BGH Urteil v. - X ZR 29/05

Leitsatz

[1] a) § 81 Abs. 2 PatG bezweckt die Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen, die aus der Durchführung eines Nichtigkeitsverfahrens parallel zu einem Einspruchsverfahren entstehen können, indem die Vorschrift das Nichtigkeitsverfahren gegenüber dem Einspruchsverfahren subsidiär ausgestaltet und einen Ausschluß des Nichtigkeitsverfahrens bis zum Abschluß des Einspruchsverfahrens kraft Gesetzes bewirkt.

b) § 81 Abs. 2 PatG ist jedenfalls auf Nichtigkeitsklagen gegen europäische Patente anzuwenden, die nur auf Nichtigkeitsgründe gestützt werden, die zugleich Einspruchsgründe nach Art. 100 EPÜ sind.

c) Die Anwendung des § 81 Abs. 2 PatG auf Nichtigkeitsklagen gegen europäische Patente, die nur auf Nichtigkeitsgründe gestützt werden, die zugleich Einspruchsgründe nach Art. 100 EPÜ sind, verstößt nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG.

Gesetze: GG Art. 19 Abs. 4; PatG § 81 Abs. 2

Instanzenzug: Bundespatentgericht

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Europäischen Patents 0 555 376 (Streitpatent), das eine Vorrichtung zur Steuerung von Strahlung und die Verwendung dieser Vorrichtung betrifft und dessen Erteilung am veröffentlicht wurde. Es umfaßt 60 Patentansprüche, bezüglich deren Inhalts auf die Patentschrift verwiesen wird. Gegen die Erteilung des Streitpatents wurden beim Europäischen Patentamt (nachfolgend EPA) drei Einsprüche eingelegt. Zwei dieser Einsprüche wurden zurückgenommen. Über den dritten Einspruch, den der in der Streitpatentschrift als Erfinder genannte M. K. , welcher inzwischen Leiter der Forschungsabteilung der Klägerin ist, am erhoben hat, hat das Europäische Patentamt am in mündlicher Verhandlung entschieden. Das Patent wurde in abgeänderter Form gemäß Art. 102 Abs. 3 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) aufrechterhalten. Die Entscheidungsgründe wurden bislang noch nicht zugestellt.

Die im Jahre 2002 gegründete Klägerin hat gegen das Streitpatent Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht erhoben, mit der sie geltend macht, das Streitpatent sei nicht patentfähig, da der in der Patentschrift genannte Erfinder die Lehre des Streitpatents bereits im August 1990 veröffentlicht habe, sein Gegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit und die Patentansprüche 6 bis 10 seien unzulässig erweitert. Sie hat die Auffassung vertreten, § 81 Abs. 2 PatG sei auf eine Nichtigkeitsklage gegen ein europäisches Patent nicht anwendbar, jedenfalls verstoße seine Anwendung im vorliegenden Fall gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), verletze Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und führe zu einem Verstoß gegen Art. 28, 30 EG-Vertrag.

Das Bundespatentgericht hat die Klage für unzulässig gehalten und sie abgewiesen (veröffentlicht in GRUR 2005, 498 ff.).

Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, mit der sie beantragt,

das Urteil des Bundespatentgerichts vom aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts bleibt ohne Erfolg, weil die Klage zur Zeit unzulässig ist.

I. Nach § 81 Abs. 2 PatG kann die Klage auf Erklärung der Nichtigkeit eines Patents nicht erhoben werden, solange ein Einspruch noch erhoben werden kann oder ein Einspruchsverfahren anhängig ist. Die Vorschrift gilt für Einspruchsverfahren, die vor dem deutschen Patent- und Markenamt anhängig sind, und grundsätzlich auch für Einspruchsverfahren, die beim EPA geführt werden ( (EU); Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl., § 81 Rdn. 21; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 81 Rdn. 10 und Art. II § 6 IntPatÜG, Rdn. 7; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 81 Rdn. 38; Benkard/Rogge, EPÜ, Art. 138 Rdn. 34; Singer/Stauder/Schennen, Europäisches Patentübereinkommen, 2. Aufl., Art. 138 EPÜ Rdn. 8; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 725; von Albert, GRUR 1981, 451, 458; Staehelin, GRUR 1981, 496, 498; Dihm, Mitt. 1998, 441 ff.; grundsätzlich ebenso, jedoch differenzierend für den Fall, daß ein Nichtigkeitsgrund im europäischen Einspruchsverfahren nicht geltend gemacht werden kann, BPatGE 45, 190, 191 = GRUR 2002, 1045 ff. - Schlauchbeutel; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 2. Aufl. Rdn. 94; a.A. Pitz, GRUR 1995, 231, 238; Völp, GRUR Int. 1979, 396, 398; zu den unterschiedlichen Regelungen in den Vertragsstaaten des EPÜ Benkard/Rogge, EPÜ, Art. 138 Rdn. 35; Mangini, GRUR Int. 1983, 226 ff.).

