Leitsatz
Auch nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit besteht bei untervollschichtigem Leistungsvermögen Anspruch auf Gewährung befristeter "Arbeitsmarktrente", wenn die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen noch unter Geltung alten Rechts erfüllt waren, die Rente wegen der Fälligkeitsbestimmung des § 101 Abs 1 SGB 6 aber erst nach der Gesetzesänderung zu leisten ist.
Gesetze: SGB VI § 99 Abs 1 S 1; SGB VI § 101 Abs 1; SGB VI F. § 44 Abs 1; SGB VI F. § 44 Abs 2; SGB VI F. § 43 Abs 3; SGB VI F. § 240; SGB VI F. § 300 Abs 2; SGB VI F. § 302b Abs 1 S 1; SGB VI F. § 302b Abs 1 S 2; SGB VI F. § 102 Abs 2 S 1 Nr 1; SGB VI F. § 102 Abs 2 S 1 Nr 2 Halbs 1; SGB VI § 314b; SGB I § 38; SGB I § 40 Abs 1; SGB I § 41; SGB X § 26; RRErwerbG Art 1 Nr 11; RRErwerbG Art 24
Instanzenzug: LSG Brandenburg L 1 RJ 191/00 vom SG Neuruppin S 2 RJ 372/99 vom
Gründe
I
Streitig ist noch, ob der Kläger für die Zeit ab Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) anstelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) und/oder ggf ab bis auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der am geborene Kläger stellte bei der Beklagten im Juni 1998 den Antrag auf Gewährung von Rente wegen EU/BU. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Kläger nicht erwerbsunfähig sei (Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab anerkannt (Bescheid vom ) und dieses Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung vom auf die Zeit ab ausgedehnt (Ausführungsbescheid vom ). Mit weiterem Teilanerkenntnis vom hatte sie sich zuvor bereit erklärt, dem Kläger vom bis Rente wegen BU zu gewähren (Ausführungsbescheid vom ).
Die weitergehende Berufung des Klägers, mit der er begehrt hat, ihm ab Rente wegen EU, hilfsweise für die Zeit vom bis Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen EU nach § 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) alter Fassung (aF). Zwar sei er ab November 2000 erwerbsunfähig iS von § 44 SGB VI aF, weil er ab diesem Zeitraum nur noch sechs Stunden täglich habe arbeiten können; in der Zeit davor habe er unter Beachtung von Leistungseinschränkungen Tätigkeiten vollschichtig verrichten können. Erst ab April 2002 sei das Leistungsvermögen des Klägers dann auf unter drei Stunden täglich herabgesunken. Bei einem frühestmöglichen Eintritt des Leistungsfalls im Verlauf des April 2002 habe der Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI neuer Fassung (nF) erst ab bestanden. Hinsichtlich der Einschätzung dieses Leistungsvermögens folge der Senat der Auffassung des Sachverständigen Dr. R. in dessen Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen, insbesondere in seiner Vernehmung in der mündlichen Berufungsverhandlung. Seine Ausführungen stünden in Übereinstimmung mit den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des MR Dr. M. und Dr. L. sowie dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. M. .
Da der Kläger ab November 2000 nur noch untervollschichtig einsetzbar gewesen sei, sei nach der Rechtsprechung zu § 44 SGB VI aF die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen. EU habe nach dieser Rechtsprechung auch dann vorgelegen, wenn nur noch Teilzeitarbeit habe verrichtet werden können und der Teilzeitarbeitsmarkt praktisch verschlossen gewesen sei, weil dem Versicherten ein Teilzeitarbeitsplatz nicht habe vermittelt werden können. So sei es hier. Dennoch habe der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen EU nach § 44 SGB VI aF; denn gemäß § 102 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI aF seien Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit zu leisten gewesen, wenn der Anspruch - wie vorliegend - von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig gewesen sei. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seien gemäß § 101 Abs 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu leisten; somit wäre Rentenbeginn erst am gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Regelung des § 44 SGB VI aF aber bereits (seit ) außer Kraft gewesen.
Die Voraussetzungen für eine weitere Anwendung dieser Vorschrift gemäß §§ 302b, 300 Abs 2 SGB VI lägen nicht vor, weil der Kläger am keinen Anspruch im Sinne dieser Regelungen auf Rente wegen EU gehabt habe. § 300 Abs 2, § 302b Abs 1 SGB VI nF setzten einen "fälligen" Anspruch auf Zahlung der Rente voraus, allein das Entstehen des Grundanspruchs sei nicht ausreichend.
