BSG Urteil v. - B 11a AL 69/05 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB III § 200 Abs 1 Satz 1

Instanzenzug:

Gründe

I

Der Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) auf der Grundlage des um 10 vH erhöhten Bemessungsentgelts, nach dem ihm zuletzt Arbeitslosengeld (Alg) gewährt worden ist.

Der Kläger bezog vom bis zum Alg nach einem Bemessungsentgelt von 1.130,00 DM und vom bis zum nach einem Bemessungsentgelt von 1.1150,00 DM. Während eines wegen der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen vom Kläger eingeleiteten Klageverfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger höheres Alg nach einem um 10 % erhöhten Bemessungsentgelt in Höhe von 1.240,00 DM wöchentlich für die Zeit vom bis und in Höhe von 1.260,00 DM für die Zeit vom bis zum (Änderungsbescheide vom 16. August, 8. September und ). Die Änderungsbescheide enthielten jeweils den Hinweis, dass die Leistungen auf Grund des am veröffentlichten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergingen und es für den Fall, dass die zu erwartende Neuregelung des Gesetzes zu keinem anderen Ergebnis führe, bei der Entscheidung verbleibe. Die weitergehende Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts <SG> Berlin vom - S 53 AL 1998/00 - und des Landessozialgerichts <LSG> Berlin vom - L 14 AL 97/01 -). Die deswegen vom Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte ebenfalls keinen Erfolg (Beschluss des Senats vom - B 11a AL 109/04 B -).

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit dem Bescheid vom für die Zeit vom bis zum Alhi nach einem Bemessungsentgelt von 1.150,00 DM in Höhe von 424,97 DM wöchentlich (allgemeiner Leistungssatz, Leistungsgruppe C). Der wegen der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen erhobene Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom zurückgewiesen. Mit einem weiteren Bescheid vom erhöhte die Beklagte im Hinblick auf die Leistungsentgeltverordnung 2001 den Zahlbetrag auf 435,19 DM.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Alhi, da die Beklagte den Leistungssatz zu Recht nach einem Bemessungsentgelt ohne Berücksichtigung von Einmalzahlungen und auch im Übrigen zutreffend berechnet habe. Nach § 200 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) in der hier maßgeblichen Fassung sei Bemessungsentgelt für die Alhi das Bemessungsentgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden sei. Allerdings lasse der Wortlaut der bis zum geltenden Fassung die Auslegung zu, für die Anschluss-Alhi sei das Arbeitsentgelt maßgeblich, das der Bemessung des Alg tatsächlich zu Grunde gelegen habe. Wie das BSG jedoch entschieden habe, bestehe eine derartige Bindungs- und Feststellungswirkung des für das Alg maßgeblichen Bemessungsentgelts nicht. Nach dieser Rechtsprechung, der der Senat folge, sei für die Alhi das für ihre Berechnung materiell-rechtliche zutreffende Bemessungsentgelt zu Grunde zu legen. Für die Bemessung der Alhi des Klägers ab sei damit gemäß § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III einmaliges Arbeitsentgelt nicht zu berücksichtigen gewesen. Denn das BVerfG habe § 134 SGB III lediglich bezüglich des Alg, nicht jedoch als Berechnungsgrundlage für die steuerfinanzierte Alhi für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Auch die mit Wirkung vom durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz geschaffene Rechtslage entspreche dieser Auslegung. Zutreffend sei die Beklagte von einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.150,00 DM ausgegangen.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine Verletzung des § 200 Abs 1 Satz 1 SGB III und führt aus, das LSG stütze sein Urteil auf eine falsche Interpretation der Rechtsprechung des BVerfG zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG stellten Einmalzahlungen keine Vergütungsbestandteile 2. Klasse dar; diese seien vielmehr wie regulär monatlich bezogenes Arbeitsentgelt sozialversicherungsrechtlich zu behandeln. Bei der Berechnung des Bemessungsentgelts für die Gewährung von Alg sei von einem einheitlichen Vergütungsvolumen auszugehen. Die Folge hieraus sei jedoch, dass im Hinblick auf die Auslegung von § 200 Abs 1 Satz 1 SGB III kein Klärungsbedarf bestehe. Es sei nicht von unterschiedlichen Bemessungsentgelten für Alg und Alhi auszugehen. Insoweit liege auch keine falsche Berechnung des Alg iS der Rechtsprechung des BSG vor. Die Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen habe insoweit keine Rechtsgrundlage, als das Bemessungsentgelt für die Berechnung des Alg oder Berücksichtigung von laufenden Gehaltseinnahmen und Einmalzahlungen korrekt ermittelt worden sei, dh keinen materiell-rechtlichen Fehler aufweise.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom aufzuheben,

