Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 613a
Instanzenzug: ArbG Köln 3 Ca 14619/03 vom LAG Köln 8 (5) Sa 25/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten.
Die Beklagte war als Sicherheitsunternehmen vom Bundesministerium des Innern (BMI) beauftragt, die Personen- und Gepäckkontrolle gemäß § 29c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LuftVG aF am Flughafen K vorzunehmen. Im Fluggastkontrolldienst tätige Sicherheitsbeauftragte an Flughäfen müssen einen vierwöchigen Einschulungskurs als Fluggastkontrolleur besuchen und eine entsprechende Prüfung vor dem Bundesgrenzschutz nach § 29c LuftVG aF ablegen, die auch die Zuverlässigkeit umfasst. Dann erhalten sie eine hoheitliche Beleihung zur Ausübung dieser Tätigkeit. Das BMI kündigte den Auftrag zum . Im Rahmen einer öffentlichen Neuausschreibung, an der sich auch die Beklagte und die Streithelferin beteiligten, teilte das BMI der Beklagten mit Schreiben vom mit, dass der Auftrag ab Jahresbeginn 2004 an die Streithelferin vergeben worden sei. Die Streithelferin informierte die Beklagte auf deren Nachfrage, dass sie an der Übernahme von Arbeitnehmern der Beklagten und Betriebsmitteln nicht interessiert sei. Die Beklagte nutzte Röntgengeräte, Handsonden und technische Anlagen, die vom BMI zur Verfügung gestellt waren. Diese Geräte nutzt nunmehr die Streithelferin.
Die Klägerin ist seit dem bei der Beklagten mit einem Bruttogehalt von 1.500,00 Euro monatlich zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 23. Mai/ nebst Zusatzvereinbarung vom 19. September/ als Sicherheitsbeauftragte beschäftigt. Die Klägerin war bei der Beklagten Betriebsratsvorsitzende.
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte allen Arbeitnehmern betriebsbedingt zum . Die Klägerin hat der Auftragsnachfolgerin den Streit verkündet. Diese ist auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.
Die Klägerin hat behauptet, die Streithelferin führe nunmehr die gleichen Fluggastkontrollen durch wie zuvor die Beklagte und beschäftige nunmehr einen wesentlichen Anteil des Personals der Beklagten weiter. Die Arbeitsorganisation habe sich nicht verändert. Sämtliche übernommenen Mitarbeiter wiesen die Qualifikation und Zertifizierung als Sicherheitsbeauftragte nach § 29c LuftVG aF auf. Die Beklagte und die Streithelferin arbeiteten mit zwingend zur Aufgabenwahrnehmung einzusetzenden, festinstallierten bzw. zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln des BMI bzw. des Bundesgrenzschutzes. Es liege daher ein Betriebsübergang vor, die Kündigung der Beklagten sei unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom nicht beendet worden ist.
Die Beklagte und die Streithelferin haben Klageabweisung beantragt. Sie stellen einen Betriebsübergang in Abrede. Die Streithelferin erbringe als Auftragnehmerin eine nicht nur untergeordnete Dienstleistung an fremden Betriebsmitteln in beträchtlichem Umfang. Die Personen- und Gepäckkontrolle sei eine Tätigkeit, bei der es nicht unerheblich auf die menschliche Arbeitskraft ankomme und für die das Wissen und Können der Arbeitnehmer eine erhebliche Bedeutung habe. Die Streithelferin hat behauptet, sie habe keinen wesentlichen Teil der Belegschaft der Beklagten übernommen, sondern sämtliche Mitarbeiter neu eingestellt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgen die Beklagte und die Streithelferin ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
Die Revisionen der Beklagten und der Streithelferin sind unbegründet. Die Kündigung der Beklagten ist unwirksam.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam gehalten, da es an einer Stilllegungsentscheidung der Beklagten gefehlt habe und die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Es sei unerheblich, dass Rechtsbeziehungen nicht zwischen der Beklagten und der Streithelferin, sondern nur vermittelt über das BMI bestünden. Auch sei unerheblich, dass es sich dabei um eine Auftragsvergabe nach Maßgabe der Vergabeordnung des öffentlichen Dienstes handele. Die wesentlichen Kriterien für einen Betriebsübergang seien erfüllt: Die "Kundschaft", die aus den Fluggästen bestehe, sei gleich geblieben. Die Tätigkeit der Streithelferin stimme im Wesentlichen mit der der Beklagten überein, der Kontrollbetrieb sei ohne zeitliche Unterbrechung fortgesetzt worden. Auch seien die Betriebsmittel, die für den Einsatz und die Verrichtung der Tätigkeit erforderlich seien, gleich geblieben. Überdies sei ein wesentlicher Teil der Belegschaft der Beklagten nämlich "mehr als 50 %" bei der Streithelferin weiterbeschäftigt worden. Hierzu gehörten insbesondere auch Mitarbeiter mit einem Zertifikat gemäß § 29c LuftVG aF. Da nur unter Zuhilfenahme der Betriebsmittel die Arbeit verrichtet werden könne, bildeten sie den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs. Insoweit arbeite die Streithelferin mit den Kontrolleinrichtungen am Flughafen und nicht nur an ihnen.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand. Der Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom beendet worden ist, ist begründet.
Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2, 3 KSchG).
Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Berufungsurteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr.; vgl. - BAGE 42, 151, 157 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts stand. Die Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, bedingt.
1. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt ( - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 50 mwN; - 8 AZR 391/03 - BAGE 112, 273, 278 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56). Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehören die Stilllegung des gesamten Betriebs, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber ( - BAGE 109, 40, 42 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128; - 8 AZR 243/95 - AP BGB § 613a Nr. 173 = EzA BGB § 613a Nr. 161). Unter Be-triebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen ( - aaO; - 2 AZR 514/99 - BAGE 97, 10, 13 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 109). Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betriebstillzulegen ( - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140; - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210 mwN). Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt ( - BAGE 86, 20, 25 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149).
Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt allerdings nicht vor, wenn dieser seinen Betrieb veräußert. Die Veräußerung des Betriebs allein ist - wie sich aus der Wertung des § 613a BGB ergibt - keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet ( - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210 mwN). Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich also systematisch aus (vgl. - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geplante Maßnahme sich objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten und der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet ( - aaO mwN; - 8 AZR 264/98 -, zu II 1 b der Gründe).
2. Die Beklagte hat den Betrieb nicht stillgelegt, jener ist vielmehr gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Streithelferin übergegangen.
a) Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des Senats im Anschluss an - [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145; zuletzt - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres] EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41; zB - BAGE 111, 283, 291 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27; - 8 AZR 159/98 - BAGE 91, 121, 126 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177). In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) ebenso wenig keinen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge ( - AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178; - 8 AZR 520/99 -). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (so zuletzt - [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; vgl. auch - BAGE 111, 283, 292 = aaO). Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Auch ist im Fall einer Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Übergangs dieser Mittel vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer ( und C-233/04 -[Güney-Görres] aaO; - NZA 2006, 723, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht ( - aaO). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Entscheidend ist die Übernahme der Organisations- und Leitungsmacht.
b) Im Streitfall ist von einer Übernahme des Betriebs durch die Streithelferin auszugehen. Von den maßgeblichen Umständen hatte die Beklagte Kenntnis, so dass es an einer ernsthaften Stilllegungsabsicht im Zeitpunkt der Kündigung fehlt. Im Streitfall wusste die Beklagte nämlich, dass der Auftrag ohne zeitliche Unterbrechung an die Streithelferin vergeben würde und dass die vom BMI zur Verfügung gestellten sächlichen Betriebsmittel nunmehr von der Streithelferin genutzt werden. Das waren im Streitfall die Umstände, die den Betriebsübergang ausmachten. Jener verwirklichte sich nicht erst im Nachhinein durch Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft. Damit ist die Kündigung ungerechtfertigt und es verbleibt nicht nur ein Wiedereinstellungsanspruch zu den Bedingungen des früheren Arbeitsvertrages (vgl. - BAGE 87, 115, 119 = AP BGB § 613a Nr. 169 = EzA BGB § 613a Nr. 154).
aa) Die Streithelferin hat eine wirtschaftliche Einheit der Beklagten übernommen.
Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass die Art des betreffenden Betriebs gleich geblieben ist. Insbesondere hat sich der Betriebszweck durch einen von der Streithelferin zum zusätzlich übernommenen Auftrag gemäß § 19b LuftVG aF (mit Wirkung vom aufgehoben durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom BGBl. I S. 78) nicht geändert. Die Streithelferin hat vorgetragen, dass dieser - zusätzliche - Auftrag die Kontrolle sämtlicher am Flughafen tätiger Personen umfasst. Damit verbietet sich die Annahme eines neuen Betriebszwecks, denn der kontrollierte Personenkreis ist für die Bestimmung der Art der Tätigkeit grundsätzlich unerheblich, wenn nicht die Kontrolltätigkeit selbst verändert ist. Dabei kann auch dahinstehen, ob Fluggastkontrolleure nach pflichtgemäßem Ermessen schon ohne Erteilung eines ausdrücklichen Auftrags nach § 19b LuftVG aF befugt sind, auch andere Personen zu kontrollieren. Überdies ist davon auszugehen, dass der Umfang des Auftrags bezüglich der Kontrolle der Fluggäste erheblich größer ist als der Auftragsumfang bezüglich der zu kontrollierenden sonstigen Personen, da bei normalem Flugverkehr die Zahl der Fluggäste die der Personen, die sich aus anderen Gründen am Flughafen aufhalten, bei weitem übersteigt.
Die maßgeblichen materiellen Betriebsmittel sind ebenfalls übergegangen.
Unstreitig nutzt die Streithelferin nunmehr die Räume, die die Beklagte zuvor genutzt hat. Dabei ist unerheblich, ob sie die Räume neu anmieten musste. Die Streithelferin nutzt weiterhin die von der Bundesrepublik zur Verfügung gestellten Geräte wie Torbogensonden, Gepäckbänder mit automatischer Röntgensichtung (Gepäckprüfanlagen bzw. Durchleuchtungsgeräte), Handsonden sowie Sprengstoffspürgeräte. Dass die Kontrollgeräte vom BMI zur Verfügung gestellt werden, ist unerheblich. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom (- C-232/04 und C-233/04 - [Güney Görres] EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41) spielt es überdies keine Rolle, ob vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Betriebsmittel eigenwirtschaftlich vom Auftragnehmer genutzt werden können. Der Senat ist diesem Urteil gefolgt ( - NZA 2006, 723, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die genannten sächlichen Betriebsmittel sind auch unverzichtbar, denn ohne sie könnte die Streithelferin die Kontrolltätigkeiten nicht auftragsgemäß verrichten. Ihr Einsatz macht den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs aus. Die Geräte und Anlagen sind darüber hinaus auch und gerade identitätsprägend, wenn sie - wie die Parteien dargelegt haben - auf dem freien Markt nicht erhältlich sind und ihr Gebrauch vom Auftraggeber zwingend vorgeschrieben ist.
Als wesentlicher immaterieller Aktivposten des (Teil-)Betriebs der Beklagten im Zeitpunkt des Übergangs ist der Auftrag mit der Bundesrepublik anzusehen. Zwar ist die reine Auftragsnachfolge nicht als Betriebsübergang anzusehen; im Rahmen der Gesamtschau spielt es jedoch eine Rolle, dass nicht andere immaterielle Aktiva für den Teilbetrieb der Beklagten wesentlich waren.
Die Kundschaft der Beklagten ist auf die Streithelferin übergegangen. Bei Neuvergabe eines Auftrags besteht die "Kundschaft" nämlich in dem Auftraggeber, der identisch bleibt (vgl. - BB 2005, 216). Darüber hinaus ist der Kreis der zu kontrollierenden Personen im Wesentlichen gleich geblieben.