Der Kläger habe für die Zeit ab bis auch keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI nF, weil er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor April 2002 noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig habe sein können.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 44 SGB VI aF, § 43 SGB VI nF. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Bereits bei Rentenantragstellung im Juni 1998 sei er erwerbsunfähig gewesen. Dies hätte ein unbefangener Sachverständiger bei zeitnaher Untersuchung nach Rentenantragstellung feststellen können. Die Länge des Verfahrens von mehreren Jahren könne nicht zu seinem Nachteil gereichen; die Beweislast für die Frage des Beginns der EU bzw vollen Erwerbsminderung müsse vielmehr die Beklagte treffen. Habe er aber schon im Dezember 2000 die Voraussetzungen für die Rentengewährung erfüllt, sei noch § 44 SGB VI aF anwendbar. Der in § 40 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) beschriebene "Anspruch" sei als solcher nach altem Recht entstanden; auch § 300 Abs 2, § 302b Abs 1 SGB VI setzten keinen Anspruch "auf Zahlung" voraus. Die Nichtgewährung der dem Grunde nach bereits nach altem Recht zustehenden befristeten Rente ("Zeitrente") wegen zwischenzeitlich erfolgter Gesetzesänderung verstoße gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom sowie des Sozialgerichts Neuruppin vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem Rente wegen Erwerbsunfähigkeit,
hilfsweise,
für die Zeit vom bis Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Rechtsstreit verhandeln und entscheiden, weil der Bevollmächtigte ordnungsgemäß geladen und hierbei auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Revision des Klägers ist hinsichtlich des Anspruchs auf befristete Rente wegen EU für die Zeit vom begründet. Insoweit waren die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte war unter Änderung der angegriffenen Bescheide - mit Ausnahme des Bescheids vom - zu verurteilen, dem Kläger befristete Rente wegen EU zu gewähren. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
Über den Bescheid der Beklagten vom hatte der Senat ebenso wenig zu befinden wie über den Bescheid vom ; beide sind nach Abschluss des Berufungsverfahrens ergangen und daher von der angefochtenen Entscheidung des LSG nicht erfasst.
Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen EU richtet sich noch nach § 44 SGB VI aF, weil der Kläger (auch) Leistungen für die Zeit vor dem begehrt und der Rentenantrag vor diesem Zeitpunkt gestellt ist (§ 300 Abs 2 SGB VI). Zu Unrecht hat das LSG den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen EU nach § 44 SGB VI aF verneint.
Nach § 44 Abs 1 SGB VI aF haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen EU, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach Abs 2 der Vorschrift sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab : monatlich DM 630,--) übersteigt.
Nach § 102 Abs 2 Satz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen, bis gültigen Fassung (aF) wurden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn (Nr 1) begründete Aussicht bestand, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein konnte, oder (Nr 2) der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig war, es sei denn, der Versicherte vollendete innerhalb von zwei Jahren nach Rentenbeginn das 60. Lebensjahr. Nr 2 der Vorschrift stellt klar, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur befristet zu leisten waren, wenn der Rentenanspruch nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch darauf beruhte, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen war (vgl zuletzt BSG SozR 4-2600 § 44 Nr 1 unter Hinweis auf Niesel in Kasseler Komm, Bd 1, Stand August 1992, RdNr 9, 10 zu § 102 mwN; Brähler in Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Rentenversicherung, Bd 3, Stand April 2005, RdNr 41 ff zu § 102; BSG SozR 3-5868 § 13 Nr 1; BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13; BSGE 30, 192 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO; BSGE 30, 167 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO).
Für die Beurteilung, ob ein Versicherter, der aufgrund seines Gesundheitszustands nur noch Teilzeitarbeit verrichten kann, erwerbsunfähig ist, ist hiernach erheblich, dass für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte mit seinen Kräften und Fähigkeiten noch ausfüllen kann (BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13). Wurde zunächst noch gefordert, dass Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung oder des Rentenversicherungsträgers innerhalb eines Jahres ab Stellung des Rentenantrags erfolglos blieben (vgl Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom - 11 RA 8/76 - veröffentlicht bei Juris), ist nach jüngerer Rechtsprechung des BSG (vgl BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 6, 10) zur Feststellung der EU eines halb- bis untervollschichtig einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich. Bei der sog arbeitsmarktabhängigen EU wird die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts daher bei jeder quantitativen Leistungseinschränkung berücksichtigt (vgl zuletzt BSG SozR 3-5868 § 13 Nr 1). Im Rahmen der EU ist der Anspruch hiernach (auch) von der Arbeitsmarktlage abhängig, sobald der Versicherte keine vollschichtigen Arbeiten mehr verrichten kann. Das war vorliegend nach den Feststellungen des LSG der Fall. Der Kläger konnte ab November 2000 nur noch sechs Stunden täglich arbeiten.