2. den Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom und den Bescheid vom zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts zu gewähren, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist und den nachzuzahlenden Betrag mit 4 vH zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Verwaltungsentscheidung im Hinblick auf § 434c Abs 4 SGB III rechtmäßig sei.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat - wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben - für die Zeit vom bis zum (vgl zur Begrenzung des Streitgegenstands etwa -) keinen Anspruch auf höhere Alhi.

Die Alhi beträgt nach § 195 Satz 1 Nr 2 SGB III für Arbeitslose, die - wie der Kläger - die Voraussetzung für den erhöhten Leistungsanspruch nicht erfüllen, 53 vH des Leistungsentgelts. Die Beklagte hat die für die Alhi-Höhe bestimmenden Faktoren im Einzelfall zutreffend zu Grunde gelegt. Der Kläger kann insbesondere nicht mit Erfolg geltend machen, dem Alhi-Anspruch ab sei ein höheres Bemessungsentgelt als 1.150,00 DM wöchentlich zu Grunde zu legen.

Nach § 200 Abs 1 Satz 1 SGB III in der bis zum geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom (BGBl I 2970) ist Bemessungsentgelt für die Alhi das Bemessungsentgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden ist oder ohne die Vorschrift über die Verminderung des Bemessungsentgelts wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen oder wegen Einschränkung des Leistungsvermögens bemessen worden wäre. Zutreffend ist das LSG im Ergebnis davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung von höherer Alhi nach einem um 10 vH erhöhten Bemessungsentgelt zusteht. Allerdings bedurfte es entgegen der Auffassung des LSG zur Begründung dieses Ergebnisses keines Rückgriffs auf die von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zur Korrektur eines fehlerhaft zu hohen Alg-Bemessungsentgelts beim Übergang zur Anschluss-Alhi (vgl etwa BSG SozR 4100 § 112 Nr 23; BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 3 und 12) auf der Grundlage der §§ 200 Abs 1, 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III in der bis zum Inkrafttreten des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes vom (BGBl I 1971) geltenden Fassung. Vielmehr scheitert der Anspruch auf höhere Alhi ab auf Grund der Übergangsregelung in § 434c Abs 4 SGB III.

Mit den in § 434c SGB III (eingefügt mit Wirkung vom durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz) getroffenen Regelungen hat der Gesetzgeber die in der Entscheidung des enthaltenen Vorgaben umgesetzt (vgl ausführlich zur Entstehungsgeschichte BSG SozR 4-4300 § 434c Nr 1). Nach dem abschließenden Regelungskonzept dieser Vorschrift wird zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage für die vor dem entstandenen Alg-Ansprüche, soweit sich deren Höhe nach § 112 AFG in der bis geltenden Fassung oder nach § 134 Abs 1 SGB III in der vor dem geltenden Fassung richtet, angeordnet, dass eine pauschale - nicht eine individuelle - Erhöhung des Bemessungsentgelts ab dem um 10 vH vorzunehmen ist (Abs 1 Satz 1). Diese Erhöhung gilt aber nur für Ansprüche, über die am , dem Tag der Wirksamkeit der Entscheidung des BVerfG, noch nicht unanfechtbar entschieden war; anderenfalls erfolgt nach Abs 1 Satz 2 eine Erhöhung erst vom an.

