Leitsatz
Die Befähigungsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV sind auch dann im bisherigen Bundesgebiet erworben worden, wenn die im bisherigen Bundesgebiet absolvierten Teile der Ausbildung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmachen.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; 2. BesÜV § 4
Instanzenzug: VG Schwerin VG 1 A 863/96 vom OVG Greifswald OVG 2 L 232/99 vom Fachpresse: nein BVerwGE: nein
Gründe
I
Die Klägerin wurde mit Wirkung vom unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Finanzanwärterin des Landes Mecklenburg-Vorpommern ernannt. Die Ausbildung im Rahmen des dreijährigen Vorbereitungsdienstes absolvierte sie in Schleswig-Holstein. Ab dem war sie aufgrund eines Dienstleistungsauftrags bei dem Finanzamt Wismar in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt. Die Laufbahnprüfung legte sie an der Fachhochschule für Verwaltung, Polizei und Steuerwesen in Altenholz/ Schleswig-Holstein ab, wobei diese den mündlichen Prüfungsteil am in Mecklenburg-Vorpommern durchführte.
Mit Wirkung vom wurde die Klägerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Steuerinspektorin z.A. des Landes Mecklenburg-Vorpommern ernannt. Seitdem erhält sie abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 73 BBesG i.V.m. §§ 1, 2 der 2. BesÜV. Den Antrag, ihr einen ruhegehaltfähigen Zuschuss zu ihren Dienstbezügen gemäß § 4 der 2. BesÜV zu zahlen, lehnte der Beklagte ab.
Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat durch Beschluss der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Zwar sei die Klägerin in Mecklenburg-Vorpommern zur Beamtin auf Widerruf ernannt, sodann aber zur Ableistung des Vorbereitungsdienstes nach Schleswig-Holstein abgeordnet worden. Ob dies aus Gründen fehlender Ausbildungskapazität geschehen sei, spiele für den Anspruch auf den Zuschuss keine Rolle. Entscheidend sei, wo die Ausbildung tatsächlich stattgefunden habe. Dass die Schleswig-Holsteinische Verwaltungsfachhochschule die mündliche Prüfung in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt habe, sei ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Klägerin im Juli 1995 Urlaub durch ihre Stammdienststelle in Mecklenburg-Vorpommern bewilligt worden sei. Auch für die wenigen Wochen, in denen die Klägerin tatsächlich Dienst in Mecklenburg-Vorpommern geleistet habe, könne im Ergebnis nichts anderes gelten. Dabei habe es sich nicht mehr um einen regulären Ausbildungsabschnitt gehandelt.
Gegen diesen Beschluss hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Vertreterin des Bundesinteresses trägt vor, es müsse im Einzelfall entschieden werden, inwieweit Zeiten, die im Rahmen des Erwerbs der Befähigungsvoraussetzungen für die jeweilige Laufbahn im Beitrittsgebiet abgeleistet worden seien, dem Zweck der Zuschussregelung entgegenstünden.
II
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat Anspruch auf den begehrten ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 779) und mit Wirkung ab dem , ergänzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom (BGBl I S. 2186). Zwar ist § 4 durch Art. 1 Nr. 1 der zum in Kraft getretenen Vierten Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung vom (BGBl I S. 2713) geändert und der Zuschuss - nunmehr als Ermessensleistung - an strengere Voraussetzungen gebunden worden. Gemäß § 12 der 2. BesÜV in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 der Vierten Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung ist § 4 allerdings noch in der bis zum geltenden Fassung auf Beamte, Richter und Soldaten weiter anzuwenden, die - wie die Klägerin - bis zu diesem Tage ernannt worden sind.
Gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV in der hier noch maßgeblichen Fassung erhalten Beamte mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 der 2. BesÜV einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen, wenn sie aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden.
Die Klägerin hatte seit ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe zum Anspruch auf Besoldung. Sie stand zwar bereits während ihres Vorbereitungsdienstes in einem Dienstverhältnis zu dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Als Beamtin auf Widerruf erhielt sie jedoch keine Dienstbezüge, sondern sonstige Bezüge (vgl. § 59 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 BBesG). Seit dem gehört die Klägerin zu dem in § 1 und § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV bestimmten Personenkreis und erhält abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 73 BBesG i.V.m. §§ 1, 2 der 2. BesÜV, die gegenwärtig noch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl. - BVerfGE 107, 257 <268 f.> unter Hinweis auf den - BVerfGE 107, 218 ff.; Kammerbeschluss vom - 2 BvR 1883/99 - ZBR 2004, 100; BVerwG 2 C 27.95 - BVerwGE 101, 116 <120 ff.> und vom - BVerwG 2 C 24.98 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3 S. 6).
Den Begriff "Befähigungsvoraussetzungen" definieren weder die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung noch sonstige besoldungsrechtliche Vorschriften. Er entstammt dem Laufbahnrecht und umfasst sämtliche Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, die die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben der jeweiligen Laufbahn vermitteln (vgl. Urteile vom a.a.O. S. 118, vom - BVerwG 2 C 5.00 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 8 S. 17, vom - BVerwG 2 C 69.03 - ZBR 2005, 39, vom - BVerwG 2 C 70.03 - LKV 2005, 68). Allerdings gehören nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts allgemeine Schul- und Bildungsabschlüsse aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu der geforderten dienstrechtlichen Vorbildung, weil die fachliche Qualifikation, auf die es insofern maßgeblich ankomme, regelmäßig durch den Vorbereitungsdienst und - soweit vorgeschrieben - die Laufbahnprüfung erworben werde (vgl. a.a.O. S. 272, Kammerbeschlüsse vom a.a.O. und vom - 2 BvR 538/00 - ZBR 2004, 169, 171). Dadurch werden dem Anwendungsbereich des § 4 der 2. BesÜV auch Beamte zugeordnet, die ihre Kindheit und Jugend bis zum Abitur im Beitrittsgebiet verbracht haben und sich nur vorübergehend und unter Beibehaltung ihres Lebensmittelpunktes im Beitrittsgebiet zur Ausbildung in das bisherige Bundesgebiet begeben haben. Der Senat ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt.
Davon ausgehend werden die Befähigungsvoraussetzungen für den gehobenen Dienst gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1, 3 BRRG durch den Vorbereitungsdienst erworben, der mit der Laufbahnprüfung abschließt. Entsprechende landesrechtliche Regelungen enthalten § 23 Abs. 1 Nr. 3, § 17 LBG M-V i.V.m. § 25 Abs. 1, 4 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamten des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom (GVOBl M-V 1994, 861). Ob diese Befähigungsvoraussetzungen "im bisherigen Bundesgebiet" erlangt worden sind, ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich ortsbezogen zu beurteilen. Es kommt maßgeblich darauf an, ob der Beamte, Richter oder Soldat die als Befähigungsvoraussetzungen bestimmten Ausbildungen und Prüfungen an einem Ort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Grenzen der in Art. 3 EV genannten Länder und Landesteile oder im Ausland absolviert hat. Denn § 4 der 2. BesÜV enthält sich jeglicher Bewertung der Qualität von Ausbildung, von Vorbildungs- und Ausbildungsabschlüssen sowie der Eignung, Leistung und fachlichen Befähigung des begünstigten Personenkreises. Die Gleichwertigkeit der Vor- und Ausbildungen im bisherigen Bundesgebiet und dem Beitrittsgebiet wird vielmehr ohne weiteres vorausgesetzt (vgl. z.B. §§ 13 ff., 122 BRRG).
Nicht entscheidend ist hingegen die dienstrechtliche Verbindung eines Bediensteten zu einer Behörde oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit (vgl. dazu im Einzelnen Urteil vom a.a.O.). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin ihren Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung statusrechtlich als Beamtin auf Widerruf des Landes Mecklenburg-Vorpommern absolviert hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Klägerin vor Beginn des Vorbereitungsdienstes ihren Hauptwohnsitz im bisherigen Bundesgebiet begründet hatte. § 4 der 2. BesÜV stellt nicht auf den früheren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt ab. Im Übrigen wird der Lebensmittelpunkt in aller Regel im Beitrittsgebiet gelegen haben, wenn dort die allgemeine Schulausbildung abgeschlossen worden ist.
§ 4 der 2. BesÜV enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass die Befähigungsvoraussetzungen sowohl im bisherigen Bundesgebiet als auch im Beitrittsgebiet erworben werden. Namentlich dem Wortlaut lässt sich hierfür nichts entnehmen.
Die Befähigungsvoraussetzungen müssen auch dann als im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworben gelten, wenn der dort durchgeführte Teil der fachspezifischen Ausbildung und der Abschlussprüfung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmacht. Unter dieser Voraussetzung ist die örtliche Zuordnung der Ausbildung zu dem bisherigen Bundesgebiet von einem solchen Gewicht, dass ihr aus Gründen der Gleichbehandlung Rechnung getragen werden muss. Vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wäre es nicht zu rechtfertigen, dass diejenigen, die die Befähigungsvoraussetzungen gänzlich im ehemaligen Bundesgebiet erworben haben, in den Genuss des Zuschusses gelangen, während diejenigen, die Ausbildungs- oder Prüfungsteile von nachrangigem Gewicht im Beitrittsgebiet abgelegt haben, davon ausgeschlossen sind.
Danach erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 4 der 2. BesÜV, weil sie ihre Fachausbildung ganz überwiegend im bisherigen Bundesgebiet durchlaufen hat. Das Verwaltungsgericht hat bindend (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass die Klägerin sämtliche Ausbildungsabschnitte während des Vorbereitungsdienstes (vgl. §§ 17 ff. Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamten <StBAPO> vom <BGBl I S. 1353>, geändert durch die Verordnung vom <BGBl I S. 1024>) in Schleswig-Holstein absolviert hat. Demgegenüber ist von nur untergeordneter Bedeutung, dass die Klägerin wenige Wochen vor der mündlichen Prüfung Dienst in Mecklenburg-Vorpommern geleistet hat. Deshalb ist es unerheblich, ob es sich dabei um einen Teil des Vorbereitungsdienstes handelte, der dem Erwerb einer Befähigungsvoraussetzung diente. Auch dem Umstand, dass die Verwaltungsfachhochschule des Landes Schleswig-Holstein die mündliche Prüfung in Mecklenburg-Vorpommern abgenommen hat, kommt nicht das Gewicht zu, die Laufbahnprüfung geografisch insgesamt dem Beitrittsgebiet zuzuordnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 6 350 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG; zweifacher Jahresbetrag des geltend gemachten Zuschusses).
Fundstelle(n):
XAAAC-15911