BFH Urteil v. - IX R 40/05

Mietverträge zwischen nahen Angehörigen

Leitsatz

Verträge zwischen nahen Angehörigen sind der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten; nicht jede Abweichung vom Üblichen schließt notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Voraussetzung ist aber stets, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt worden sind. Ist ein Vertrag steuerrechtlich nicht anzuerkennen, entfaltet eine später geschlossene Zusatzvereinbarung steuerrechtlich auch dann keine Rückwirkung, wenn diese nur von kurzer Dauer und ohne steuerrechtliche Auswirkungen ist.

Gesetze: EigZulG § 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloss am 16. Dezember des Streitjahres 2002 mit ihrem Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einen notariellen Vertrag zur Übertragung einer Eigentumswohnung im Werte von 52 600 €. Die Wohnung wurde am gleichen Tage übergeben; zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch der Lastenübergang. Die Klägerin, die die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzte, übernahm nach den Regelungen im notariellen Vertrag ab dem Zeitpunkt der Übergabe eine auf der Eigentumswohnung lastende Grundschuld. Ihr Vater war jedoch im Innenverhältnis verpflichtet, die der Grundschuld zugrunde liegende Forderung zu erfüllen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zahlte die Klägerin ab Dezember des Streitjahres an ihren Vater 270 € in bar als Entgelt für die Übertragung der Eigentumswohnung.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Eigenheimzulage lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) im Mai 2003 mit dem Hinweis ab, nach dem Wortlaut des Notarvertrages vom sei die Eigentumsübertragung nicht entgeltlich erfolgt.

Im Verlaufe des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens änderten die Klägerin und ihr Vater in einer am notariell beurkundeten Zusatzvereinbarung den Notarvertrag vom dahin ab, dass die Klägerin gegenüber der Darlehensgläubigerin hinsichtlich der 52 600 € die Rückzahlungsverpflichtung übernehme und das Darlehen anteilig tilge. Dies sei —abweichend vom beurkundeten Wortlaut des ursprünglichen Vertrages— von Beginn an so vereinbart gewesen.

Das FA gewährte die Eigenheimzulage für die Jahre 2003 bis 2009, versagte sie aber für das Streitjahr. Die notarielle Vereinbarung vom wirke steuerrechtlich nicht zurück.

Der Klage der Klägerin gab das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 398 veröffentlichten Urteil statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Unrecht für das Streitjahr Eigenheimzulage gewährt.

1. Nach § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes hat ein Steuerpflichtiger Anspruch auf Eigenheimzulage für die entgeltliche Anschaffung einer Eigentumswohnung. Das Entgelt kann auch in der Übernahme einer Schuld des veräußernden Angehörigen bestehen, die der Erwerber tatsächlich begleicht (z.B. , BFH/NV 2006, 31). Eine solche entgeltliche Anschaffung liegt im Streitfall bezogen auf das Streitjahr nicht vor. Die vom FG getroffenen Feststellungen lassen nicht den von ihm gezogenen Schluss zu, die Klägerin habe die Eigentumswohnung im Streitjahr aufgrund einer steuerrechtlich anzuerkennenden Vereinbarung entgeltlich erworben.

2. Verträge zwischen nahen Angehörigen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten; nicht jede Abweichung vom Üblichen schließt notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Voraussetzung ist aber stets, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt worden sind (vgl. zu Mietverträgen , BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom IX R 26/01, BFH/NV 2004, 1378; zu Kaufverträgen , BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243). Hieran fehlt es im Streitfall.

a) Das FG hat zu Unrecht die im Oktober 2003 geschlossene Zusatzvereinbarung im Streitjahr berücksichtigt. Ein Sachverhalt kann nicht mit steuerrechtlicher Wirkung rückwirkend gestaltet werden (vgl. § 38 der AbgabenordnungAO 1977—; s. dazu z.B. , BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208). Eine Rückwirkung ist auch nicht —wie die Klägerin meint— ausnahmsweise zulässig, weil sie nur von kurzer Dauer und ohne steuerrechtliche Auswirkungen sei (s. dazu z.B. , BFH/NV 1993, 586, m.w.N.). Das FA hat in der Einspruchsentscheidung vom die Eigenheimzulage ohne Berücksichtigung des Streitjahres unter Zugrundelegung eines im Streitjahr beginnenden und im Jahre 2009 endenden Förderzeitraums festgesetzt.

b) Der Senat kann offen lassen, ob die vom FG festgestellte Zahlung von monatlich 270 € ab Dezember 2002 durch die Klägerin an ihren Vater auf einer im Streitjahr bürgerlich-rechtlich wirksam getroffenen Vereinbarung beruht. Diese ist zumindest steuerrechtlich nicht anzuerkennen, weil sie dem Fremdvergleich nicht standhält. Sie betrifft eine Hauptpflicht (die Gegenleistung der Klägerin für den Erwerb der Wohnung) und muss deshalb klar und eindeutig vereinbart sein. Dies ist zu verneinen. Im Übertragungsvertrag vom haben die Klägerin und ihr Vater den Übergang der Eigentumswohnung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und die Freistellung der Klägerin von der übernommenen Verbindlichkeit, d.h. eine Übertragung ohne Gegenleistung vereinbart. Mit der von ihr geltend gemachten abweichenden (mündlichen) Vereinbarung neben dem Notarvertrag macht sie genau das Gegenteil geltend, nämlich für den Erwerb der Eigentumswohnung eine Gegenleistung vereinbart zu haben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2236 Nr. 12
HFR 2007 S. 208 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2007 S. 3
GAAAC-18578