Hingegen bleiben nach § 434c Abs 4 SGB III (in der bis zum geltenden Fassung, vgl Art 3 Nr 41 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954) für Ansprüche auf Alhi, die vor dem entstanden waren, Arbeitsentgelte, die einmalig gezahlt werden, bei der Bemessung nach § 200 außer Betracht. Mit dieser Regelung sollte - wie die Materialien ausweisen (BT-Drucks 14/4371 S 15) - im Interesse einer eindeutigen, ausdrücklich gesetzlich verankerten Rechtslage für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes klargestellt werden, dass Einmalzahlungen bei der Bemessung der Alhi "außer Betracht zu bleiben haben". Diese gesetzliche Klarstellung erfasst auch die vorliegende Fallgestaltung. Insbesondere steht der Anwendung der Norm nicht entgegen, dass das dem Alg-Anspruch des Klägers zu Grunde liegende Bemessungsentgelt im Vorgriff auf die Regelung in § 434c Abs 1 SGB III bereits vor dem um 10 vH erhöht worden ist. Demzufolge kommt weder eine individuelle noch eine pauschalierte Erhöhung des für die Höhe der Alhi maßgebenden Bemessungsentgelts in Betracht.

Die in § 434c Abs 4 SGB III getroffene Regelung ist - obwohl sie auf die Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückwirkt - wegen ihres lediglich klarstellenden Charakters nicht im Hinblick auf einen etwaigen Vertrauensschutz der betroffenen Leistungsempfänger zu beanstanden. Insoweit ist in der Gesetzesbegründung zutreffend darauf hingewiesen worden, dass ein Rechtsschein, der die Einmalzahlungen in die Bemessung der Alhi einbeziehe, durch die bislang getroffenen gesetzlichen Vorschriften und die Entscheidung des BVerfG, die allein die Bemessung beitragsfinanzierter Lohnersatzleistungen betreffe, nicht gesetzt worden sei (BT-Drucks 14/4371 S 15). Auch die dem Kläger erteilten Änderungsbescheide der Beklagten ergingen unter dem Vorbehalt der Bestimmungen des zu erwartenden Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes.

Die Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen verstößt auch im Übrigen nicht gegen Verfassungsrecht. Das BVerfG hat insoweit mit Beschluss vom - 1 BvR 1773/03 - (= SozR 4-4300 § 434c Nr 6) eine gegen das Urteil des Senats vom - B 11 AL 67/02 R - (= SozR 4-4300 § 434c Nr 3) gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung hat das BVerfG hinsichtlich der mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Verletzung des Art 3 Abs 1 GG ausgeführt, dass die unterschiedliche Behandlung der Bezieher von Alg und Alhi bei der Berücksichtung von Einmalzahlungen im Rahmen der Leistungsberechnung sachlich gerechtfertigt sei. Das Alg sei eine Versicherungsleistung, die Alhi sei es nicht gewesen. Ein weiterer Unterschied liege darin, dass das Alg zeitlich begrenzt sei, während die Alhi grundsätzlich zeitlich unbegrenzt geleistet worden sei. Bei der Alhi habe es sich um eine nachrangige Leistung gehandelt, die unabhängig vom letzten Arbeitseinkommen entfallen sei, wenn Bedürftigkeit im Einzelfall nicht bestanden habe. Sei die Alhi keine auf Beiträge gestützte Versicherungsleistung gewesen, so könnten auch nicht die Erwägungen des BVerfG in seinen Beschlüssen vom (BVerfGE 92, 53) und vom (BVerfGE 102, 127) zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Bemessung des Alg auf die Alhi übertragen werden. Schließlich hat das BVerfG auch eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG im Verhältnis der Alhi-Bezieher untereinander verneint. Der Gesetzgeber habe davon ausgehen können, dass ansonsten Personen, die in wirtschaftlich guten Zeiten arbeitslos geworden seien und hohe Einmalzahlungen erhalten hätten, auf Dauer gegenüber Arbeitslosen bevorzugt worden wären, die in wirtschaftlich schlechten Zeiten arbeitslos geworden seien und nur niedrigere Einmalzahlungen erhalten hätten (Hinweis auf BT-Drucks 14/4371 S 13). Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, der Empfänger von Alhi habe auch auf Einmalzahlungen Beiträge entrichtet; denn der Erfolgswert dieser Beiträge sei bereits bei der Bemessung des der Alhi vorausgehenden Alg sicherzustellen gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Fundstelle(n):
EAAAC-14834