Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 63; StGB § 20; StGB § 21
Instanzenzug: LG Frankfurt am Main vom
Gründe
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus und Einziehung von Arzneimittel und medizinischen Geräten angeordnet. Nach den Feststellungen hat sich beim Angeklagten ein verfestigter "Größenwahn" unter anderem auf dem Gebiet der Heilkunde entwickelt. Er ist überzeugt, über extreme Begabungen im Bereich der Heilkunde zu verfügen. In der Zeit von August 2001 bis behandelte er sechs Personen, denen er sich als Heilpraktiker vorstellte und versprach, ihre gesundheitlichen Beschwerden zu heilen. Er verabreichte ihnen bei der Behandlung Spritzen, deren Zusammensetzung er ausgependelt hatte. Für seine Behandlung verlangte und erhielt er Beträge zwischen 250 bis 6.650 DM.
Die Strafkammer geht - sachverständig beraten - davon aus, der Beschuldigte sei an einer atypischen chronisch verlaufenden schizomanischen Psychose erkrankt. Diese Erkrankung habe dazu geführt, daß "seine Einsicht, bei der Begehung der Taten, Unrecht zu tun, jedenfalls erheblich vermindert war; es sei auch nicht auszuschließen, daß die Unrechtseinsicht sogar völlig aufgehoben war". Dem Beschuldigten sei zwar bewußt gewesen, daß er nicht über die für seine Heiltätigkeit erforderliche Zulassung als Heilpraktiker verfügte und diese aufgrund seiner Vorverurteilungen auch nicht hätte erhalten können, er handelte aber aus tiefer Überzeugung von der Richtigkeit seines Tuns und ging davon aus, daß seine Heilbehandlungen zur Rettung höherwertiger Rechtsgüter notwendig und damit gerechtfertigt waren (UA S. 30, 47/48). Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB sei anzuordnen, da die Anlaßtaten ein erhebliches Gewicht aufwiesen, denn der Beschuldigte habe nicht nur gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen und die Geschädigten betrogen, sondern darüber hinaus auch noch deren körperliche Integrität verletzt und sie durch die Verabreichung von Spritzen erheblichen Gefahren ausgesetzt. Es sei auch zu erwarten, daß der Beschuldigte infolge seines Zustandes ohne die Unterbringung wieder erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. S. , der die Kammer folgt, beruhe die Gefahr, daß der Beschuldigte wieder therapeutische Handlungen vornehmen wird, insbesondere auf seiner fehlenden Unrechtseinsicht (UA S. 50).
Gegen das Urteil wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützten Revision.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg.
Die Anordnung der Unterbringung kann keinen Bestand haben, weil die Voraussetzungen des § 20 oder 21 StGB nicht - wie für die Maßregel nach § 63 StGB notwendig (vgl. u. a. BGHSt 34, 22, 26/27) - zweifelsfrei festgestellt sind. Auch die vom Landgericht positiv angenommene erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit erfüllt diese Voraussetzungen nicht. § 21 StGB regelt, ebenso wie § 20 StGB, soweit er auf die Einsichtsfähigkeit abstellt, einen Fall des Verbotsirrtums. Fehlt dem Täter die Einsicht wegen seiner krankhaften seelischen Störung oder aus einem anderen in § 20 StGB benannten Grund, ohne daß ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, so ist - auch bei an sich nur verminderter Einsichtsfähigkeit - nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anzuwenden. Die Vorschrift des § 21 StGB kann in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet werden, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist. Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht gehabt hat, ist voll schuldfähig (vgl. u.a. BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 25; 40, 341, 349 m.w.N.; BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 1- 6; § 63 Tat 4; BGH NStZ-RR 2002, 328; ; vom - 4 StR 268/01; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 63 Rdn. 6 m.w.N.). Solange die Verminderung der Einsichtsfähigkeit nicht das Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten geführt hat, ist die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlaßt (BGHSt 34, 22, 26/27).
Die Urteilsgründe lassen besorgen, daß sich die Strafkammer dieser Problematik nicht bewußt war. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe selbst ergibt nicht, daß das Landgericht ein Fehlen der Einsicht positiv festgestellt hat. Zwar deuten die Ausführungen UA S. 47 ("Die Äußerungen des Beschuldigten, daß er alles in tiefer Überzeugung auf seine Sachkenntnisse und zur Rettung höherwertiger Rechtsgüter getan habe, belegen, daß er aufgrund seiner Erkrankung keine Einsicht in das Unrecht seines Handelns hatte, sondern vielmehr von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt war und daher auch einen Freispruch forderte") und UA S. 50 (... beruht die Gefahr ... auf seiner "fehlenden Unrechtseinsicht") darauf hin, daß gute Gründe für eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit sprachen. Davon hat sich die Strafkammer ersichtlich aber nicht überzeugen können, da sie immer wieder ausdrücklich auf die "erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit" und die "nicht auszuschließende fehlende Unrechtseinsicht" als Grundlage der Unterbringung abstellt (UA S. 30; 47/48).
Die Sache muß deshalb neu verhandelt werden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den der Maßregelanordnung zugrundeliegenden rechtswidrigen Taten (UA S. 31- 37: Fälle 1- 6) und die Einziehungsanordnung können jedoch aufrechterhalten bleiben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAC-11347
1Nachschlagewerk: nein