BGH Beschluss v. - X ZR 68/99

Leitsatz

[1] Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es geboten, für die Verpflichtung des Gerichts, seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst zu korrigieren, und damit für die Einlegung einer Gegenvorstellung eine zeitliche Grenze vorzusehen. Diese ist in Anlehnung an die im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen vor dem Bundesgerichtshof geltende Wiedereinsetzungsfrist mit zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung zu bemessen.

Gesetze: PatG 1981 §§ 110 ff.; ZPO § 234 A

Instanzenzug: Bundespatentgericht

Gründe

1. Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 555 460 (Streitpatents), das eine kosmetische Filter-Zusammensetzung betrifft. Auf die Teilnichtigkeitsklage der Klägerin hat das Bundespatentgericht das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nicht erklärt. Die Berufung der Beklagten hat der Senat durch Urteil vom zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Gegenvorstellung. Sie macht geltend, das Urteil sei unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zustande gekommen. Der Senat hat angenommen, daß der Fachmann eine Konkretisierung des organischen UV-Absorbers in der französischen Offenlegungsschrift 2 567 351 gefunden habe, die als geeigneten organischen Filter eine kosmetische Zusammensetzung mit Benztriazol vorschlage. Gerade diesen organischen Filter zu prüfen und eine Kombination mit Nanopigmenten von Metalloxiden in Erwägung zu ziehen, habe für den Fachmann nahegelegen (Urteilsumdruck S. 16 unten/17 oben). Dabei sei der Senat fälschlich davon ausgegangen, daß die französische Offenlegungsschrift eine kosmetische Zusammensetzung mit Benztriazol offenbare. Tatsächlich offenbare sie aber Benzophenone, eine völlig andere Substanzklasse. Hätte der Senat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß er die französische Druckschrift dahin verstehe, daß dort Benztriazol offenbart werde, dann hätte die Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß der Senat hier einem Mißverständnis unterliege.

2. Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.

a) Es braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, ob nach der Neuregelung des Rechtsmittelsystems durch das Zivilprozeßreformgesetz vom (BGBl. I S. 1887) eine Gegenvorstellung gegen ein rechtskräftiges Urteil des Bundesgerichtshofs im Patentnichtigkeitsverfahren statthaft ist. In den verfahrensrechtlichen, das Nichtigkeitsverfahren betreffenden Vorschriften des Patentgesetzes und - ergänzend - in der Zivilprozeßordnung ist eine Gegenvorstellung auf Grund einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gegen ein rechtskräftiges Berufungsurteil des Bundesgerichtshofs nicht vorgesehen. Dieses Rechtsschutzsystem genügt zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Plenarbeschluß v. - 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395) nur teilweise den für den Rechtsschutz bei der Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen, nämlich soweit eine Verletzung im allgemeinen Rechtsmittelsystem geltend gemacht werden kann. Auch erfüllten die von der Rechtsprechung der Fachgerichte zur Schließung der Lücke im Rechtsmittelsystem entwickelten außerordentlichen Rechtsbehelfe nicht die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit. Deshalb müsse der Gesetzgeber bis zum eine Lösung finden.

Es kann auch dahinstehen, ob damit den Fachgerichten vor einer Neuregelung in Rechtsfortbildung freigestellt ist, ein rechtskräftiges Berufungsurteil wegen einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs zu überprüfen und mit der Rechtsfolge der Durchbrechung der Rechtskraft gegebenenfalls zu korrigieren.

b) Jedenfalls ist die Gegenvorstellung nicht zulässig. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es nämlich geboten, für die Verpflichtung des Gerichts, seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst zu korrigieren, und damit für die Einlegung einer Gegenvorstellung eine zeitliche Grenze vorzusehen (vgl. , NJW 2001, 2262; , NJW 2002, 1577). Diese ist in Anlehnung an die im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen vor dem Bundesgerichtshof geltende Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO; Sen.Beschl. v. - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010, 1011 - Schaltmechanismus; Sen.Beschl. v. - X ZR 41/00, GRUR 2001, 271, 272 - Kreiselpumpe) mit zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung zu bemessen. Von dieser Frist ist auch der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F. ausgegangen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat für den Fall nicht rechtzeitiger Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Frist von 14 Tagen ab Zustellung der Entscheidung als angemessen angesehen (BVerfG aaO, NJW 2003, 1924, 1928).

Diese Frist hat die Beklagte versäumt. Das Urteil vom ist ihr am zugestellt worden. Die Beklagte hat erst am Gegenvorstellung erhoben.

Fundstelle(n):
BAAAC-05254

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: nein