Für die grundsätzliche Anwendung des § 81 Abs. 2 PatG auch auf Nichtigkeitsklagen gegen europäische Patente spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, der eine Differenzierung nach Einspruchsverfahren vor dem deutschen Patent- und Markenamt und dem EPA nicht zuläßt. Die sachliche Rechtfertigung der Subsidiarität des Nichtigkeitsverfahrens gegenüber dem Einspruchsverfahren besteht darin, sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Denn vor Abschluß des Einspruchsverfahrens steht nicht fest, mit welchem Inhalt das Patent letztlich Bestand haben wird. Deshalb ist nicht auszuschließen, daß ein Patent im Einspruchsverfahren einen Inhalt erhält, dem der in einem parallelen Nichtigkeitsverfahren geltend gemachte Stand der Technik nicht entgegensteht, obwohl er in einem vor Abschluß des Einspruchsverfahrens durchgeführten Nichtigkeitsverfahren zur Nichtigerklärung des Patents in seiner ursprünglich erteilten Fassung führen könnte (Benkard/Rogge, EPÜ, Art. 138 Rdn. 34; BPatGE 45, 190, 191 = GRUR 2002, 1045 ff. - Schlauchbeutel). Ohne die Vorschrift des § 81 Abs. 2 PatG sind derartige widersprüchliche Entscheidungen, die durch die Durchführung eines Nichtigkeitsverfahrens auf unsicherer Grundlage entstehen und zu einem ungerechtfertigten Verlust des Patents in seinem zu Recht erteilten Umfang führen können, nur durch eine Aussetzung des Nichtigkeitsverfahrens bis zum Abschluß des Einspruchsverfahrens zu vermeiden. § 81 Abs. 2 PatG vermeidet diese Gefahr, indem die Vorschrift das Nichtigkeitsverfahren gegenüber dem Einspruchsverfahren subsidiär ausgestaltet und eine Aussetzung des Nichtigkeitsverfahrens bis zum Abschluß des Einspruchsverfahrens kraft Gesetzes bewirkt. Gleichzeitig werden hierdurch parallele Verfahren über den Rechtsbestand eines Patents vermieden und das Bundespatentgericht von Nichtigkeitsverfahren entlastet (Begründung zum Gemeinschaftspatentgesetz, BlPMZ 1979, 276, 288 zu Nr. 45; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 81 Rdn. 39).

Dritte, die nicht selbst Einspruch eingelegt haben, werden hierdurch nicht in sachlich ungerechtfertigter Weise an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert. Denn ein Dritter, der nicht selbst Einspruch eingelegt hat und gegen den nach Ablauf der Einspruchsfrist Klage wegen Patentverletzung erhoben worden ist, kann dem laufenden Einspruchsverfahren bis zu dessen Abschluß beitreten (§ 59 Abs. 2 Satz 1 PatG). Gleiches gilt für Dritte, die aus dem Patent verwarnt worden sind und deshalb Klage auf Feststellung erhoben haben, daß sie das Patent nicht verletzen (§ 59 Abs. 2 Satz 2 PatG). Unbeschadet eines Beitritts kann jeder Dritte, auch wenn er nicht zum Beitritt berechtigt ist, dem Patentamt Druckschriften angeben, die der Erteilung des Patents hätten entgegenstehen können (§ 59 Abs. 3 i.V. mit § 43 Abs. 3 Satz 3 PatG). Im europäischen Einspruchsverfahren, dem diese Regelungen angeglichen sind (Benkard/Rogge, PatG u. GebrMG, § 59 PatG Rdn. 36), gilt nichts anderes (Art. 115 EPÜ).

Im Streitfall macht die Klägerin mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend, das Streitpatent sei wegen mangelnder Neuheit (Art. 52, 54 EPÜ), fehlender erfinderischer Tätigkeit (Art. 52, 56 EPÜ) und deshalb für nichtig zu erklären, weil sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in seiner ursprünglichen Fassung hinausgehe (Nichtigkeitsgründe nach Art. 138 Abs. 1 Buchst. a und c EPÜ). Dieselben Gründe können als Einspruchsgründe mit dem Einspruch nach Art. 100 Buchst. a bis c EPÜ geltend gemacht werden, sind in dem laufenden Einspruchsverfahren geltend gemacht und zu bescheiden, so daß die Voraussetzungen, unter denen die Subsidiarität der Nichtigkeitsklage gegenüber dem Einspruchsverfahren gerechtfertigt ist, im Streitfall vorliegen. § 81 Abs. 2 PatG ist daher jedenfalls auf Nichtigkeitsklagen gegen europäische Patente anzuwenden, die nur auf Nichtigkeitsgründe gestützt werden, die zugleich Einspruchsgründe nach Art. 100 EPÜ sind. Im Streitfall bedarf es deshalb keiner Entscheidung der Frage, ob der Grundsatz der Subsidiarität der Nichtigkeitsklage gegenüber dem Einspruchsverfahren gegen europäische Patente auch dann uneingeschränkte Anwendung finden kann, wenn die Nichtigkeitsklage gegen ein europäisches Patent auf Nichtigkeitsgründe gestützt wird, die nicht zugleich auch Einspruchsgründe im Einspruchsverfahren nach dem EPÜ sind.

II. Aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK läßt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht herleiten, daß der Grundsatz der Subsidiarität des Nichtigkeitsverfahrens gegenüber dem Einspruchsverfahren in Fällen wie dem vorliegenden zu durchbrechen ist.

1. Die Europäische Patentorganisation ist eine ins Völkerrecht verselbständigte juristische Person, der Hoheitsrechte zur Ausübung übertragen sind, insbesondere die Erteilung von Patenten mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Art. 4, 5, 64 Abs. 1 EPÜ). Das Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens sieht vor, daß gegen ein vom EPA erteiltes Patent von jedermann der befristete Einspruch eingelegt werden kann (Art. 99 EPÜ). Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ist die Beschwerde eröffnet (Art. 106 EPÜ), über die die Beschwerdekammer und gegebenenfalls auf Vorlage von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer entscheidet (Art. 110, 111, 112 EPÜ). Der Beitritt Dritter zum Einspruchsverfahren ist unter den Voraussetzungen des Art. 105 EPÜ möglich. In diesem Verfahren können die Einspruchsgründe nach Art. 100 Buchst. a und c EPÜ, über die im Streitfall im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt zu entscheiden ist, in gleicher Weise wie im Einspruchsverfahren nach deutschem Recht (§ 59 Satz 3 PatG i.V. mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 PatG) geltend gemacht werden.

Darüber hinaus sieht das Europäisches Patentübereinkommen vor, daß das europäische Patent in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt worden ist, dieselbe Wirkung hat und denselben Vorschriften unterliegt wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent, soweit sich aus diesem Abkommen nichts anderes ergibt (Art. 2 Abs. 2 EPÜ). Zwar enthält Art. 138 EPÜ vorbehaltlich des Art. 139 EPÜ eine Beschränkung der Nichtigkeitsgründe, die im nationalen Nichtigkeitsverfahren gegen ein europäisches Patent geltend gemacht werden können, um das europäische Patentsystem zu sichern und die Nichtigkeitsgründe nicht dem Belieben der Vertragsstaaten zu überlassen (Benkard/Jestaedt, EPÜ, Art. 2 Rdn. 9). Nichtigkeitsklagen gegen erteilte europäische Patente werden durch Art. 2 Abs. 2 aber den jeweiligen nationalen Vorschriften unterworfen und damit für die Art und Weise, wie die zugelassenen Nichtigkeitsgründe geltend zu machen sind, den national erteilten Patenten gleichgestellt. In der Sache ist das Begehren der Klägerin nicht darauf gerichtet, in ihren Rechtsschutzmöglichkeiten gegen ein erteiltes europäisches Patent so gestellt zu werden, wie sie im Falle der Nichtigkeitsklage vor Abschluß eines laufenden Einspruchsverfahrens gegen ein vom Deutschen Patent- und Markenamt erteiltes Patent stehen würde, sondern zielt darauf ab, durch die Nichtanwendung des § 81 Abs. 2 PatG auf Nichtigkeitsklagen gegen europäische Patente erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten eingeräumt zu erhalten, als sie das deutsche Recht gegenüber vom Deutschen Patent- und Markenamt erteilten deutschen Patenten vorsieht. Ein erteiltes europäisches Patent solchen, im deutschen Recht gegen erteilte deutsche Patente nicht vorgesehenen erweiterten Rechtsschutzmöglichkeiten zu unterwerfen, ist mit Art. 2 Abs. 2 EPÜ nicht zu vereinbaren.

Dieses Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens, das das Einspruchsverfahren unmittelbar und das Nichtigkeitsverfahren mittelbar durch Verweisung auf das für national erteilte Patente anzuwendende Recht (Art. 2 Abs. 2, Art. 138, 139 EPÜ) regelt, genügt dem Standard, der bei der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. 1 GG zu beachten ist. In bezug auf Akte der öffentlichen Gewalt einer unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland errichteten zwischenstaatlichen Einrichtung besteht keine durch Art. 19 Abs. 4 GG geschaffene Verpflichtung, ein Rechtsschutzsystem vorzusehen, das in Umfang und Wirksamkeit in jeder Hinsicht dem Rechtsschutzsystem gleichkommt, wie es in bezug auf Akte der deutschen öffentlichen Gewalt von Verfassungs wegen zu gewährleisten ist (BVerfGE 58, 1, 41; 59, 63, 86; , GRUR 2001, 728, 729). Eine nach Art. 24 Abs. 1 GG beachtliche Unterschreitung der von Art. 24 Abs. 1 GG geforderten Standards legt die Klägerin nicht dar.

2. Die Klägerin ist durch die Anwendung des § 81 Abs. 2 PatG auch nicht in ihren Rechten gemäß Art. 6 EMRK verletzt.

Die Europäische Patentorganisation ist nicht Mitglied der EMRK. Da die Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation mit Ausnahme Monacos jedoch zugleich Mitgliedstaaten der EMRK sind und Art. 125 EPÜ auf die in den Vertragsstaaten allgemein anerkannten Grundsätze des Verfahrensrechts verweist, ist eine mittelbare Bindung der Organe der Europäischen Patentorganisation an die EMRK anzunehmen. Die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts legen daher die Grundrechte der EMRK, zu denen die justiziellen Grundrechte nach Art. 6 Abs. 1 EMRK gehören, ihrer Rechtsprechung zu Grunde (vgl. Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, Entsch. v. - D 12/88, ABl. EPA 1991, 591, 595 - Werbung für Patentanwaltskanzlei; Benkard/Jestaedt, EPÜ, Art. 1 Rdn. 9). Den an den durch das Europäische Patentübereinkommen eröffneten Verfahren Beteiligten steht daher innerhalb des durch das Europäische Patentübereinkommen geschaffenen Rechtsschutzsystems die Möglichkeit offen, eine Verletzung der Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK geltend zu machen. Das Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentübereinkommens entspricht demzufolge auch im Hinblick auf die Gewährleistung der justiziellen Grundrechte aus Art. 6 EMRK im wesentlichen den durch das Grundgesetz geforderten Standards.

Der Klägerin steht, da sie an dem anhängigen Einspruchsverfahren bislang nicht beteiligt ist, diese Möglichkeit zwar nicht offen. Daraus läßt sich aber nicht herleiten, daß die nationale Rechtsordnung Rechtsbehelfe vorsehen müsse, die es Dritten, die an den im Rechtsschutzsystem der ins Völkerrecht verselbständigten juristischen Person vorgesehenen Verfahren nicht beteiligt sind, erlaubt, eine überlange Verfahrensdauer geltend zu machen, um die Rechtsakte der ins Völkerrecht verselbständigten juristischen Person außerhalb des bestehenden Rechtsschutzsystems vor nationalen Gerichten anfechten zu können. Ob das laufende Einspruchsverfahren wegen überlanger Verfahrensdauer gegen Art. 6 EMRK verstößt, ist daher in den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt, nicht aber im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren zu überprüfen und zu entscheiden.

3. Die Klägerin macht schließlich ohne Erfolg geltend, sie werde durch die Anwendung des § 81 Abs. 2 PatG auf die von ihr erhobene Nichtigkeitsklage in ihren gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten aus Art. 28 ff., 49 EG-Vertrag verletzt.

Die Grundsätze des Gemeinschaftsrecht über den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr (Art. 28 ff., 49 EG-Vertrag) gelten nicht uneingeschränkt. Ihnen stehen Maßnahmen nicht entgegen, die zur Wahrung der Rechte erforderlich sind, die den spezifischen Gegenstand des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums ausmachen und weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Solange die entsprechenden nationalen Rechte nicht harmonisiert sind, ist es Sache des nationalen Rechts, die Voraussetzungen und Qualitäten des Schutzes des geistigen Eigentums und den Umfang der Ausschließlichkeitsrechte, zu denen auch das Patentrecht zählt, zu bestimmen (vgl. nur Busse/Keukenschrijver, aaO, § 15 PatG Rdn. 164; Benkard/Jestaedt, EPÜ, Art. 64 Rdn. 11 jew. m.N.). Da § 81 Abs. 2 PatG dazu dient, den schutzfähigen Gegenstand der Erfindung in aufeinander abgestimmten Verfahren unter Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen nicht nur im berechtigten Interesse derjenigen festzustellen, die sich in der Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung durch die Erteilung eines Patents behindert sehen und deshalb Einspruch oder Nichtigkeitsklage gegen ein erteiltes Patent erheben, sondern auch im Interesse des Patentinhabers, das Patent in dem Umfang zu verteidigen, in dem es zu Recht erteilt worden ist, liegt in der Subsidiarität der Nichtigkeitsklage gegenüber dem Einspruchsverfahren keine Verletzung der Klägerin in ihren gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG i.V. mit § 97 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 1705 Nr. 24
JAAAC-05179

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja