Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 154 Abs. 2; StPO § 265; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 357; StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1; StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3; StGB § 259
Instanzenzug: LG Trier vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Diebstahls in 164 Fällen oder gewerbsmäßiger Hehlerei in 23 Fällen und wegen Diebstahls oder Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten, den Angeklagten Ju. wegen Diebstahls in 156 Fällen oder gewerbsmäßiger Hehlerei in 21 Fällen sowie wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten und den Angeklagten J. wegen Diebstahls in 155 Fällen oder gewerbsmäßiger Hehlerei in 21 Fällen sowie wegen Diebstahls in acht Fällen und versuchten Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Angeklagten J. und Ju. im übrigen (vom Vorwurf der wahlweise angeklagten Hehlerei bei den Fällen der eindeutigen Verurteilung) freigesprochen. Dagegen wenden sich die Revisionen des Angeklagten M. und J. .
1. Die von dem Angeklagten J. erhobene Aufklärungsrüge ist jedenfalls unbegründet. Die von der Revision vermißte weitere Beweiserhebung zu den Reisen des Angeklagten drängte sich nicht auf, nachdem der Paß des Angeklagten von allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen worden war.
2. Die von beiden Revisionen erhobenen Sachrügen führen zu den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Schuldspruchänderungen, die gemäß § 357 StPO auf den nichtrevidierenden Angeklagten Ju. zu erstrecken sind, und zur Aufhebung der Strafaussprüche führen. Im übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen hatten die Angeklagten, die im engen persönlichen Kontakt zueinander standen, sich mit weiteren litauischen Landsleuten zusammengeschlossen, um im Großraum T. Fahrzeuge aufzubrechen und aus ihnen technische Geräte zu entwenden. Diese wurden zunächst gesammelt, unter anderem in einem Erddepot und der - auch den anderen Gruppenmitgliedern zugänglichen - Wohnung des Angeklagten J. und anschließend in Litauen verwertet. Aus dem Erlös wurden die Angeklagten entlohnt, wobei feste Gewinnanteile verabredet waren. Seit Mitte 2001 bis Ende 2001 wurden von den Mitgliedern der Gruppe die verfahrensgegenständlichen 164 Diebstähle begangen. Eine unmittelbare täterschaftliche Beteiligung an diesen Diebstählen konnte das Landgericht nur hinsichtlich des Angeklagten Ju. in drei Fällen (II. 22 a - c der Urteilsgründe) und hinsichtlich des Angeklagten J. in acht Fällen (Fälle II. 1 a - h) feststellen. Weiter hat es von diesen 164 Diebstahlstaten bei dem Angeklagten Ju. acht Fälle und bei dem Angeklagten J. neun Fälle nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Soweit eine unmittelbare Beteiligung der Angeklagten an den Diebstählen nicht festgestellt werden konnte, hat das Landgericht jeweils eine Wahlfeststellung zwischen Diebstahl (nach §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB) und gewerbsmäßiger Hehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB) angenommen. Dabei hat es die in einer Nacht begangenen mehreren Diebstahlstaten jeweils als eine gewerbsmäßige Hehlerei angesehen.
Die rechtliche Würdigung des Landgerichts begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken.
a) Die Verurteilung wegen (wahlweiser) Hehlerei hat das Landgericht darauf gestützt, daß die Angeklagten an den in den Depots gelagerten Beutestücken gemeinschaftlichen Besitz und Verfügungsgewalt erlangt hätten, auch soweit sie nicht selbst die Diebstähle ausgeführt hätten. Sie hätten sich daher die Beutestücke im Sinne des Hehlereitatbestands verschafft. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand:
Zwar kann ein "sich Verschaffen" im Sinne des § 259 StGB auch bei der Erlangung von Mitbesitz und Mitverfügungsgewalt an einer gestohlenen Sache gegeben sein, etwa wenn der Vortäter die Sache mehreren Personen, z. B. Gesellschaftern überträgt. Dies gilt aber nicht ohne weiteres, wenn der Vortäter selbst an der Sache Mitbesitz und Mitverfügungsgewalt behält. In einem solchen Fall kommt Hehlerei nur in Betracht, wenn jeder der Mitbesitzer für sich unter Ausschluß des anderen Teils verfügungsberechtigt sein soll, hingegen scheidet Hehlerei aus, wenn eine Verfügung über die Sache nur gemeinschaftlich erfolgen kann (BGHSt 35, 173, 176). Letzteres war hier gegeben. Die Angeklagten haben zwar den gemeinschaftlichen Besitz an den Beutestücken zusammen mit den anderen Bandenmitgliedern - siehe zur Bande unter b) - erlangt. Mitbesitz hatten aber gerade auch diejenigen Mitglieder, die die Sachen entwendet hatten. Auch Verfügungsgewalt kam den Angeklagten nur gemeinsam mit den anderen Bandenmitgliedern zu. Denn wenn auch die Angeklagten wie alle Bandenmitglieder Zugang zu den Depots hatten, ist nach den Feststellungen auszuschließen, daß jeder für sich unabhängig von den anderen allein über die jeweiligen Beutestücke verfügen konnte. So durften etwa die Diebstahlstäter nur das in den Fahrzeugen aufgefundene Bargeld behalten, das unter ihnen nach bestimmten Maßstäben aufgeteilt wurde. Gelegentlich ist einem Mittäter ein erbeutetes Handy zum eigenen Gebrauch - ersichtlich nach Absprache mit anderen - zur Verfügung gestellt worden. Schließlich spricht auch die Verabredung fester Gewinnanteile gegen die Annahme, daß jedes Mitglied sich nach Gutdünken aus den Beutestücken bedienen durfte. Da mithin auch die Gruppenmitglieder, die den Diebstahl selbst ausgeführt hatten, Mitbesitz und Mitverfügungsgewalt behalten hatten, kommt Wahlfeststellung mit Hehlerei als Alternativtat nicht in Betracht.
b) Dies bedeutet nicht, daß eine Verurteilung der Angeklagten wegen der Diebstahlstaten, bei denen ihre unmittelbare Täterschaft nicht festgestellt werden konnte, nicht erfolgen kann. Nach den Feststellungen haben die Angeklagten, soweit sie nicht selbst als Täter in Betracht kommen, jedenfalls den die Diebstähle ausführenden Tätern Hilfe geleistet.
Die Angeklagten waren Mitglieder einer Bande. Sie haben sich mit den anderen Mitgliedern der Gruppe zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen zusammengeschlossen. Dabei haben sie feste Vereinbarungen getroffen, daß die Diebstähle jeweils von mehreren Gruppenmitgliedern arbeitsteilig ausgeführt, die Beutestücke in Depots gesammelt und dann von einzelnen von ihnen nach Litauen transportiert und verwertet werden sollten. Insbesondere sollten die jeweiligen Taten allen zugute kommen, sie erhielten feste Gewinnanteile. Danach ist davon auszugehen, daß die Angeklagten die anderen Bandenmitglieder, soweit sie nicht selbst unmittelbar beteiligt waren, bei ihren jeweiligen Taten mindestens psychisch unterstützt haben, so daß jedenfalls Beihilfe zu den von diesen begangenen Diebstählen vorliegt. Da weitere Feststellungen zur Frage, wann die Angeklagten (über die bereits festgestellten Taten hinaus, die Gegenstand eindeutiger Verurteilung waren) die Taten unmittelbar ausgeführt haben, auch in einer erneuten Hauptverhandlung nicht möglich erscheinen, sind die Angeklagten in diesen Fällen unter Anwendung des in-dubio-Satzes lediglich wegen Beihilfe - und erneut zugunsten der Angeklagten - lediglich wegen einer Beihilfehandlung, die sich auf alle Diebstahlstaten ausgewirkt hat, zu verurteilen.
Da nach den Feststellungen die Diebstähle jeweils von mehreren Bandenmitgliedern verübt wurden und dabei die Regelbeispiele nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB verwirklicht wurden, sind die Angeklagten jeweils wegen einer Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl - soweit die Angeklagten Ju. und J. als Täter bei drei (II. 22 a - c) bzw. bei acht Diebstählen (II. 1 a - h) zusammen mit anderen unbekannt gebliebenen Bandenmitgliedern festgestellt sind - wegen schweren Bandendiebstahls zu verurteilen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls nicht entgegen, daß nicht bekannt ist, welche Bandenmitglieder die Taten jeweils ausgeführt haben bzw. wer die Mittäter von Ju. bzw. J. bei den von ihnen täterschaftlich begangenen Diebstählen waren. Es genügt für den Tatbestand des Bandendiebstahls, wenn ein Bandenmitglied mit einem anderen Bandenmitglied in irgendeiner Weise, etwa auch als Gehilfe, zusammenwirkt. Daß jeweils mehrere auch am Tatort anwesende Bandenmitglieder die Diebstähle ausgeführt haben, hat das Landgericht festgestellt.
Der Schuldspruch war danach wie geschehen zu ändern. Dabei waren bei den Angeklagten Ju. und J. zugleich Zählfehler der Kammer zu berichtigen. Bei dem Angeklagten Ju. sind in den dem Angeklagten vorgeworfenen 156 Diebstahlstaten auch die drei täterschaftlich begangenen Diebstähle (II. 22 a - c) erfaßt, so daß nur eine Beihilfe zu 153 Fällen des schweren Bandendiebstahls anzunehmen ist. Bei dem Angeklagten J. hat die Kammer die Fälle II. 13 a - i nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, jedoch statt neun Fällen nur einen Fall als eingestellt berücksichtigt. Der Angeklagte J. ist daher wegen Beihilfe zu 147 Fällen des schweren Bandendiebstahls zu verurteilen. Er ist darüber hinaus wegen - täterschaftlich begangenen - schweren Bandendiebstahls in 8 Fällen zu verurteilen.
Der Senat konnte die Schuldspruchänderung selbst vornehmen. § 265 StPO steht nicht entgegen. Den Angeklagten war in der Anklage wahlweise schwerer Bandendiebstahl oder Hehlerei vorgeworfen worden. Es ist auszuschließen, daß sie sich gegen den geänderten Schuldvorwurf wirksamer hätten verteidigen können.
Die Schuldspruchänderung war nach § 357 StPO auf den Angeklagten Ju. zu erstrecken. Statt der Verurteilung wegen der alternativ begangenen täterschaftlichen Diebstähle in 156 Fällen wahlweise gewerbsmäßiger Hehlerei in 21 Fällen kommt lediglich eine Beihilfe zu 153 Fällen des schweren Bandendiebstahls (mit günstigerem Strafrahmen) in Betracht. Die Schuldspruchänderung auf schweren Bandendiebstahl ist auch hinsichtlich der drei Fälle der eindeutigen Verurteilung geboten, weil sie sich jedenfalls insgesamt im wesentlichen zu seinen Gunsten ausgewirkt hat und es sonst zu schwer erträglichen Widersprüchen käme (vgl. bei einer teilweise zu Lasten des Nichtrevidenten erfolgten Schuldspruchänderung: Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 357 Rdn. 6 m.w.N., siehe auch ).
Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche zur Folge, soweit die Angeklagten wegen Diebstahls wahlweise wegen gewerbsmäßiger Hehlerei verurteilt worden sind. Das Landgericht wird insoweit für die durch eine Tat begangene Beihilfe an 164 bzw. 153 bzw. 147 als schwerer Bandendiebstahl zu beurteilenden Taten für jeden Angeklagten jeweils eine Einzelstrafe festzusetzen haben. Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche zieht die Aufhebung der Gesamtstrafenaussprüche nach sich. Soweit die Angeklagten als Täter verurteilt sind (M. Fall II. 24, Ju. Fälle II. 22 a - c, J. Fall II. 1 a - h und 25) bleiben die Einzelstrafaussprüche bestehen.
Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen bleiben möglich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
CAAAC-09947
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