vakant gewordenen Senatsvorsitz zu betrauen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt und bedarf auch aus Anlass der hier zu treffenden Entscheidung keiner exakten Festlegung. In der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes wird zur Dauer der zulässigen Vakanz im Senatsvorsitz angenommen, diese sei jedenfalls so lange hinzunehmen, wie dadurch keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist als bei einem längeren Urlaub oder einer länger dauernden Krankheit des Vorsitzenden (BFHE 190, 47, 53). Das BVerwG ist im Beschluss vom (NJW 2001, 3493) davon ausgegangen, dass in dem besonders gelagerten Fall der geplanten Auflösung des Bundesdisziplinargerichts eine mehr als dreimonatige Vakanz im Vorsitz nicht hingenommen werden durfte. Der BFH hat in dem bereits zitierten Beschluss vom entschieden, dass jedenfalls eine Vakanz von zwei Monaten noch zulässig ist, auch wenn die Frist in Fällen vorhersehbaren Ausscheidens eines Vorsitzenden kürzer zu bemessen sei als bei unvorhergesehenem Ausscheiden wie im Falle des Todes oder der plötzlichen Versetzung an ein anderes Gericht (vgl zu den in einer solchen Konstellation maßgeblichen Fristen BSGE 40, 53 = SozR 1500 § 33 Nr 1). Jedenfalls nach Ablauf von siebeneinhalb Monaten nach dem Ausscheiden des früheren Vorsitzenden sieht auch der BFH keine Möglichkeit für eine entsprechende Anwendung der Vertretungsregelung des § 21f Abs 2 Satz 1 GVG (Urteil vom - I R 15/85 -, BFHE 155, 470, 471); er hält diese überhaupt nur für den Fall für anwendbar, dass mit der alsbaldigen Wiederbesetzung der Vorsitzenden-Stelle habe gerechnet werden können. In der Literatur wird, soweit überhaupt Zeitangaben in Monaten gemacht werden, davon ausgegangen, dass für mehr als sechs Monate die Vakanz im Vorsitz nicht hingenommen werden kann und das Präsidium dann einen Interimsvorsitzenden bestellen muss (vgl in dem Sinne Gummer, aaO, § 21e RdNr 39d).

In Übereinstimmung mit den dargestellten Grundsätzen geht der Senat davon aus, dass zumindest im Regelfall der Vorsitz in einem Spruchkörper nicht länger als sechs Monate durch das "vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers" iS des § 21f Abs 2 Satz 1 GVG geführt werden kann. Die hier zwischen dem Ausscheiden des Vorsitzenden Richters am LSG B. zum und der Entscheidung des 4. Senats des LSG am liegende Zeit von genau siebeneinhalb Monaten hat somit die Anwendung der Vertretungsregelung des § 21f Abs 2 Satz 1 GVG nicht mehr gestattet. Nach den maßgeblichen Umständen hätte das Präsidium des Hessischen LSG spätestens im Februar 2006 einen Vorsitzenden mit dem Vorsitz im 4. Senat des LSG betrauen müssen.

Der Präsident des Hessischen LSG hat auf Anfrage des Senats unter dem mitgeteilt, die Stelle eines Vorsitzenden Richters sei nach dem Ausscheiden von B. ausgeschrieben worden. Die Ausschreibung ist unter dem in der 7. Nummer des Justiz-Ministerial-Blatts für Hessen (S 282) veröffentlicht worden. Bereits der Umstand, dass die Ausschreibung der Stelle eines Vorsitzenden Richters, der planmäßig mit Erreichung der Altersgrenze nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem richterlichen Dienst ausgeschieden ist, erst im Monat seines Ausscheidens erfolgte, hätte das Präsidium des LSG veranlassen können, umgehend den frei gewordenen Senatsvorsitz einem bereits an dem Gericht tätigen Vorsitzenden Richter iS des § 33 Satz 1 SGG zu übertragen. Wenn nämlich das Bewerbungsverfahren erst zeitgleich mit dem Freiwerden einer Stelle beginnt, kann es nach aller Erfahrung in der Regel nicht so kurzfristig abgeschlossen werden, dass die von den Obersten Gerichtshöfen des Bundes für die entsprechende Anwendung des § 21f Abs 2 Satz 1 GVG noch hingenommenen Fristen eingehalten werden können. Das gilt hier umso mehr, als dem Präsidium bewusst war, dass "eine Reihe von Bewerbungen eingegangen" waren, wie der Präsident des Hessischen LSG in seiner Stellungnahme mitgeteilt hat. Im Falle einer Bewerberkonkurrenz muss typischerweise mit einer längeren Dauer des Besetzungsverfahrens, ggf unter Einschluss von anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzungen, gerechnet werden.

Zumindest die Jahrsverteilung der Geschäfte gemäß § 21e Abs 1 GVG für das Jahr 2006 hätte dem Präsidium Anlass geben müssen, nähere Erkundigungen darüber einzuholen, wie weit der Stand des Auswahlverfahrens im Hessischen Ministerium der Justiz gediehen war und wann voraussichtlich mit einer Stellenbesetzung gerechnet werden könnte. Der Präsident des Hessischen LSG hat dazu mitgeteilt, "dass nach dem Informationsstand Anfang Dezember 2005 eine Ernennung einer Richterin oder eines Richters zur Vorsitzenden bzw zum Vorsitzenden für Februar 2006 erwartet worden war". Die Überlegungen seien in die Niederschrift zu dieser Sitzung ausdrücklich aufgenommen worden. Spätestens nachdem diese Erwartung sich nicht erfüllt hatte, hätte das Präsidium in seiner Sitzung am , also nach Ablauf von mehr als sechs Monaten nach dem Ausscheiden von B., einen Interimsvorsitzenden bestellen müssen. Welche konkreten verlässlichen Informationen dem Präsidium zu dieser Zeit Anlass zu der Beurteilung gegeben haben, es sei "nunmehr innerhalb von wenigen Monaten" mit der endgültigen Stellenbesetzung zu rechnen, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls nach Ablauf der Frist von sechs Monaten musste sich dem Präsidium der Eindruck aufdrängen, dass eine kurzfristige Besetzung nicht würde realisiert werden können, und dem hätte es entsprochen, nicht mehr den Vertretungsfall des § 21f Abs 2 GVG anzunehmen, sondern einen Vorsitzenden Richter mit dem Vorsitz des 4. Senats zu betrauen, wie es dann schließlich durch Präsidiumsbeschluss vom mit Wirkung vom geschehen ist. Zu diesem Zeitpunkt ist dem Vizepräsidenten des Hessischen LSG zusätzlich der Vorsitz im 4. Senat übertragen worden; die Besetzung der durch das Ausscheiden des Vorsitzenden Richters B. frei gewordenen Planstelle ist nach Informationen des Senats im Übrigen bis zum Tag der Beschlussfassung () nicht erfolgt.

Für eine Handlungspflicht des Präsidiums des LSG spätestens im Februar 2006 spricht auch das - (BGHZ 164, 87 ff). In diesem Urteil hat der BGH angenommen, dass bei krankheitsbedingter Verhinderung des geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden während eines ganzen Geschäftsjahres das Präsidium vor Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen müsse, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Wenn danach nicht verlässlich mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Betroffenen zu einem bestimmten Termin gerechnet werden könne, müsse von einer dauerhaften Verhinderung ausgegangen werden, die das Präsidium bei der nächsten Jahresverteilung zu berücksichtigen habe. Wenn das Präsidium selbst in der typischerweise durch Unsicherheiten über den Gesundheitszustand bzw die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit des betroffenen Vorsitzenden geprägten Krankheitssituation nicht auf der Basis unklarer und uneindeutiger Informationen mit der Bestellung eines Interimsvorsitzenden zuwarten darf, muss das erst recht für eine Vakanz gelten, die endgültig ist und vom Wortsinn des § 21f Abs 2 GVG nicht erfasst wird. Ist der Fall dann sogar so gelagert, dass das Ausscheiden des Vorsitzenden Richters schon lange im Voraus bekannt war, sodass das Bewerbungsverfahren rechtzeitig hätte in Gang gebracht werden können, stellt eine Zeitspanne von sechs Monaten den äußersten Rahmen dessen dar, was noch hingenommen werden kann.

Danach war der 4. Senat des Hessischen LSG bei der Entscheidung über die Berufung des Klägers am nicht vorschriftsmäßig besetzt. Ob auch der ehrenamtliche Richter Dr. Bö. an der Ausübung des Richteramtes gehindert gewesen ist, bedarf deshalb keiner Entscheidung. Der Kläger macht insoweit geltend, die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters Dr. Bö. habe im September 2005 geendet. Indessen bleiben ehrenamtliche Richter nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGG auch nach Ablauf ihrer Amtszeit im Amt, bis ihre Nachfolger berufen sind. Allenfalls bei einer ganz erheblichen Überschreitung dieser Amtszeit kann in dem Amtieren nach Ablauf der ursprünglichen Amtszeit ein Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters iS des Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz liegen (BVerfG <Kammer> SozR 1500 § 13 Nr 3). Es spricht wenig dafür, dass eine solche "ganz erhebliche Überschreitung der Amtszeit" schon bei Überschreiten einer fünfjährigen Amtszeit um etwas über sechs Monaten anzunehmen sein könnte.

Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der ihm in § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Möglichkeit der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG Gebrauch. Für das danach wieder eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass aus seiner Sicht Zweifel daran bestehen, ob der Kläger, der nach dem Verzicht auf die Approbation Ende Dezember 2004 seinen Antrag auf die Feststellung beschränkt hat, der Bescheid des Beklagten über die Beendigung der Zulassung zum sei rechtswidrig, das für die Fortführung des Rechtsstreits erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) besitzt.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse könnte hier nur unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen im Hinblick auf eine (mögliche) Kollision der Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit europäischen Rechtsvorschriften gegeben sein. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann sich allerdings nicht daraus ergeben, dass die Krankenkassen gegen ihn Regressansprüche geltend machen, weil er nach der Beendigung seiner Tätigkeit vertragsärztliche Verordnungen ausgestellt hat, die von den betroffenen Patienten eingelöst worden sind. Nach der einer Auslegung nicht zugänglichen Bestimmung des § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V hat die vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers mit dem geendet. Er hat dies selbst so gesehen und konsequenterweise im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Entscheidung erstrebt, wonach er bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vertragsärztlich tätig sein kann. Nachdem dieses Verfahren für ihn ohne Erfolg geendet hat, steht fest, dass der Kläger nicht mehr vertragsärztlich hat tätig sein dürfen. Er hätte deshalb vertragsärztliche Verordnungen allein wegen des Fehlens des vertragsärztlichen Status nicht ausstellen dürfen und muss den dadurch den Krankenkassen entstandenen Schaden ggf ersetzen.

Unter dem Gesichtspunkt des Fortsetzungsfeststellungsinteresses wird das LSG daher zu erwägen haben, ob der Kläger tatsächlich für die Zeit vom bis zum mit gewisser Aussicht auf Erfolg Amtshaftungsansprüche geltend machen kann. Für diesen Zeitraum war - wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Senat selbst ausgeführt hat - die Bundesrepublik Deutschland noch nicht verpflichtet, die Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom zur Vermeidung von Diskriminierung wegen Alters in nationales Recht umzusetzen, weil sie sich insoweit eine Verlängerungsfrist von drei Jahren ausbedungen hatte (, juris; Verfassungsbeschwerde hiergegen nicht zur Entscheidung angenommen, s BVerfG <Kammer>, Beschluss vom , 1 BvR 1957/05). Hinzukommt, dass der Kläger auf seine Approbation im Zusammenhang mit schwerwiegenden strafrechtlichen Vorwürfen gegen seine ärztliche Tätigkeit (Vergabe von Methadon) verzichtet hat, sodass es unwahrscheinlich erscheint, dass er bis Ende 2004 tatsächlich hätte vertragsärztlich tätig sein können. Wenn sich nach dazu ggf noch zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sollte, dass dem Kläger wegen gröblicher Pflichtverletzungen die Zulassung schon in den Jahren 2002 oder 2003 hätte entzogen werden können (§ 95 Abs 6 SGB V), ist die Annahme fernliegend, der Kläger könne mit gewisser Aussicht auf Erfolg Amtshaftungsansprüche wegen der Beendigung der Zulassung zum 30. September 2002 nach Erreichen der Altersgrenze geltend machen. Das würde ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ausschließen.

Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
HFR 2008 S. 179 Nr. 2
NJW 2007 S. 2717 Nr. 37
PAAAC-35011