Die Tätigkeiten vor und nach dem Übergang sind ähnlich. Soweit die Streithelferin vorgetragen hat, dass sie mit anderen Schichtplänen arbeite, ist dies nicht erheblich. Die Arbeitszeitmodelle der Beschäftigten, die eine Kontrolle der Fluggäste durchführen, sind für die Identität des Betriebs nicht prägend. Ob eine in sonstiger Weise anders geartete Arbeitsorganisation einem Betriebsübergang entgegenstehen würde, kann dahinstehen, denn eine solche ist weder von der Beklagten noch der Streithelferin vorgetragen worden.
Letztlich kam es zu keiner Unterbrechung der Tätigkeit, denn die Streithelferin hat die Fluggastkontrolle am nahtlos übernommen.
bb) Die Streithelferin hat den Betrieb auch durch Rechtsgeschäft übernommen.
Der Senat hat mit Urteil vom (- 8 AZR 421/02 - AP BGB § 613a Nr. 261 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 14) in Anknüpfung an frühere Urteile entschieden, dass auch öffentlich-rechtlich organisierte Einheiten, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, Betriebe iSv. § 613a BGB sein können (einschränkend Willemsen FS 50 Jahre Bundesarbeitsgericht S. 295 f.). Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben steht einem Betriebsübergang nicht von vornherein entgegen. Welche Aufgaben in privatrechtlicher, öffentlich-rechtlicher und hoheitlicher Form erfüllt werden, ergibt sich vielfach nicht aus der Aufgabenstellung selbst, sondern obliegt der Organisationsgewalt des Staates. Für den Zweck des § 613a BGB kommt es auf diese Unterscheidung nicht an. Ob etwa der Wechsel des Rechtsträgers mit einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang verbunden ist, ist vielmehr nach den hierfür maßgeblichen Kriterien zu beurteilen ( -). Entscheidend ist nur, ob wesentliche Betriebsmittel auf Grund vertraglicher Vereinbarungen oder auf Grund eines hoheitlichen Aktes genutzt werden. Im Streitfall ist von einer Übertragung durch Rechtsgeschäft auszugehen. Der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelferin geschlossene Vertrag beschränkt sich nicht auf die Vergabe einer dem öffentlichen Recht zuzuordnenden besonderen Erlaubnis zur Durchführung der Kontrolle, sondern räumt der Streithelferin die Befugnis ein, mit den ihr zur Verfügung gestellten technischen Einrichtungen und der Hilfe der Arbeitnehmer ein Dienstleistungsunternehmen zu bestimmten Bedingungen zu betreiben und dabei Gewinn zu erwirtschaften. Es kann dahingestellt bleiben, wie die durch den Vertrag begründeten Rechtsbeziehungen zwischen der Streithelferin und der Bundesrepublik Deutschland genau zu qualifizieren sind. Die Parteien gehen jedenfalls von einer Auftragsvergabe aus, also einer vertraglichen Vereinbarung (vgl. - KTS 1990, 107). Dass die Arbeitnehmer zur sog. Fluggastkontrolle eingesetzt werden und es sich dabei um eine hoheitliche Aufgabe handelt, bei der sich die Luftfahrtbehörden anderer geeigneter Personen als Hilfspersonen bedienen können (§ 29c Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 LuftVG aF), steht dem nicht entgegen.
cc) Einem Betriebsübergang steht entgegen der Auffassung der Streithelferin auch nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom (- C-386/03 - EuZW 2005, 530) entgegen. Der Europäische Gerichtshof sah hier § 8 Abs. 2 und § 9 Abs. 3 der Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen vom (BADV) als europarechtswidrig, weil gegen die Richtlinie 96/67/EG des Rates vom über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft verstoßend, an. Die Vorschrift sieht vor, dass ein Flugplatzunternehmer von einem Dienstleister die Übernahme von Arbeitnehmern verlangen kann. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Urteil festgestellt, dass die sich aus der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG ergebenden Rechte und Pflichten auch bei Übertragungsvorgängen im Sektor der Bodenabfertigungsdienste eingreifen. § 8 Abs. 2 BADV ist allerdings nur europarechtswidrig, soweit die Übernahme von Arbeitnehmern vorgeschrieben ist, wenn kein Betriebsübergang im Sinne des europäischen und nationalen Rechts vorliegt.
Fundstelle(n):
RAAAC-15871
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