Leitsatz
[1] Eine vom Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag aufgestellte Klausel, nach welcher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss, ist unwirksam. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen.
Gesetze: BGB § 138; BGB § 242; BGB § 305; BGB § 306; BGB § 307; BGB § 310 Abs. 4; EGBGB Art. 229§ 5; GG Art. 12 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: ArbG Freiburg 9 Ca 680/03 vom LAG Baden-Württemberg (Freiburg) 22 Sa 91/04 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Ausbildungskosten.
Der Beklagte, ein gelernter Maschinenbautechniker, war bei der Klägerin vom bis zum beschäftigt. In einem schriftlichen Arbeitsvertrag vom hatten die Parteien ua. vereinbart:
"2 Aufgaben
2.1 Der Mitarbeiter wird bis zur Anerkennung als amtlich anerkannter Sachverständiger mit Teilbefugnissen für den Kraftfahrzeugverkehr mit Arbeiten entsprechend der Vorbildung betraut.
Nach Abschluß der Ausbildung und Anerkennung wird der Mitarbeiter als amtlich anerkannter Sachverständiger mit Teilbefugnissen für den Kraftfahrzeugverkehr nach dem Gesetz über amtlich anerkannte Sachverständige und amtlich anerkannte Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr (KfSachvG) vom in der jeweils gültigen Fassung eingesetzt. Die Aufgaben erstrecken sich darüber hinaus auf Arbeiten, die von den zuständigen Vorgesetzten zugewiesen werden.
...
10.3 Im Falle der vertragswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Mitarbeiter ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ist die T GmbH berechtigt, ohne Nachweis eines Schadens eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehaltes geltend zu machen. Weitergehende Schadensersatzansprüche werden hierdurch nicht ausgeschlossen.
Wird das Arbeitsverhältnis vor Abschluß der Ausbildung aus Gründen, die der Mitarbeiter zu vertreten hat, beendet, sind die gesamten bisher entstandenen Ausbildungskosten zurückzuzahlen.
10.4 Die voraussichtlichen Ausbildungskosten werden ca. DM 15.000 betragen. Sie gelten für die Dauer von zwei Jahren ab dem Ausbildungsende als Vorschuß. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf dieser Zeit beendet, verpflichtet sich der Mitarbeiter, den Betrag, der nach abgeschlossener Ausbildung genau ermittelt und dem Mitarbeiter gesondert mitgeteilt wird, anteilig an die T GmbH zurückzuzahlen. Dabei wird für jeden Monat 1/24 verrechnet."
In den Jahren 2001 und 2002 nahm der Beklagte an verschiedenen Bildungsmaßnahmen für die Ausbildung zum amtlich anerkannten Sachverständigen mit Teilbefugnissen für den Kraftfahrzeugverkehr teil. Ua. besuchte er im Zeitraum vom bis zum eine Veranstaltung der T -Akademie GmbH.
Nachdem der Beklagte zunächst die Prüfung im März 2002 nicht bestanden hatte, schloss er am die Ausbildung zum amtlich anerkannten Sachverständigen mit Teilbefugnissen für den Kraftfahrzeugverkehr nach einer Wiederholungsprüfung erfolgreich ab. Daraufhin stieg er in eine höhere Vergütungsgruppe auf.
Mit Schreiben vom kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum wegen "erheblicher Vertragsverletzungen" durch die Klägerin.
Am machte die Klägerin schriftlich gemäß Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages eine anteilige Rückzahlung von Ausbildungskosten in Höhe von 8.526,44 Euro geltend. Dieser Betrag machte 13/24 der von der Klägerin in diesem Schreiben mit 15.741,12 Euro bezifferten Gesamtkosten aus.
Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hatte die Klägerin zunächst Rückzahlung von Ausbildungskosten in Höhe von 8.526,44 Euro nebst Zinsen begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe einen arbeitsvertraglichen Rückzahlungsanspruch. Die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung habe sie nicht durch vertragswidriges Verhalten veranlasst. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätte der Beklagte vor Ausspruch seiner Kündigung eine Abmahnung aussprechen müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 4.154,24 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Im Wege der Anschlussberufung hat die Klägerin zuletzt beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.028,93 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat sich darauf berufen, er sei durch die arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel, in der die voraussichtlichen Ausbildungskosten mit ca. 15.000,00 DM angegeben seien, über den tatsächlichen Umfang des Rückzahlungsanspruches getäuscht worden. Seine Eigenkündigung sei zudem durch die Klägerin veranlasst worden, da er gemobbt worden sei. Sein Arzt habe ihm dringend geraten, sein Arbeitsverhältnis kurzfristig zu lösen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Gründe
A. Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung von Ausbildungskosten zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Rückzahlungsklausel in Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages sei wegen unangemessener Benachteiligung des Beklagten nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine Rückzahlungsklausel stelle nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn der Arbeitnehmer es in der Hand habe, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Da die Klausel eine Rückzahlungspflicht unabhängig davon vorsehe, aus welchen Gründen das Arbeitsverhältnis beendet werde, sei die Klausel unwirksam. Sie entfalle ersatzlos. Es komme weder eine geltungserhaltende Reduktion noch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
11. Die Rückzahlungsvereinbarung in Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages ist wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten unwirksam, § 307 BGB.
1. Die §§ 305 ff. BGB finden seit dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom gelten auch für Arbeitsverträge, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Dies gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für Dauerschuldverhältnisse wie Arbeitsverhältnisse mit der Maßgabe, dass sie vom an dem neuen Recht unterfallen. Damit hat Art. 229 § 5 EGBGB den Arbeitgebern eine Schutzfrist zur Umstellung ihrer vorformulierten Arbeitsverträge bis zum gewährt (vgl. - AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der im Jahre 2000 abgeschlossene Arbeitsvertrag mit der beanstandeten Rückzahlungsklausel unterfiel deshalb bis zum dem im Zeitpunkt des Vertragschlusses geltenden Recht und war zunächst am Maßstab des § 242 BGB zu überprüfen (vgl. dazu - BAGE 111, 157). Seit dem muss er einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhalten.
2. Die im Arbeitsvertrag getroffene Rückzahlungsvereinbarung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Vertragsbedingungen des mit dem Beklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrages von der Klägerin vorformuliert waren und standardmäßig für eine Vielzahl von Arbeitnehmern Verwendung fanden.
3. Da bereits nach der unter Geltung der Bereichsausnahme (§ 23 Abs. 1 AGBG) ergangenen Rechtsprechung diese vorformulierte Klausel als unwirksam anzusehen war, kann die nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB vorgeschriebene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten bei Anwendung der §§ 307 ff. BGB zu keinem anderen Ergebnis führen.
a) Das Bundesarbeitsgericht hat schon nach altem Schuldrecht trotz Geltung der 20 Bereichsausnahme in § 23 Abs. 1 ABGB eine allgemeine richterliche Inhaltskontrolle vorgenommen, um dem grundgesetzlichen Schutzauftrag mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen ( - BAGE 100, 13; Senat - 9 AZR 574/02 - BAGE 107, 256). In Anwendung von §§ 138, 242, 315 BGB sind ua. auch vorformulierte Rückzahlklauseln in Arbeitsverträgen darauf überprüft worden, ob sie den Arbeitnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen ( - BAGE 100, 13, 18).
b) Die von der Klägerin vorformulierte Rückzahlungsklausel ist nach § 307 Abs. 1 21 Satz 1 BGB ebenfalls daran zu messen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des die Klausel verwendenden Arbeitgebers "unangemessen benachteiligt". So ist es hier. Die vom Arbeitgeber aufgestellte Klausel benachteiligt nämlich den Arbeitnehmer unangemessen, weil sie ihm ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungspflicht für entstandene Ausbildungskosten auferlegt. Sie ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
c) Nach ihrem Wortlaut wird jede vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasst. Die Klausel unterscheidet nicht danach, ob der Grund der Beendigung der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzurechnen ist. Auch der Gesamtzusammenhang der Regelung lässt keine andere Auslegung zu. Zwar bestimmt Ziff. 10.3 Satz 3 des Arbeitsvertrages, dass der Arbeitnehmer die gesamten bisher entstandenen Ausbildungskosten zurückzahlen muss, wenn das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Ausbildung aus Gründen beendet wird, die der Mitarbeiter zu vertreten hat. Eine solche Einschränkung enthält die Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Abschluss der Ausbildung jedoch nicht. Nach dieser Vertragsbestimmung soll eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf von zwei Jahren ab dem Ausbildungsende ausgelöst werden, ohne dass es auf den Beendigungsgrund ankommt. Die Zusammenschau dieser beiden Vertragsklauseln zeigt, dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen einer Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Abschluss der Ausbildung anders regeln wollte als für den Fall der Beendigung nach dem Ausbildungsabschluss.
d) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennen der Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (vgl. - BAGE 110, 8).
e) Rückzahlungsabreden für Aus- und Fortbildungskosten benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Nach der vor Geltung der §§ 305 ff. BGB zur allgemeinen Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln ergangenen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, wenn er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig ( - 6 AZR 383/03 - BAGE 111, 157 mwN). Daran ist festzuhalten.
aa) Ausnahmsweise können jedoch derartige Zahlungsverpflichtungen wegen einer 25 übermäßigen Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) unwirksam sein. So muss einerseits eine Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Die für den Arbeitnehmer zumutbaren Bindungen sind auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln ( - BAGE 104, 125 mwN). Das Interesse des Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung finanziert, geht dahin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können ( - BAGE 109, 345). Dieses grundsätzlich berechtigte Interesse gestattet es dem Arbeitgeber, als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen von einem sich vorzeitig abkehrenden Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung ganz oder zeitanteilig zurückzuverlangen. Die berechtigten Belange des Arbeitgebers sind gegen das Interesse des Arbeitnehmers abzuwägen, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit Kosten frei wählen zu können. Die Abwägung hat sich insbesondere daran zu orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (st. Rspr., - BAGE 76, 155).
bb) Die Unangemessenheit der streitgegenständlichen Rückzahlungsklausel ergibt sich hier daraus, dass sie hinsichtlich des die Rückzahlungspflicht auflösenden Tatbestandes zu weit gefasst ist.
Im Rahmen der nach § 307 BGB anzustellenden Interessenabwägung ist auch der die Rückzahlungspflicht auslösende Tatbestand zu berücksichtigen (Thüsing in v. Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke Stand März 2006 Stichwort: Arbeitsverträge Rn. 151). Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an jedes Ausscheiden des Arbeitnehmers zu knüpfen, das innerhalb der in der Klausel vorgesehenen Bleibefrist stattfindet. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens unterschieden werden (vgl. Dorndorf in Däubler/Dorndorf AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht § 307 BGB Rn. 119). Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Verluste auf Grund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Hätte der betriebstreue Arbeitnehmer die in seine Aus- oder Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition seines Arbeitgebers belastet. Sieht eine Arbeitsvertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers vor, berücksichtigt sie nicht wechselseitig die anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner, sondern einseitig nur diejenigen des Arbeitgebers. Damit benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen (vgl. -BAGE 111, 157). Die in Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages enthaltene Rückzahlungsklausel differenziert nicht danach, wessen Verantwortungs- und Risikobereich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist. Der Arbeitnehmer soll auch dann mit den Ausbildungskosten belastet werden, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen darf oder wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen kündigt. In diesen Fällen ist die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Arbeitnehmer zuzurechnen. Er kann die Vertragsbeendigung nicht beeinflussen. Eine sachliche Grundlage für die Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers, die diese als angemessenen Interessenausgleich erscheinen lässt, besteht in solchen Fällen nicht (Thüsing in v. Westphalen aaO). Die Klägerin versucht durch diese Vertragsgestaltung einseitig ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen an einer Absicherung ihrer Investition in die Ausbildung des Beklagten durchzusetzen.
f) Soweit unter Geltung des alten Rechts im Rahmen des § 242 BGB bei weitgefassten Klauseln jeweils geprüft wurde, ob der Arbeitnehmer im konkreten Fall schutzwürdig ist, bleibt hierfür bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB kein Raum. Die unter der Geltung der Bereichsausnahme zum AGBG ergangene Rechtsprechung sah, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Grund zur Kündigung gegeben hatte, das Vertrauen des Arbeitnehmers, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht entgehen zu können, als nicht schutzwürdig an. Dies galt ebenso für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer (vgl. - BAGE 111, 157). Im Gegensatz zu dieser am konkreten Einzelfall ausgerichteten Rechtsprechung beruht jetzt die zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehörende Inhaltskontrolle auf einer typisierenden Betrachtung einer Klausel, die ohne Rücksicht auf individuelle Besonderheiten der Vertragsparteien vorzunehmen ist (Schmidt NZA 2004, 1002).
4. Die Rückzahlungsklausel ist nicht mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, dass der Arbeitnehmer nur bei einem seinem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Beendigungsgrund zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet ist. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Klausel scheidet aus.
Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. § 306 BGB sieht eine solche Rechtsfolge nicht vor. Eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB vereinbar. Es ist Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Verwendungsgegner soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze dessen überschreiten könnte, was er zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise vereinbaren durfte. Würde dies als zulässig angesehen, hätte das zur Folge, dass der Vertragspartner des Verwenders in der Vertragsabwicklungspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert würde. Erst in einem Prozess könnte er dann den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen ( - BGHZ 84, 109; - AP BGB § 307 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen mwN). Anderenfalls liefe das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weitgehend leer ( - aaO).
5. Die Rückzahlungsklausel ist auch nicht lediglich insoweit teilunwirksam als die Rückzahlungsverpflichtung für Gründe aufgestellt ist, die in den Risiko- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen. Die Klausel ist nicht teilbar.
Eine Teilung von Vertragsklauseln in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil kommt nur in Betracht, wenn der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. In einem solchen Falle wird nicht im Wege der Auslegung eine zu weitgehende Klausel so neu gefasst, dass sie für den Verwender möglichst günstig, aber rechtlich gerade noch zulässig ist. Vielmehr wird eine sprachlich und inhaltlich teilbare Klauselfassung vorausgesetzt, die ohne ihre unzulässigen Bestandteile mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten werden kann (vgl. Senat - 9 AZR 502/03 - AP BGB § 781 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen. Die Zerlegung einer ihrem Wortlaut nach eindeutig einheitlichen Regelung in mehrere selbständige Regelungen ist nicht zulässig. In diesem Sinne ist die streitige Rückzahlungsklausel nicht teilbar. Sie enthält keine verschiedenen, nur äußerlich zusammengefassten Regelungen. Vielmehr will sie inhaltlich und sprachlich eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung der Ausbildungskosten für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist begründen.
6. Gesetzliche Vorschriften oder richterrechtliche Rechtsgrundsätze, die nach § 306 Abs. 2 BGB anstelle der unwirksamen Rückzahlungsklausel zur Anwendung kommen und einen Rückzahlungsanspruch begründen könnten, bestehen nicht.
7. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet ebenfalls aus. Durch eine solche würde die Regelung des § 307 BGB unterlaufen.
Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass der Regelungsplan der Parteien infolge der durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel entstandenen Lücke einer Vervollständigung bedarf. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet ( - AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; - 5 AZR 572/04 - AP BGB § 310 Nr. 1). Allerdings rechtfertigt nicht jede Verschiebung der Gewichte zu Lasten des Verwenders die Annahme einer ergänzungsbedürftigen Lücke. Eine ergänzende Vertragsauslegung kann dann in Frage kommen, wenn sich das Festhalten am Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte iSd. § 306 Abs. 3 BGB darstellen würde. Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ist dann zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (vgl. - aaO zur ergänzenden Vertragsauslegung eines gegen § 308 Nr. 4, § 307 BGB verstoßenden unbeschränkten Widerrufsvorbehalts für übertarifliche Lohnbestandteile in einem vor dem geschlossenen Formulararbeitsvertrag).
Es gilt, in Ausrichtung am hypothetischen Parteiwillen und am Maßstab von Treu und Glauben eine lückenausfüllende Ersatzregelung zu finden. Während bei der geltungserhaltenden Reduktion nach der Grenze des am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu beurteilenden "gerade noch Zulässigen" gesucht wird, erstrebt die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten soweit wie möglich gerecht werdenden Ausgleich ( - BGHZ 90, 69). Grundsätzlich sind die Gerichte weder zu einer geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer Klauseln berechtigt noch dazu, durch ergänzende Vertragsauslegung an die Stelle einer unzulässigen Klausel die zulässige Klauselfassung zu setzen, die der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen voraussichtlich gewählt haben würde, wenn ihm die Unzulässigkeit der beanstandeten Klausel bekannt gewesen wäre ( - BGHZ 84, 109; - VIII ZR 269/98 - BGHZ 143, 104).
Eine ergänzende Auslegung der Rückzahlungsklausel dahin gehend, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nur bei einer dem Beklagten zurechenbar veranlassten Vertragsbeendigung anzunehmen ist, würde der Klägerin das Risiko der unzulässig zu weit gefassten Klausel vollständig nehmen und eine Vertragshilfe allein zu ihren Gunsten darstellen. Die Unwirksamkeit der verwendeten Klausel führt nicht zu einer derart krassen Störung des Gleichgewichts, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zugunsten der Klägerin geboten wäre. Es hätte an ihr gelegen, sich gegen dieses Risiko durch eine wirksame einschränkende Fassung der Rückzahlungsklausel abzusichern. Dazu hätte auch besondere Veranlassung bestanden, denn sie selbst hatte in Ziff. 10.3 Satz 3 des Arbeitsvertrages für die Zeit vor Abschluss der Ausbildung die Notwendigkeit der Differenzierung nach dem Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers gesehen. Da in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB allen Arbeitgebern eine einjährige Übergangsfrist bis zum eingeräumt worden war, hätte sie diese Zeit nutzen können, nach anwaltlicher Beratung die für die Zeit nach Abschluss der Ausbildung zu weit gefasste Rückzahlungsklausel auf das nach dem AGBRecht zulässige Maß zurückzuführen. Der Beklagte hätte sich redlicherweise auf ein entsprechendes Änderungsangebot einlassen müssen.
8. Die §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfalle. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich in dem Entscheidungsfall nicht realisiert hat (vgl. - BGHZ 82, 121). Nicht entscheidungserheblich war daher, ob der Beklagte durch vertragswidriges Verhalten der Klägerin zur Kündigung veranlasst worden ist.
III. Da eine Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten dem Grunde nach nicht besteht, brauchte der Senat nicht zu entscheiden, ob die in Ziff. 10.4 des Arbeitsvertrages getroffene Regelung, dass die Ausbildungskosten "für die Dauer von zwei Jahren ab dem Ausbildungsende als Vorschuß" gelten, einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhielte.
B. Die Klägerin hat die Kosten des erfolglosen Revisionsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 2134 Nr. 39
DB 2006 S. 2241 Nr. 41
DStR 2006 S. 806 Nr. 18
NJW 2006 S. 3083 Nr. 42
NWB-Eilnachricht Nr. 17/2006 S. 1399
SJ 2007 S. 43 Nr. 1
ZIP 2006 S. 2333 Nr. 50
PAAAC-15876
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein