Leitsatz
[1] a) Die Anfechtung einer Abtretung nach §§ 129 ff InsO führt nicht zur Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts; vielmehr entsteht ein Rückgewähranspruch in Form eines schuldrechtlichen Verschaffungsanspruchs.
b) Der Zessionar einer nach §§ 129 ff InsO angefochtenen Abtretung bleibt so lange aktivlegitimiert, bis der Anspruch an den Insolvenzverwalter zurückabgetreten ist oder infolge Verurteilung des Zessionars als zurückabgetreten gilt.
Gesetze: InsO § 143 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: LG Stendal 31 O 15/04 vom OLG Naumburg 4 U 61/04 vom
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgeleitetem Recht auf Zahlung von 35.000 € Restwerklohn in Anspruch.
Die Beklagte beauftragte im Jahr 2001 die Metallverarbeitung S. (im Folgenden: S) mit der Errichtung einer Produktionshalle. Die S schaltete als Subunternehmerin für die Durchführung der Dacharbeiten die Dach- und Fassadenbau S. GmbH (im Folgenden: AS) ein. Diese wiederum war geschäftlich mit der Klägerin verbunden. Über das Vermögen der S wurde auf Eigenantrag vom das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am erteilte die AS der S die unwiderrufliche Anweisung, Zahlungen aus dem Bauvorhaben ausschließlich an die Klägerin zu leisten, was von der S bestätigt wurde. Die Beklagte behielt wegen Baumängeln, unter anderem am Dach, 46.000 € ein. In einer Aktennotiz vom hielten die Beklagte und die S fest, dass die AS nach erfolgter Mängelbeseitigung direkt von der Beklagten eine gemeinsam festzulegende Vergütung erhalten solle. Am fand ein Ortstermin statt, an welchem außer der Klägerin alle Beteiligten teilnahmen. Laut Protokoll wurde unter anderem Folgendes vereinbart:
"Teilabtretung der Forderung S an AS/Dachdeckereinkauf (Klägerin) in Höhe von 35.000 € (ca. 50 % des Einbehalts). Die Zahlung erfolgt dann vom Bauherrn direkt entsprechend der Abtretungsvereinbarung."
Am 5./ trat die S unter Bezugnahme auf die Vereinbarung beim Ortstermin ihre Ansprüche gegen die Beklagte in Höhe von 35.000 € an die Klägerin ab, die diese Abtretung annahm. Der Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der S erklärte mit Schreiben vom , er fechte diese Abtretungsvereinbarung nach den Vorschriften der Insolvenzordnung an.
Das Landgericht hat die Zahlungsklage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.
Gründe
Die zulässige Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht meint im Anschluss an das Landgericht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien hätten keine vertraglichen Beziehungen bestanden. Die Klägerin habe weder durch Schuldbeitritt oder Schuldübernahme noch durch Abtretung Rechte gegen die Beklagte erworben. Aus der Aktennotiz vom , in der die Klägerin nicht angesprochen sei, habe sie keine Rechte erwerben können. An der Besprechung vom sei die Klägerin nicht beteiligt gewesen. Das Protokoll könne nicht als Abtretung zu ihren Gunsten angesehen werden. Jedenfalls sei eine Abtretung zugunsten eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten nicht möglich.
Mit der Vereinbarung vom 5./ habe die S zwar ihre Forderung gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten und diese habe die Abtretung angenommen. Der Insolvenzverwalter habe die Abtretung jedoch wirksam gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1, §§ 139, 140 InsO angefochten, weshalb die Abtretung gemäß § 134 BGB unwirksam sei.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin aufgrund der Abtretung vom 5./ aktivlegitimiert.
Die Anfechtung nach §§ 129 ff InsO führt gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts; vielmehr entsteht ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch. Solange die Forderung nicht zurückübertragen ist, bleibt der Anfechtungsgegner Inhaber der Forderung und ist aktivlegitimiert, sie im streitigen Verfahren durchzusetzen.
1. Die Abtretung vom 5./, die in Vollzug der Vereinbarung vom durch Vertrag zwischen der Klägerin und der S vorgenommen wurde, ist wirksam, § 398 BGB.
2. Die von den Vorgerichten angenommene Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO führt nicht gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abtretung. Deshalb kann dahinstehen, ob die Anfechtung durchgreift.
a) § 134 BGB kommt grundsätzlich nicht neben §§ 129 ff InsO zur Anwendung, es sei denn, es liegen über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände vor (, WM 1993, 1106, 1107 zum Anfechtungsgesetz; v. - IX ZR 258/01, WM 2005, 1037, 1038; MünchKomm-InsO/Kirchhof, vor §§ 129 ff Rn. 45). Derartiges ist hier weder behauptet noch festgestellt.
b) Die Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung ergeben sich aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO. Danach muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Dieser Rückgewähranspruch ist ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch.
Nach dem Wortlaut von § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Anfechtungsanspruch wie zuvor der Anspruch nach § 37 KO als obligatorischer Rückgewähranspruch ausgestaltet. Wie der Vergleich mit den Vorschriften des § 81 Abs. 1 Satz 1, des § 88 und des § 91 Abs. 1 InsO zeigt, bringt der Wortlaut des § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die angefochtene Handlung weder absolut noch relativ unwirksam ist. Auf Formulierungen, aus denen nach der Konkursordnung dingliche Wirkungen der Anfechtung abgeleitet werden konnten, hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet. So ist aus diesem Grund die Formulierung des § 29 KO nicht übernommen worden, wonach anfechtbare Rechtshandlungen als "den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam" angefochten werden konnten (Amtliche Begründung zu § 144 RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 157). Nach der amtlichen Begründung zu § 88 InsO liegt ein Gegensatz zu den Rechtswirkungen der Rückschlagsperre bei der Insolvenzanfechtung gerade darin, dass für letztere eine "Unwirksamkeit ipso iure ... nicht vorgesehen ist" (Amtliche Begründung zu § 99 RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 137).
Die schuldrechtliche Ausgestaltung der Wirkungen der Anfechtung nach der Konkursordnung ist durch die Insolvenzordnung noch verstärkt worden. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO bezeichnet, wie § 37 Abs. 1 Satz 1 KO, eine Rückgewährpflicht als Rechtsfolge der erfolgreichen Anfechtung. Der Anfechtungs-"Anspruch" verjährt nach Maßgabe des § 146 InsO (MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO Rn. 35). Auf den Anspruch finden gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO die Vorschriften über die Rechtsfolgen der ungerechtfertigten Bereicherung Anwendung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist. Ein sich gemäß § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB ergebender Wertersatzanspruch ist eine gewöhnliche Geldforderung (BGHZ 155, 199, 202 f).
Auch wenn der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung in § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Bezug auf die Aufrechnung nunmehr unmittelbare rechtsgestaltende Wirkung zukommt, bleibt es im Übrigen bei dem schuldrechtlichen Charakter des Rückgewähranspruchs nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO (MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO Rn. 38).
c) Solange die Forderung nicht zurückübertragen worden ist, bleibt damit der Anfechtungsgegner Inhaber der Forderung (zum Anfechtungsgesetz und zur Konkursordnung vgl. BGHZ 100, 36, 42; 106, 127, 129; zur InsO: HK-InsO/Kreft, aaO § 143 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 143 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte, 12. Aufl. § 143 Rn. 10; Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 143 Rn. 14; FK-InsO/Dauernheim, 4. Aufl. § 143 Rn. 6; Nerlich/Römermann, InsO § 143 Rn. 36; a.A. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. § 37 Rn. 24, 41).
Da die Klägerin weder die Forderung freiwillig zurückabgetreten hat noch vom Insolvenzverwalter auf Rückabwicklung verklagt worden ist und folglich ein entsprechendes Urteil mit den Wirkungen des § 894 ZPO nicht vorliegt, ist die Klägerin aktivlegitimiert. Darüber herrscht zwischen den Parteien im Revisionsverfahren im Übrigen kein Streit mehr.
d) Sofern die Klägerin infolge der Anfechtung verpflichtet ist, die Forderung an den Insolvenzverwalter zurückabzutreten, wird sie allerdings nach wirksamer Erfüllung durch die Beklagte auch verpflichtet sein, dem Verwalter gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB Wertersatz zu leisten (HK-InsO/Kreft, aaO § 143 Rn. 20; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 143 Rn. 36, 73, 90). Hieraus ergibt sich aber - auch nach Treu und Glauben - nichts, was die Klägerin als Forderungsinhaberin hindern könnte, die Forderung gegen die Beklagte durchzusetzen. Was die Klägerin an den Insolvenzverwalter herauszugeben hat, ist allein im Verhältnis zu diesem zu klären.
Das die Abweisung der Klage durch das Landgericht bestätigende Berufungsurteil kann danach nicht aufrechterhalten werden.
III.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit geprüft werden kann, ob die Forderung der Klägerin berechtigt ist. Die Beklagte hat nicht nur die Aktivlegitimation bestritten, sondern der Forderung auch Mängel der Werkleistung der Insolvenzschuldnerin entgegengehalten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DNotZ 2007 S. 210 Nr. 3
NJW-RR 2007 S. 121 Nr. 2
WM 2006 S. 2184 Nr. 46
ZIP 2006 S. 2176 Nr. 47
JAAAC-27393
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja