Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 21; StGB § 211 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen Totschlags zehn Jahre Freiheitsstrafe verhängt, hat ihn unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Revision eingelegt. Während sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts wendet und darüber hinaus die Strafzumessung angreift, beanstanden Staatsanwaltschaft und Nebenkläger, daß der Angeklagte nicht wegen Mordes verurteilt worden ist. Außerdem rügen sie, das Landgericht habe sich mit der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht zutreffend auseinandergesetzt und das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ungeprüft übernommen. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
I.
Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Am Vorabend der Tat begab sich der bereits angetrunkene Angeklagte in eine Gaststätte, wo er zunächst eine tätliche Auseinandersetzung mit einem entfernten Bekannten provozierte. Kurze Zeit später wurde er beschuldigt, gegen das vor der Gaststätte abgestellte Fahrzeug des Zeugen S getreten und möglicherweise auch versucht zu haben, dieses zu entwenden. Da jedoch zunächst keine Beschädigungen an dem PKW festzustellen waren, ließ der Zeuge die Sache auf sich beruhen und kehrte - ebenso wie der Angeklagte - in die Gaststätte zurück. Dort wurde er von dem empörten Angeklagten beschimpft und kurzfristig auch mit einem Butterflymesser bedroht. Im Verlauf des Abends nahm der Angeklagte weiter Alkohol zu sich und konsumierte auch Rauschgift.
Gegen 1.00 Uhr des folgenden Tages machte sich das spätere Tatopfer, die 62jährige T , auf den Heimweg. Auf Bitten des Gastwirts nahm sie neben dem Zeugen V auch den ihr bis dahin unbekannten Angeklagten in ihrem Wagen mit, da beide in einem Ort auf der Wegstrecke der Frau T wohnten. Dort angekommen, stieg zunächst der Zeuge aus, wobei ihm der Angeklagte behilflich war, sein Fahrrad aus dem Kofferraum zu heben. Als Frau T bei der Weiterfahrt auf einem unbefestigten Weg langsam fahren mußte, stach der Angeklagte plötzlich mit dem Butterflymesser auf sie ein und brachte ihr insgesamt 31 Stich- und Schnittverletzungen bei. Nachdem T aufgrund der erlittenen schweren Verletzungen immer schwächer geworden war, drängte der Angeklagte sie aus dem Auto; die Frau verblutete am Wegesrand.
Mit dem PKW seines Opfers fuhr der Angeklagte anschließend zur Wohnung eines befreundeten Paares, wo er sich im folgenden verborgen hielt. Nach drei Tagen wurde er dort festgenommen; unter der Kranzleiste des Küchenschranks wurde die EC-Karte der Getöteten gefunden.
Zur Schuldfähigkeit hat die sachverständig beratene Strafkammer festgestellt, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund vorherigen Alkohol- und Drogenmißbrauchs im Sinne von § 21 StGB erheblich eingeschränkt war.
II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Daß der Tatrichter angesichts der massiven Vorgehensweise des Angeklagten (bedingten) Tötungsvorsatz angenommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Strafzumessung enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
III.
Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen von Habgier und niedrigen Beweggründen abgelehnt hat, halten rechtlicher Prüfung stand. Auch daß die Strafkammer die Mordmerkmale der heimtückischen und grausamen Begehungsweise nicht erkennbar geprüft hat, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
1. Ein Täter handelt aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge eines noch über bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens darstellt (BGHSt 29, 317, 318; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 8 m. w. N).
Dies hat das Landgericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei verneint. Dabei hat es sich ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte, der sich an die Tat und deren Vorgeschichte nicht erinnern will, mit der Absicht gehandelt hat, sich den PKW seines Opfers und/oder die EC-Karte zuzueignen. Die Strafkammer vermochte jedoch nicht auszuschließen, daß der Angeklagte erst nach dem Zustechen den Gedanken faßte, unter Benutzung des Fahrzeugs zu flüchten. Bei dieser Erwägung hat sie nicht übersehen, daß der Angeklagte kurz vor der Tat verdächtigt worden war, sich möglicherweise in Diebstahlsabsicht dem Fahrzeug des Zeugen S genähert zu haben, hat diesen nicht bewiesenen Umstand dann aber zu Recht außer Betracht gelassen. Es liegt ebenfalls im Rahmen tatrichterlicher Beurteilung, wenn das Landgericht es im Hinblick auf die EC-Karte der Getöteten für möglich hält, daß er diese erst nach der Tat entdeckt und dann an sich genommen hat. Allerdings hat die Strafkammer in dem hier gegebenen Zusammenhang die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten wegen Diebstahls, Raubes und gefährlicher Körperverletzung nicht ausdrücklich in die Beweiswürdigung mit einbezogen. Angesichts der ausführlichen Darstellung dieser früheren Straftaten im Urteil ist jedoch auszuschließen, das Landgericht könne deren mögliche indizielle Bedeutung nicht bedacht haben.
2. Auch daß die Strafkammer das Vorliegen niedriger Beweggründe abgelehnt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Beweggründe sind niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen (vgl. BGHSt 42, 226, 228; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 9 m. w. N.). In subjektiver Hinsicht muß hinzukommen, daß sich der Täter bei der Tat der Umstände bewußt ist, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen, und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (BGHSt 28, 210, 212; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11 und 15). Ob dies der Fall ist, bedarf insbesondere bei plötzlichen Situationstaten genauerer Prüfung (vgl. BGH StV 2000, 20, 21, BGH NStZ 2001, 87; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 12 m. w. N.).
Aus welchen Motiven der Angeklagte T getötet hat, konnte letztlich nicht zuverlässig geklärt werden. Von Habgier hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht zu überzeugen vermocht. Für das Vorliegen anderer Motive fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Gestützt auf die Aussage des Zeugen V , wonach auf der Heimfahrt eine ruhige Atmosphäre herrschte und der Angeklagte sich unauffällig verhielt, sieht die Strafkammer auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß T den Angeklagten kurz vor der Tat verärgert oder in anderer Weise in Wut versetzt haben könnte. Angesichts des gesamten Tatbildes einschließlich der Vorgeschichte, der psychischen Verfassung und der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten ist die Annahme des Landgerichts, der zur Tatzeit erheblich unter Alkohol- und Drogeneinfluß stehende Angeklagte habe die Tat nicht ausschließbar in einem affektiven Durchbruch ohne Vorplanung aus dem Augenblick heraus begangen, nicht fernliegend.
Einer Prüfung, ob sich darüber hinaus die Annahme niedriger Beweggründe auch deshalb verbot, weil fraglich erscheint, daß sich der zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkte Angeklagte bei seinem nicht ausschließbar spontan geführten Angriff der etwaigen Niedrigkeit seiner Beweggründe bewußt war, bedurfte es daher nicht.
3. Des weiteren begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, daß die Strafkammer nicht erkennbar geprüft hat, ob der Angeklagte T heimtückisch oder grausam getötet hat.
Zwar liegt es nicht fern, daß T arg- und wehrlos war, als der Angeklagte sie mit Tötungsvorsatz angriff. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe und insbesondere dem ausführlich dargestellten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen entnimmt der Senat jedoch, daß der Tatrichter jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke, nämlich das Bewußtsein, die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auszunutzen, sicher ausgeschlossen hat; entsprechende Ausführungen waren danach nicht unerläßlich. Auch die Staatsanwaltschaft hat ihre Anklage nicht auf das Mordmerkmal der Heimtücke gestützt.
Die Feststellungen belegen bereits nicht die objektiven Voraussetzungen einer grausamen Begehungsweise im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB. Jedenfalls durfte das Landgericht auch hier annehmen, daß dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, dem Opfer beim Tötungsvorgang besondere Qualen zuzufügen. Die Nichterörterung dieser Gesichtspunkte stellt deshalb keinen Rechtsfehler dar, zumal da die Staatsanwaltschaft auch dieses Mordmerkmal in der Anklage nicht benannt hat.
4. Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt schließlich auch die weitere sachlich-rechtliche Beanstandung zur erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit.
Die hierzu getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen W , dem das Landgericht gefolgt ist. Die hiergegen geltend gemachten Bedenken, das Landgericht habe es bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit an der gebotenen eigenverantwortlichen Prüfung des Gutachtens (vgl. BGHSt 7, 238; 12, 311; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 92) fehlen lassen, sind unbegründet. Das Landgericht hat nach eingehender Darstellung des Gutachtens zusammenfassend ausgeführt, daß angesichts der Erläuterungen des Sachverständigen keine Zweifel daran bestehen, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bei erhaltener Einsichtsfähigkeit erheblich in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt und damit vermindert schuldfähig gewesen sei (UA S. 44). Daß die Strafkammer sich genügend mit dem Sachverständigen auseinandergesetzt hat, lassen auch die Urteilsausführungen zur Persönlichkeit des Angeklagten erkennen, die das Gutachten eng mit der Frage der Schuld verknüpft. In diesem Zusammenhang teilt das Urteil im einzelnen mit, aus welchen Gründen es sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt und sich dessen Ausführungen zu eigen macht (UA S. 34).
Davon abgesehen darf sich der Tatrichter auch mangels genügender eigener Kenntnisse auf dem für die Urteilsfindung maßgeblichen Wissensgebiet darauf beschränken, sich der Beurteilung des Sachverständigen hinsichtlich der einschlägigen Fachfragen anzuschließen, wenn er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergibt, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (vgl. BGHSt 7, 238; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32 m. w. N.). Dies ist im vorliegenden Fall mehr als ausreichend geschehen. Insbesondere hat der Sachverständige auch zu den von den Beschwerdeführern angeführten Gesichtspunkten Stellung genommen, die nach Auffassung der Revision eine erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen. Dies gilt namentlich im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten, das keine Störungen seines Leistungsverhaltens oder sonstige auf eine erheblich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit hinweisenden Auffälligkeiten erkennen ließ. Der Sachverständige hat dieses Phänomen nachvollziehbar damit erklärt, daß hier das zusätzlich zu dem Alkohol genossene Rauschgift bei dem ohnehin zu Aggressionen neigenden Angeklagten einen affektiven Durchbruch begünstigt haben könnte, wobei der Sachverständige dies ausdrücklich nur auf den Tatzeitpunkt bezieht (UA S. 41, 42). Mit einem unauffälligen Nachtatverhalten des alkoholgewohnten Angeklagten ist diese Bewertung vereinbar (vgl. BGHR StGB § 21 Alkoholauswirkungen 6; Blutalkoholkonzentration 4).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
PAAAC-06966
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