Die Feststellungen des LSG zum Leistungsvermögen hat der Kläger zwar mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen, indem er es als verfahrensfehlerhaft angesehen hat, dass das LSG sich auf den Sachverständigen Dr. R. gestützt hat, der die zeitliche Einschränkung seines, des Klägers, Leistungsvermögens nicht vor November 2000 als nachgewiesen angesehen habe, weil vorher keine entsprechenden Dokumentationen vorgelegen hätten; die Beweislast dürfe nicht zu seinen Lasten gehen, wenn (frühere) ärztliche Dokumentationen fehlten. Diese Revisionsrüge erweist sich indes als unbegründet.
Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - und damit ein iS von §§ 162, 164 Abs 2 Satz 3 SGG beachtlicher Verfahrensfehler - liegt vor, wenn das Gericht eine weitere Sachaufklärung unterlässt, obwohl es sich dazu hätte gedrängt fühlen müssen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Neben der Darlegung, weshalb sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, setzt eine begründete Sachaufklärungsrüge die Angabe voraus, welche Beweismittel hätten erhoben werden sollen und zu welchen Ergebnissen diese Ermittlungen voraussichtlich geführt hätten (vgl BSG HVBG-Info 2002, 2578; - nicht veröffentlicht; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR Nr 28 zu § 164 SGG; zur pauschalen Rüge unrichtiger Verfahrensweise und nicht ordnungsgemäßer Beweiserhebung vgl auch Senatsurteil vom - 13 RJ 69/96 - veröffentlicht bei Juris). Entsprechender Vortrag des Klägers fehlt.
Nicht feststellbar ist auch der weiterhin gerügte Verstoß des LSG gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, wobei die Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur in eingeschränktem Umfang nachprüfbar ist. Unerheblich ist, ob die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts auch das Revisionsgericht überzeugt oder ob eine andere Beweiswürdigung möglich ist (vgl BSG SozR 2200 § 1277 Nr 3; BSG SozR 1500 § 146 Nr 14). Ebenso wenig kann das Revisionsgericht selbst die Beweiswürdigung vornehmen. Vielmehr darf es die grundsätzlich im freien Ermessen des Tatsachengerichts stehende Beweiswürdigung lediglich auf Ermessensfehler, dh daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung durch Außerachtlassung des Gesamtergebnisses des Verfahrens oder durch Verstoß gegen Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder gegen Denkgesetzes überschritten hat (vgl BSGE 2, 236, 237; BSG SozR Nr 34, 56, 87 zu § 128 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 26; BSG SozR 4100 § 102 Nr 3).
Die Revision hat keine Gründe aufgezeigt, aus denen eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen der freien Beweiswürdigung durch das LSG zu entnehmen wäre. Der Kläger hat insbesondere keine Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen dargelegt, indem er vorträgt, die materielle Beweislast sei umzukehren, wenn sich das Verfahren lange hinziehe und ausreichende Dokumentationen für eine Leistungsminderung fehlten. Der Kläger rügt vielmehr im Kern eine - vermeintlich - "unzutreffende" Beweiswürdigung des LSG. Begnügt sich ein Kläger aber damit, anhand verschiedener Unterlagen die seiner Ansicht nach vorliegenden Beweismittel (selbst) zu würdigen und das so gefundene Ergebnis dem vom LSG für richtig gehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme als zutreffend gegenüberzustellen, mangelt es bereits an einer schlüssigen Darlegung iS von § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG (vgl - veröffentlicht bei Juris).
Da der Kläger nach den hiernach nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG bis November 2000 unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch vollschichtig arbeiten konnte, hat er bis zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU. Erst mit November 2000 sank sein Leistungsvermögen auf untervollschichtig (sechs Stunden täglich) mit der Folge, dass ihm befristete Rente wegen EU ("Arbeitsmarktrente") zustand, die allerdings nicht vom Folgemonat (Dezember 2000; vgl § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI: "Kalendermonat ..., zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind ...") zu leisten war. Denn abweichend vom Regelfall des in § 99 SGB VI normierten Rentenbeginns stellt die befristete Rente einen "Sonderfall" (vgl "Überschrift" zu § 101 SGB VI) dar, der in § 101 SGB VI eine abweichende Regelung erfahren hat. Nach § 101 Abs 1 SGB VI wird die befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Gerechnet von einem Eintritt der EU im November 2000 hat der Kläger danach einen Anspruch auf Leistung der Rente ab .
Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen, der Kläger könne aus Rechtsgründen keine befristete Rente wegen EU beanspruchen. Gemäß § 102 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 1 SGB VI in der bis - also auch im Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung beim Kläger - geltenden Fassung (aF) wurden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig war. Hiernach hatte der Kläger im November 2000 alle Voraussetzungen für die Rentenleistung erfüllt. Eine nachträgliche - rückwirkende - Änderung der Rechtslage hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Unerheblich ist - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG -, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Zahlung der Rente () § 44 SGB VI aF bereits außer Kraft getreten war (vgl Art 1 Nr 11 iVm Art 24 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom , BGBl I 1827, 1829, 1845). Denn der Anspruch des Klägers auf Gewährung der befristeten Rente wegen EU war noch unter Geltung alten Rechts entstanden.
Gemäß § 38 SGB I besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen, soweit nicht nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über die Leistung nach ihrem Ermessen zu handeln. Da die Gewährung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unter Ermessensvorbehalt steht, stand dem Kläger mithin ein "Anspruch" auf solche Rente (dem Grunde nach) zu. Das Entstehen des Anspruchs und seine Fälligkeit sind in §§ 40, 41 SGB I geregelt: Nach § 40 Abs 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Mit Erfüllung der in §§ 44, 102 SGB VI aF normierten Voraussetzungen hatte der Kläger hiernach Anspruch auf Leistung der befristeten Rente.
Die Leistung war jedoch nicht sofort fällig. Zwar bestimmt § 41 SGB I, dass Sozialleistungen regelmäßig mit ihrem Entstehen fällig werden. Dies gilt jedoch nicht, soweit die besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs abweichende Regelungen enthalten. Solche anders lautenden Regelungen finden sich in § 101 Abs 1 SGB VI: Abweichend vom Rentenbeginn im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen iS des § 99 Abs 1 SGB VI bestimmt § 101 Abs 1 SGB VI für den "Sonderfall" der befristeten Rente, dass diese erst nach Ablauf von sechs Kalendermonaten beginnt.
Dass mit der Neuregelung des Erwerbsminderungsrechts nach altem Recht entstandene Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht "kassiert" werden sollten, zeigen nicht zuletzt die Übergangsregelungen der §§ 302b, 314b SGB VI. § 302b Abs 1 Satz 1 SGB VI garantiert den Fortbestand des einmal zugebilligten "Anspruchs" auf Rente wegen BU oder EU bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, solange die Voraussetzungen für diese Renten vorliegen. § 302b Abs 1 Satz 2 SGB VI erweitert diesen Bestandsschutz für befristete Renten darüber hinaus auch für einen Anspruch nach Ablauf der Frist. Gemäß § 314b SGB VI ist bei befristeter "Arbeitsmarktrente" die Befristung zu wiederholen, wenn der Anspruch nach Fristablauf weiterhin von der Arbeitsmarktlage abhängig ist, es sei denn, der Versicherte vollendet innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der sich anschließenden Frist das 60. Lebensjahr.
Der Rentenbeginn selbst gehört nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung. Soweit die (Kommentar-)Literatur neben dem Bestehen des Anspruchs (dem Grunde nach) auch den "Beginn der Leistung" nach altem Recht voraussetzt, um von einem "Anspruch auf befristete Rente wegen Erwerbsminderung" alten Rechts auszugehen (vgl zB Jörg in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl 2003, RdNr 3 zu § 302b; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, RdNr 5 zu § 302b SGB VI; ohne Verfasser MittLVA Oberfranken und Mittelfranken 2001, 103), findet diese Auffassung im Gesetz keine Stütze. Soweit sich die Verfasser insoweit auf Materialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung - BT-Drucks 13/3150) beziehen, sind die Ausführungen dort ebenfalls nicht in diesem Sinne zu verstehen.
In der Begründung zu Nr 47 des Gesetzesentwurfs (vorgeschlagene Ergänzung des § 302a Abs 5 im Entwurf; späterer § 302b SGB VI) ist zwar ausgeführt, dass die Hinzuverdienstgrenzen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in all den Fällen bis Ende des Jahres 2000 nicht anzuwenden seien, in denen es sich um Versicherte handele, deren Rente noch vor der Einführung der Hinzuverdienstgrenzen () begonnen hätten (BT-Drucks 13/3150, S 44). Damit würden Auslegungsschwierigkeiten vermieden, die sich durch die Rechtsprechung ergeben könnten, weil diese davon ausgehe, dass ein Anspruch schon zu dem Zeitpunkt vorliege, zu dem der Rentenversicherungsträger die Zahlung der Rente bewirkt haben müsse; maßgebend solle daher das Recht sein, das zum Zeitpunkt des Beginns der Leistung gegolten habe. Diese Begründung verkennt, dass bei der befristeten Rente die "zeitlich verzögerte" Leistung nicht im Verantwortungsbereich des Rentenversicherungsträgers liegt, sondern der Fälligkeitszeitpunkt der Leistung durch gesetzliche Bestimmung herausgeschoben worden ist. Der "Anspruch" dem Grunde nach bestand aber mit Erfüllung der gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Leistung.
Der Anspruch des Klägers auf befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat nach alledem zur Folge, dass ein Zahlungsanspruch (Fälligkeit der Leistung) erst ab besteht. Auf eine - tatsächliche - zeitliche Begrenzung der Leistungsgewährung nach dem eigentlichen Zweck der befristeten Rente (vgl § 102 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI aF: "... werden auf Zeit geleistet, ...") war nach der Ausnahmebestimmung in Halbsatz 2 dieser Vorschrift ("... es sei denn, ...") hingegen nicht zu erkennen. Denn nach vorgenannter Ausnahmeregelung entfällt die Fristbestimmung, wenn der Versicherte innerhalb von zwei Jahren nach Rentenbeginn das 60. Lebensjahr vollendet. Der für die Befristung maßgebende Rentenbeginn richtet sich nach § 101 Abs 1 SGB VI, die Berechnung der Frist nach § 26 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (vgl Hauck in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 1991, RdNr 6 zu § 102). Bei Rentenbeginn am stand der am geborene Kläger aber bereits im 59. Lebensjahr. Er vollendete das 60. Lebensjahr innerhalb von weniger als 23 Monaten, sodass die Bestimmung eines Endzeitpunkts der Leistung nicht vorzunehmen war.
Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Zu Recht hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen EU für die Zeit vor Juni 2001 verneint. Ein solcher Anspruch bereits ab scheitert daran, dass der Kläger nach den Feststellungen des LSG bis November 2000 unter Beachtung von Leistungseinschränkungen noch vollschichtig und von November 2000 bis noch sechs Stunden täglich erwerbstätig sein konnte. Diese Feststellungen hat der Kläger - wie oben ausgeführt - nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen; sie binden den Senat daher (vgl § 163 SGG).
Zutreffend hat das LSG auch einen Anspruch des Klägers für die Zeit ab bis auf Gewährung von Rente wegen (voller) Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI nF verneint. Obwohl der Kläger im Jahre 1998 nur einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit alten Rechts stellen konnte, umfasst der Antrag auch die Erwerbsminderungsrente neuen Rechts gemäß §§ 43, 240 f SGB VI nF (vgl Senatsurteil vom - B 13 RJ 31/04 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Gemäß § 43 Abs 3 SGB VI nF ist nicht (voll) erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindesten sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Nach den nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG konnte der Kläger von November 2000 bis März 2002 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden erwerbstätig sein. Zu Recht hat das LSG daher festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung (neuen Rechts) für die Zeit ab nicht vorlagen.
Da der Kläger seinen Klageanspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung im Hilfsantrag ausdrücklich auf Zeiten bis beschränkt hat, war insoweit auch nur über diesen eingeschränkten Zeitraum zu befinden. Im Übrigen hat die Beklagte ihre Teilanerkenntnisse über die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab zwischenzeitlich ausgeführt.
Wie oben bereits ausgeführt, sind die nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen (Ausführungs-)Bescheide der Beklagten vom und vom , die die angefochtenen Bescheide ändern, nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden; sie gelten gemäß § 171 Abs 2 Halbsatz 1 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Dies gilt insbesondere auch für den anscheinend noch vor Einlegung der Revision bekannt gegebenen Bescheid vom (vgl Meyer-Ladewig in ders/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 8. Aufl 2005, § 171 RdNr 3 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger - gemessen am Gesamtzeitraum, für den Rente wegen EU bzw Erwerbsminderung begehrt worden ist - nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
LAAAC-15017