BFH Beschluss v. - VIII B 249/03

Verfahrensmangel bei Abweisung der Klage als unzulässig; Untätigkeitsklage mit dem Ziel, das Finanzamt zu einem Tätigwerden zu verpflichten

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 46

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erließ gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) u.a. Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1996.

Da das FA nach Ansicht des Klägers ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist über den Einspruch gegen diese Bescheide entschied, erhob der Kläger „Untätigkeitsklage” und kündigte an, in der mündlichen Verhandlung u.a. die Aufhebung dieser Bescheide zu beantragen, soweit Festsetzungen auf dem Ansatz bestimmter gewerblicher Gewinne und von Einkünften aus Kapitalvermögen beruhten. Zur Begründung führte er aus, er begehre nach § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom FA eine Einspruchsentscheidung. Die Sache sei entscheidungsreif. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig.

Bezüglich der Einkommensteuer 1990 bis 1992 erging am eine teilweise stattgebende Einspruchsentscheidung. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom die Untätigkeitsklage wegen der Einkommensteuerbescheide 1990 bis 1992 für erledigt. Gleichzeitig kündigte er an, gegen die Einkommensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung nunmehr separat Klage zu erheben. Auf den Hinweis des Gerichts, eine solche Klage sei unzulässig, vielmehr werde das anhängige Klageverfahren fortgesetzt, erwiderte der Kläger mit Schreiben vom Folgendes: Seine Klage sei von Anfang an lediglich auf ein Tätigwerden der Finanzbehörde gerichtet gewesen. Er habe hingegen keine Anfechtungsklage gegen die Steuerbescheide selbst unter den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO erhoben. Nachdem das FA das Verfahren wegen Einkommensteuer 1990, 1991 sowie 1992 für erledigt erklärte, schloss sich der Kläger dieser Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom ausdrücklich an. Nach vorheriger Abtrennung der Streitjahre 1990 bis 1992 erging daraufhin ein Kostenfestsetzungsbeschluss.

Mit Einspruchsentscheidung vom entschied das FA über die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1996. Daraufhin erklärte der Kläger im Schreiben vom die Untätigkeitsklage bezüglich der Einkommensteuer 1993 bis 1996 für erledigt; das FA schloss sich der Erledigungserklärung an. Mit gleichem Schriftsatz vom erhob der Kläger Klage, mit dem Antrag, die Einkommensteuerbescheide für 1993 bis 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1996 dahin zu ändern, dass keine Kapitaleinkünfte angesetzt werden.

Das Finanzgericht (FG) wies diese Klage als unzulässig ab und führte zur Begründung aus, der ursprüngliche Rechtsstreit (Untätigkeitsklage) sei hinsichtlich der Einkommensteuer 1993 bis 1996 infolge übereinstimmender Erledigungserklärungen beendet. Die angefochtenen Bescheide seien dadurch bestandskräftig geworden. Für eine erneute Klage fehle es insoweit am erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision vertritt der Kläger die Ansicht, das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Mit der Untätigkeitsklage habe er lediglich eine Verpflichtung des FA zum Tätigwerden angestrebt, aber nicht die Einkommensteuerbescheide angefochten. Dies habe er mit dem Schriftsatz vom verdeutlicht. Das für die Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sei daher gegeben.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des nicht entscheidungsreifen Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO). Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Dies ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, auf dem die Vorentscheidung beruht (Beschlüsse des Bundsfinanzhofs —BFH— vom IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042; vom VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, jeweils m.w.N.).

1. Die Klage wurde rechtzeitig erhoben. Die in § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmte Monatsfrist für die Erhebung der Anfechtungsklage begann aufgrund der Einspruchsentscheidung vom nicht zu laufen, da es an der vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung fehlte (§ 55 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO war bei der Klageerhebung noch nicht abgelaufen, so dass es auf die in dieser Vorschrift bestimmten Ausnahmen von der Jahresfrist nicht ankommt.

2. Für die Klage fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom wurden aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Verfahren wegen der Untätigkeitsklage nicht bestandskräftig. Sie waren bei Ergehen dieser Einspruchsentscheidung und bei Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Die Beendigung dieses Verfahrens ließ die Anfechtbarkeit der Bescheide somit unberührt.

Der Senat nimmt insoweit wegen der Begründung Bezug auf den zwischen denselben Beteiligten ergangenen (BFH/NV 2005, 237).

Fundstelle(n):
NAAAC-18006