BGH Beschluss v. - XII ZB 66/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

I.

Mit Urteil des Amtsgerichts München - Familiengericht - vom wurde die Ehe der Parteien geschieden. Das Urteil wurde der Beklagten zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten Dr. R., einer in Österreich niedergelassenen Rechtsanwältin, am zugestellt. Mit Schriftsatz vom , dort eingegangen am , legte diese für die Beklagte Berufung zum Landgericht München I ein und begründete sie mit Schriftsatz vom . Das Landgericht leitete die Schriftsätze an das Oberlandesgericht München weiter. Die Berufung ging dort am ein, was der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 19. Februar mitgeteilt wurde. Mit Verfügung vom , an die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten abgesandt mit Schreiben vom , dem letzten Tag der Berufungsfrist, wies das Oberlandesgericht die Prozeßbevollmächtigte auf Bedenken gegen ihre Postulationsfähigkeit hin und forderte sie auf, sich zu ihrer Zulassung beim Oberlandesgericht zu äußern.

Mit Schriftsatz ihrer neuen Prozeßbevollmächtigten vom hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung zugleich begründet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihre Prozeßbevollmächtigte erster Instanz sei beim Oberlandesgericht nicht zugelassen. Unabhängig von deren Verschulden sei wegen eines mitursächlichen Fehlverhaltens der Gerichte Wiedereinsetzung zu gewähren. Bereits das Landgericht habe Anfang Februar 2002 die offensichtlich falsche Adressierung der Berufung erkennen können, habe aber keinen rechtzeitigen Hinweis erteilt. Entsprechendes gelte für das Oberlandesgericht mit Blick auf die fehlende Postulationsfähigkeit der Anwältin Dr. R..

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Es hat darauf hingewiesen, daß kein für die Versäumung der Berufungsfrist mitursächliches Fehlverhalten des Gerichts vorliege. Entscheidend sei, daß die Berufung von einem nicht postulationsfähigen Anwalt eingelegt worden sei. Der Senat sei nicht gehalten gewesen, einer drohenden Fristversäumung entgegenzuwirken. Ein offensichtlich sich aufdrängendes Versehen der Kanzlei Dr. R. liege nicht vor. Rechtsanwältin Dr. R. sei ausweislich ihres Briefkopfes auch zur Vertretung in Deutschland zugelassen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulässigkeit sie wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für gegeben erachtet. Sie macht geltend, der mit der Sache befaßte Richter habe am Freitag, den verfügt, ihre Prozeßbevollmächtigte auf die möglicherweise fehlende Postulationsfähigkeit hinzuweisen. Das Schreiben sei am Montag, den , an die Prozeßbevollmächtigte abgesandt worden. Das Gericht hätte den Fristablauf vermeiden können, wenn es den Hinweis durch Telefax übermittelt hätte. Wegen des Rechts auf ein faires Verfahren sei es geboten gewesen, noch am Freitag telefonisch vorab zu informieren. Die Entscheidung des Berufungsgerichts weiche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. - NJW 2002, 3029 f.). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann ( aaO). Das ist hier nicht der Fall. Die Frage, ob das Berufungsgericht verpflichtet ist, durch Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes die Versäumnis einer Partei auszugleichen, ist nicht entscheidungserheblich; eine Pflicht des Gerichts, die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten auf die fehlende Postulationsfähigkeit hinzuweisen, bestand nämlich im vorliegenden Fall nicht. Der Beklagten wurde mit Schreiben vom noch vor Ablauf der Berufungsfrist mitgeteilt, daß das Landgericht die Berufung dem Oberlandesgericht vorgelegt habe. Das folgt aus dem Wiedereinsetzungsgesuch, mit dem die Beklagte gerügt hat, daß im Schreiben vom an die Kanzlei Dr. R. kein Hinweis auf den offensichtlichen Irrtum enthalten gewesen sei, sondern erst im Schreiben vom , das nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangen sei. Hat die Beklagte aber das Schreiben vom 19. Februar während laufender Berufungsfrist erhalten, dann war es ihre Pflicht zu überprüfen, ob sie am Oberlandesgericht postulationsfähig war. Es ist Grundvoraussetzung für eine ordnungsgemäße anwaltliche Tätigkeit, daß sich der Bevollmächtigte jederzeit sichere Gewißheit darüber verschafft, ob er für seinen Mandanten bei dem angerufenen Gericht anwaltlich tätig sein darf ( - VersR 1993, 124, 125). Das Übersehen der mangelnden Postulationsfähigkeit begründet regelmäßig ein Anwaltsverschulden ( - VersR 1982, 848, 849). Für den dienstleistenden Rechtsanwalt ergeben sich insoweit keine Abweichungen.

2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) erforderlich. Bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde nur dann zulässig, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu tage tritt, also offenkundig ist ( aaO) und die Entscheidung hierauf beruht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nämlich nur dann Bedeutung erlangen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im Ganzen zu beschädigen (BGH aaO unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/4722 S. 104). Die Rechtsbeschwerde zeigt jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.

Fundstelle(n):
VAAAC-06267

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein