BGH Beschluss v. - 4 StR 559/04

Leitsatz

[1] Zur tatbestandlichen Vermögensverfügung bei einem durch Täuschung erreichten Abschluß eines "0190er-Nummernvertrages".

Gesetze: StGB § 263 Abs. 1

Instanzenzug: LG Frankenthal vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Verstoßes gegen das Ausländergesetz" in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mittelbarer Falschbeurkundung, wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und gewerbsmäßiger Hehlerei sowie wegen Fälschung beweiserheblicher Daten in 83 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und diverse Gegenstände eingezogen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat festgestellt:

1. Der Angeklagte, griechischer Staatsbürger, stellte im September 1999 bei der Stadtverwaltung B. einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und wies sich dabei mit einem unechten oder verfälschten griechischen Reisepaß, ausgestellt auf einen "L. P. " vor. Irrtumsbedingt erteilte ihm daraufhin das Landratsamt C. eine bis Ende September 2004 befristete Aufenthaltserlaubnis (Fall II. 1 der Urteilsgründe).

2. Unter dem vorbezeichneten Falschnamen beantragte der Angeklagte Ende Dezember 1999 bei der d. GmbH, einem Unteranbieter der von der D. T. herausgegebenen Servicerufnummern, die Einrichtung einer 0190er Rufnummer. Von vornherein handelte der Angeklagte in der Absicht, das Gebührenaufkommen auf der von ihm einzurichtenden "Sexhotline" manipulativ zu erzeugen und sich hierdurch die Auszahlungen der Anbietervergütungen durch die d. GmbH zu verschaffen. Durch die Inanspruchnahme falscher Personalien wollte er zum einen sicherstellen, daß es tatsächlich zu einem Vertragsschluß kommt, was bei Angabe seiner richtigen Identität wegen früheren einschlägigen Verhaltens nicht zu erwarten gewesen wäre; zum anderen wollte er dadurch verschleiern, daß er selbst die Verbindungsentgelte verursachte. Tatsächlich stellte ihm die d. GmbH "irrtumsbedingt" eine auf seinen Festnetzanschluß in B. aufgeschaltete 0190er-Servicerufnummer bereit. Um das Gebührenaufkommen seiner "Sexhotline" künstlich in die Höhe zu treiben, benutzte der Angeklagte zunächst von ihm selbst wieder aufgeladene Telefonkarten der D. T. , mit denen er seine 0190er Nummer selbst anwählte oder durch Dritte von öffentlichen Kartentelefonen anwählen ließ. Insoweit hat das Landgericht den Vorwurf des Computerbetruges (§ 263 a StGB) gemäß § 154 a StPO von der Verfolgung ausgenommen. Weil sich diese Vorgehensweise als sehr aufwendig erwies, ging er im Tatzeitraum März bis November 2000 dazu über, Mobilfunkkarten (sog. SIM-Karten) anzukaufen, denen (nicht ausschließbar ohne Beteiligung des Angeklagten) von dritten Personen jeweils unter falschen Personalien betrügerisch abgeschlossene Verträge zugrunde lagen. Mit den so erworbenen SIM-Karten wählte der Angeklagte dann seine 0190er Nummer an. Die SIM-Karten nutzte er dabei in der Regel solange, bis es infolge der Nichtzahlung der Telefonrechnungen zur Sperrung der Rufnummern kam. Da bei der für den Angeklagten freigeschalteten Servicerufnummer eine "Auszahlungsgarantie" für die anfallenden Gebühren - unabhängig von der Eintreibbarkeit der Verbindungsentgelte durch die Telefonnetzbetreiber - bestand, erhielt die d. GmbH die angefallenen Gebühren von den beteiligten Telefonnetzbetreibern über die D. T. AG, die ihrerseits die Entgelte von den Mobilfunknetzbetreibern einzog, ausbezahlt. Unter Abzug ihres Anteils für die Bereitstellung der Rufnummer leitete die d. GmbH die Anbietervergütungen an den Angeklagten weiter, was dieser von vornherein beabsichtigt hatte. Im Tatzeitraum überwies die d. GmbH auf das Konto des Angeklagten Vergütungen in Höhe von insgesamt knapp 800.000 DM. Das Geld verbrachte der Angeklagte fast vollständig nach Griechenland. Die Mobilfunknetzbetreiber fielen mit ihren Gebührenansprüchen insgesamt aus. Denn da die Mobilfunkverträge jeweils unter Angabe falscher Personalien abgeschlossen worden waren, konnten die Netzbetreiber die Verbindungsentgelte, die sie an die D. T. ausbezahlten, ihrerseits nicht eintreiben (Fall II. 2 der Urteilsgründe).

3. Auch nachdem der Angeklagte nicht mehr manipulierte Telefonkarten verwendete, lud er mit einem eigenen Ladegerät mindestens 83 abtelefonierte Telefonkarten der D. T. AG wieder auf, um die Karten gewinnbringend weiterzuverkaufen oder für sich zu verwenden (Fall II. 3 der Urteilsgründe).

II.

Die Verfahrensrügen greifen nicht durch, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom zutreffend ausgeführt hat. Dagegen hält das angefochtene Urteil in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Zu Fall II. 1 der Urteilsgründe

Das Urteil weist keinen Rechtsfehler auf, soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1 wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) verurteilt hat. Ebenso zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten auch der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 StGB) durch Erschleichung der auf seinen Aliasnamen lautenden Aufenthaltserlaubnis nach §§ 3 ff. AufenthG/EWG vom (BGBl I 51) für schuldig befunden (vgl. BGH EzSt 1987 StGB § 271 Nr. 1). Daß die gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltserlaubnis (EG) bereits nach der im Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage nur deklaratorischer Natur war (vgl. BTDrucks. 15/420 S. 101), steht der Strafbarkeit nach dieser Vorschrift nicht entgegen (vgl. BGHSt 42, 131, 132). Der Senat hat jedoch mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154 a Abs. 2 StPO den Vorwurf des "Verstoßes gegen das Ausländergesetz" von der Verfolgung ausgenommen.

Der Einzelstrafausspruch im Fall II. 1 wird von der Beschränkung nicht berührt und kann deshalb bestehen bleiben. Das Landgericht hat die Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe dem Strafrahmen des § 267 Abs. 1 StGB entnommen. Daß sich die vom Landgericht angenommene Strafbarkeit nach § 92 Abs. 2 AuslG strafschärfend ausgewirkt hat, ergeben die Urteilsgründe nicht und schließt der Senat aus.

2. Zu Fall II. 2 der Urteilsgründe

Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten ohne Rechtsfehler der gewerbsmäßigen Hehlerei durch Ankauf der betrügerisch erlangten SIM-Karten gemäß § 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB und wegen des unter falschem Namen abgeschlossenen Vertrages mit der d. GmbH der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden. Es beschwert den Angeklagten nicht, daß das Landgericht das gesamte deliktische Geschehen als rechtliche Handlungseinheit angesehen hat.

Dagegen tragen die Feststellungen die Verurteilung wegen Betruges nicht.

Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe sich des Betruges schuldig gemacht, beruht auf einer unzureichenden Bewertung der Rechtsbeziehungen im Rahmen der sog. Mehrwertdienste bei den 0190er-Sondernummern.

a) Das Landgericht sieht den Betrug durch den Angeklagten dadurch als verwirklicht an, daß er durch die Täuschung über seine Identität die d. GmbH zu dem Abschluß des Vertrages über die Einrichtung der 0190er-Servicenummer veranlaßt hat. Dadurch sei die d. GmbH verpflichtet worden, dem Angeklagten die entstehenden Anbietervergütungen auszuzahlen. Dies stelle eine "Vermögensgefährdung zu Lasten der beteiligten Netzbetreiber" dar, die sich in der Folge durch die erfolgten Auszahlungen vertiefte; dabei habe die d. GmbH "gleichzeitig als zwischengeschaltete Zahlstelle für den Netzbetreiber einerseits und den Angeklagten andererseits fungiert" (UA 38/39). Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.

b) Zutreffend hat das Landgericht als Geschädigte des dem Angeklagten als Betrug angelasteten Verhaltens nicht die d. GmbH als den sogenannten Nummernprovider, sondern die Mobilfunknetzbetreiber angesehen (zu den Begriffen vgl. Härting Recht der Mehrwertdienste, 2004, Rdn. 21, 93). Denn diese trugen hier nach den Feststellungen aufgrund der "Auszahlungsgarantie" das Inkassorisiko (vgl. dazu Härting aaO Rdn. 252, 272 f.) allein. Sie waren danach ihrerseits gegenüber der D. T. AG als sogenanntem Zugangsprovider sowie diese wiederum gegenüber der d. GmbH zur Auszahlung der Anbietervergütungen verpflichtet, die zuletzt - wie vom Angeklagten geplant - an ihn weitergeleitet wurden.

Ein dadurch bei den Funknetzbetreibern eingetretener Vermögensschaden stellt sich aber entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht als bloße Realisierung einer bereits durch den Vertragsschluß der d. GmbH mit dem Angeklagten entstandenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (vgl. dazu Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 263 Rdn. 94 ff. m.N.) dar. Eine solche Annahme setzte voraus, daß die d. GmbH schon durch die Einrichtung der 0190er-Nummer zugunsten des Angeklagten über das Vermögen der Funknetzbetreiber eine diese schädigende Verfügung getroffen hätte. Das trifft indes nicht zu. Denn mit dem Abschluß des Vertrages verspricht der Nummernprovider lediglich die Schaltung der Mehrwertnummer sowie die Abrechung und Weiterleitung der Anbietervergütungen, die die Nutzer an die Funknetzbetreiber bzw. an den oder die Zugangsprovider zu zahlen haben (Härting aaO Rdn. 264). Eine Vermögensverfügung zum Nachteil der der Funknetzbetreiber lag darin nicht.

Denn eine tatbestandsmäßige Vermögensverfügung setzt voraus, daß sie unmittelbar in das Vermögen des Geschädigten mindernd eingreift (h.A.; BGHSt 14, 170 unter Bezugnahme auf die Rspr. des Reichsgerichts RGSt 47, 151, 153 u. RGSt 58, 215, 216; OLG Karlsruhe NStZ 1996, 282 zum Prozeßbetrug; Lackner in LK 10. Aufl. § 263 Rdn. 99 ff.). Wenn der Getäuschte nicht selbst der Geschädigte ist, so kann der für den Betrug erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Verfügung des Getäuschten und der Vermögensbeeinträchtigung des Geschädigten nur dann vorliegen, wenn schon im Augenblick der Verfügung des Getäuschten durch sie unmittelbar das Vermögen des Geschädigten eine Einbuße erleidet (RGSt 58 aaO). An dem Unmittelbarkeitserfordernis der Vermögensverfügung fehlt es, wenn der Getäuschte dem Täter lediglich die tatsächliche Möglichkeit gibt, den Vermögensschaden durch weitere selbständige deliktische Schritte herbeizuführen (vgl. die Beispielsfälle OLG Celle NJW 1975, 2218; OLG Düsseldorf NJW 1974, 1833; OLG Hamm wistra 1982, 152, 153; OLG Saarbrücken NJW 1968, 262). Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof etwa allein im Erschleichen einer Kundenkarte im sogenannten "Zwei-Partner-System" keinen Betrug gesehen, weil dadurch dem Täter lediglich ein Kreditrahmen eingeräumt werde; darin liege noch keine schädigende Vermögensverfügung, vielmehr werde der Tatbestand des § 263 StGB erst durch die ohne Zahlungsbereitschaft erfolgende Verwendung der Kundenkarte beim Erwerb von Ware verwirklicht (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensverfügung 2). Entsprechendes gilt hier erst recht, zumal zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages des Angeklagten mit der d. GmbH die letztlich geschädigten Funknetzbetreiber noch gar nicht feststanden.

Die Erschleichung des Vertrages über die Einrichtung der 0190er-Nummer als solche eröffnete dem Angeklagten zwar die faktische Möglichkeit, durch die Anrufe bei dieser Nummer letztlich die von der d. GmbH an ihn weitergeleiteten Verbindungsentgelte "abzukassieren". Doch wurde die Vermögenslage der Funknetzbetreiber dadurch noch nicht berührt. Vielmehr war erst die mißbräuchliche Nutzung der hehlerisch erworbenen bzw. manipulierten Telefonkarten durch den Angeklagten selbst entscheidend für die Schädigung der Funknetzbetreiber.

c) Der Vorwurf des Betruges muß deshalb entfallen. Nach den getroffenen Feststellungen scheidet auch eine (mit-)täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an der betrügerischen Beschaffung der SIM-Karten (vgl. BGH StV 2004, 488 = wistra 2004, 299) aus. Ein Betrug liegt ebenfalls nicht in dem ohne Zahlungsabsicht erfolgten Anwählen der (eigenen) 0190er-Nummer. Hierbei handelt es sich um einen bloß technischen Vorgang, durch den die gebührenpflichtige Verbindung hergestellt wird, in dem deshalb regelmäßig keine irrtumsbedingte Vermögensverfügung liegt; diese Besonderheit hat zur Einführung der Strafvorschrift des Computerbetruges (§ 263 a StGB) geführt (BGH aaO).

d) Eine Verurteilung des Angeklagten wegen des mißbräuchlichen Einsatzes der SIM-Karten kommt hier aber auch unter dem Gesichtspunkt des (gewerbsmäßig begangenen) Computerbetrugs gemäß § 263 a (Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1) StGB nicht in Betracht. Das maßgebliche Interesse des Angeklagten und das Hauptgewicht seines deliktischen Vorgehens lag von vornherein nicht in der Täuschung der Mitarbeiter der d. GmbH, sondern im Einsatz der betrügerisch erlangten SIM-Karten. Der Tatbestand des § 263 a StGB in der hier allein in Betracht zu ziehenden Tatvariante der unbefugten Verwendung von Daten erfaßt die Verwendung gefälschter, manipulierter oder mittels verbotener Eigenmacht erlangter Karten aber nur durch einen Nichtberechtigten (BGHSt 47, 160, 162 m.w.N.). Die Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben indes nicht, daß der Angeklagte in diesem Sinne "Nichtberechtigter" war. Allerdings hat der Angeklagte SIM-Karten verwendet, die aus unter nicht existenten Personalien abgeschlossenen Verträgen stammten. Doch ist nach der bisherigen - zu EC-Karten ergangenen - Rechtsprechung "berechtigter" Karteninhaber auch derjenige, der die Überlassung der Karte unter Täuschung über seine Identität vom Kartenaussteller erlangt hat (BGHSt 47 aaO). Danach scheidet eine Strafbarkeit nach § 263 a StGB auch dann aus, wenn der solchermaßen "berechtigte" Karteninhaber die Karte einem anderen überläßt und dieser die Karte abredewidrig nutzt (so für Mobiltelefonkarten BGH StV 2004, 488 = wistra 2004, 299).

Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch dahin, daß der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe ("nur") der gewerbsmäßigen Hehlerei in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig ist.

3. Die Änderung des Schulspruchs im Fall II. 2 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der in diesem Fall erkannten Einsatzstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe. Denn auch wenn der Tatrichter nicht gehindert ist, den bei den Netzbetreibern durch den Angeklagten angerichteten Schaden auch auf der Grundlage des geänderten Schulspruchs strafschärfend zu berücksichtigen, kann der Senat nicht ausschließen, daß die Strafe ohne den Vorwurf des Betruges niedriger ausgefallen wäre. Dies hat auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, den Anrechnungsmaßstab für die in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft zu bestimmen (vgl. dazu : Maßstab 1 : 1).

Fundstelle(n):
NJW 2005 S. 2789 Nr. 38
wistra 2005 S. 427 Nr. 11
MAAAC-08817

1Nachschlagewerk: ja