Leitsatz
[1] a) Wer Saatgut aufbereitet, ist zur Auskunft darüber, ob er Erntegut einer bestimmten geschützten Sorte aufbereitet hat, und über den Umfang der Aufbereitungshandlungen nur dann verpflichtet, wenn der Sortenschutzinhaber über Anhaltspunkte dafür verfügt, daß der Aufbereiter Erntegut, das ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsgut dieser Sorte gewonnen hat, zum Zweck des Nachbaus aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt.
b) Die Auskunft ist erstmals für dasjenige Wirtschaftsjahr zu erteilen, für das der Sortenschutzinhaber über die notwendigen Anhaltspunkte verfügt.
Gesetze: GemSortV Art. 14 Abs. 3; SortG § 10a Abs. 6
Instanzenzug: OLG Zweibrücken vom LG Kaiserslautern
Tatbestand
Die Klägerin verlangt im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft für eine Vielzahl von Inhabern von Sortenschutzrechten, die entweder zu ihren Gesellschaftern gehören oder Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e.V. sind, der seinerseits Gesellschafter der Klägerin ist, Auskunft von der Beklagten. Diese bereitet für Landwirte Erntegut auf.
Für die in den Klageanträgen bezeichneten Getreide- und Futterpflanzensorten besteht oder bestand Sortenschutz nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts oder nach nationalem Recht. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auskunft darüber, ob sie in den Wirtschaftsjahren 1997/98, 1998/99, 1999/2000 und 2000/2001 die in den Klageanträgen genannten - jeweils etwa 500 - geschützten Sorten zum Zwecke des Anbaus aufbereitet hat, wer jeweils die Auftraggeber waren und welche Mengen von welcher geschützten Sorte aufbereitet wurden. Ferner macht sie für eine Vielzahl von Gemeinschaftssorten Unterlassungsansprüche geltend.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Gründe
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat die Klägerin für befugt erachtet, die Klageansprüche in gewillkürter Prozeßstandschaft in eigenem Namen geltend zu machen. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, bestehen keine Bedenken dagegen, daß die Klägerin im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft die Rechte von Sortenschutzinhabern geltend macht, die zu ihren Gesellschaftern zählen oder die Mitglied einer Vereinigung sind, die wiederum Gesellschafterin der Klägerin ist. Zum einen besteht das hierfür erforderliche eigene wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Geltendmachung der fremden Rechte. Zum anderen sind, soweit die Klägerin Rechte geltend macht, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227 vom S. 1, im folgenden GemSortV) geschützt sind, auch die Voraussetzungen erfüllt, die Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 GemSortV (ABl. L 173 v. , S. 14, im folgenden NachbauV) für die Geltendmachung der Nachbauvergütung sowie der ihrer Ermittlung dienenden Auskunftsansprüche aufstellt (, GRUR 2004, 763 - Nachbauvergütung).
II. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen, die geltend gemachten Auskunftsansprüche setzten nicht voraus, daß die Beklagte hinsichtlich jeder Sorte, für die der Anspruch geltend gemacht wird, darlege, daß eine Nachbauhandlung vorliege oder zu erwarten sei. Es genüge vielmehr sowohl nach Gemeinschafts- als auch nach deutschem Recht, wenn der Erbringer den Nachbau vorbereitender Dienstleistungen überhaupt die Aufbereitung geschützter Sorten betreibe. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da die Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts Saatgut der gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorten "Bandit", "Charger", "Tilburi", "Carola", "Ritmo", "Semper" und "Theresa" sowie der nach dem Sortenschutzgesetz geschützten Sorten "Avanti", "Milva", "Jumbo" und "Loreley" aufbereitet habe. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach Art. 14 Abs. 3 sechster Spiegelstrich GemSortV übermitteln die Erbringer vorbereitender Dienstleistungen den Inhabern des Sortenschutzes auf Verlangen relevante Informationen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom in der Rechtssache C-336/02 (GRUR 2005, 236 - Saatgut-Treuhand/Brangewitz) können diese Vorschrift und die ihrer Ausfüllung dienenden Bestimmungen des Art. 9 NachbauV nicht dahin ausgelegt werden, daß sie dem Sortenschutzinhaber das Recht geben, die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Informationen von einem Aufbereiter (auch dann) zu verlangen, wenn der Sortenschutzinhaber nicht über Anhaltspunkte dafür verfügt, daß der Aufbereiter ein Ernteerzeugnis, das Landwirte durch Anbau von Vermehrungsgut einer dem Sortenschutzinhaber gehörenden gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorte gewonnen haben, zum Zweck des Anbaus aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt. Die Sortenschutzinhaber, deren Rechte die Klägerin geltend macht, können daher den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht damit begründen, daß die Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen bestimmte Sorten anderer Berechtigter aufbereitet hat. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin mit den festgestellten Aufbereitungshandlungen Ansprüche der Inhaber der betreffenden Sorten wegen der Aufbereitung anderer Sorten derselben Rechtsinhaber begründen will. Vielmehr begründet die bereits erfolgte oder die zu erwartende Aufbereitung den Anspruch immer nur hinsichtlich derjenigen gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorte, für die die notwendigen Anhaltspunkte festgestellt sind. Denn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften spricht ausdrücklich aus, daß der Sortenschutzinhaber berechtigt ist, von einem Aufbereiter Auskünfte über eine seiner Sorten zu verlangen, sobald er über einen Anhaltspunkt dafür verfügt, daß dieser das durch Anbau von Vermehrungsgut dieser Sorte gewonnene Ernteerzeugnis zum Zweck des Anbaus aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt (Rdn. 53 der Entscheidungsgründe). Insoweit muß der Aufbereiter allerdings die relevanten Informationen nicht nur über diejenigen Landwirte übermitteln, bezüglich deren der Sortenschutzinhaber über Anhaltspunkte für die Aufbereitung der Sorte verfügt, sondern auch über alle anderen Landwirte, für die er Ernteerzeugnisse dieser Sorte aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt, sofern dem Aufbereiter die Sorte angegeben wurde oder auf andere Weise bekannt war.
2. Entsprechendes gilt nach § 10a Abs. 6 SortG, soweit die Klageansprüche auf deutsche Sortenschutzrechte gestützt werden. Denn auch das deutsche Recht verpflichtet (nur) Landwirte, die von der Möglichkeit des Nachbaus Gebrauch machen, sowie die von ihnen beauftragten Aufbereiter zur Auskunft über den Umfang des Nachbaus und setzt damit voraus, daß hinsichtlich einer bestimmten geschützten Sorte Anhaltspunkte dafür bestehen, daß von der Berechtigung zum Nachbau Gebrauch gemacht wird (vgl. BGHZ 149, 165 - Auskunftsanspruch bei Nachbau). Soweit der Senat in dieser Entscheidung zum Auskunftsanspruch gegen den Landwirt noch offengelassen hat, ob insoweit zu verlangen ist, daß der Anspruchsberechtigte darlegt, daß der Landwirt bestimmte für den Sortenschutzinhaber geschützte Sorten nachbaut, oder ob es ausreicht, wenn er allgemein den tatsächlichen Nachbau einer Sorte - unabhängig davon, ob diese für den Sortenschutzinhaber geschützt ist - behauptet, ist diese Frage nunmehr im ersteren Sinne zu entscheiden. Das entspricht der Selbständigkeit der einzelnen Sortenschutzrechte und der aus ihnen resultierenden Ansprüche (vgl. BGHZ 117, 264, 272 f., 275 ff. - Nicola) und stellt im übrigen den vom deutschen Gesetzgeber gewollten Einklang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Sortenschutz sicher.
3. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen hiernach die ausgesprochene Verurteilung auch hinsichtlich derjenigen Sorten nicht, hinsichtlich derer festgestellt ist, daß sie von der Beklagten aufbereitet worden sind. Denn das Berufungsgericht hat nicht die notwendigen Feststellungen dazu getroffen, in welchen Wirtschaftsjahren die Aufbereitung erfolgt ist.
a) Die Auskunftsverpflichtung des Aufbereiters nach Art. 14 Abs. 3 sechster Spiegelstrich GemSortV setzt voraus, daß der Berechtigte ein entsprechendes Auskunftsverlangen an den Aufbereiter richtet, und besteht nur für das Wirtschaftsjahr, in dem der Auskunftsanspruch geltend gemacht wird. Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 NachbauV können zwar gegebenenfalls auch Angaben für bis zu drei vergangene Wirtschaftsjahre verlangt werden. Das setzt jedoch nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 NachbauV voraus, daß der Berechtigte in dem ersten der vergangenen Jahre bereits ein Auskunftsverlangen an den Aufbereiter gerichtet hat. Soweit im deutschen Text der Verordnung davon die Rede ist, daß es sich bei dem ersten Jahr, auf das sich die Information beziehen soll, um das Jahr handeln "soll", in dem erstmals ein Auskunftsverlangen zu der betreffenden Sorte und dem betreffenden Aufbereiter gestellt worden ist, folgt daraus nicht, daß der Berechtigte gegebenenfalls auch für zurückliegende Zeiten, für die die Voraussetzungen des Verlangens nicht erfüllt sind, Ansprüche geltend machen kann.
Das zeigen etwa die französischen, englischen, italienischen, spanischen und niederländischen Textfassungen des Art. 9 Abs. 3, nach denen das erste auskunftspflichtige Wirtschaftsjahr dasjenige des ersten Auskunftsverlangens ist bzw. zu sein hat. Als erstes Auskunftsverlangen in diesem Sinne wiederum kann nach Sinn und Zweck der Regelung nur ein solches Auskunftsverlangen angesehen werden, das den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 sechster Spiegelstrich GemSortV entspricht. Da der Berechtige Auskunft nach dieser Vorschrift aber nur dann verlangen kann, wenn er über Anhaltspunkte für einen Nachbau bzw. eine Aufbereitung für den Nachbau verfügt (, Slg. 2003, I 3525 = GRUR Int. 2003, 736 Rdn. 72 - Schulin/Saatgut-Treuhand; Urt. v. - C-336/02, GRUR 2005, 236 Rdn. 54 - Saatgut-Treuhand/Brangewitz), ist ein erstes Auskunftsverlangen nur dann beachtlich, wenn es seinerseits auf entsprechenden Anhaltspunkten beruht. Da Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu fehlen, kann die Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich der Sorten "Bandit", "Charger", "Tilburi", "Carola", "Ritmo", "Semper" und "Theresa" nicht bestehenbleiben.
b) Hinsichtlich der nach dem Sortenschutzgesetz geschützten Sorten "Avanti", "Milva", "Jumbo" und "Loreley" gilt im Ergebnis nichts anderes. Da der Auskunftsanspruch auch nach deutschem Recht Anhaltspunkte für die Aufbereitung einer geschützten Sorte erfordert, erstreckt er sich nicht auf Wirtschaftsjahre, für die solche Anhaltspunkte nicht dargetan sind.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats zum zeitlichen Umfang des Auskunftsanspruchs, der sich aus der Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts ergibt. Zwar begründet insoweit jede Verletzungshandlung dem Grunde nach die Verpflichtung des Verletzers, über alle anderen - vergangenen und künftigen - Handlungen Auskunft zu erteilen, die in gleicher Weise durch den sich aus der konkreten Verletzungshandlung und die angegriffene Ausführungsform ergebenden Verletzungstatbestand gekennzeichnet sind (BGHZ 117, 264, 278 f. - Nicola; Sen.Urt. v. - X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 756 - Taxameter [für BGHZ 159, 66 vorgesehen]). Der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch ist indessen nicht auf eine Sortenschutzverletzung gegründet. Dem Sortenschutzinhaber ist es nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a SortG vorbehalten, Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte für Vermehrungszwecke aufzubereiten. Die Wirkung des Sortenschutzes erstreckt sich nach § 10a Abs. 2 aber nicht auf Erntegut, das ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsmaterial einer zum Nachbau zugelassenen geschützten Sorte im eigenen Betrieb gewonnen hat und dort als Vermehrungsmaterial verwendet, soweit der Landwirt seinen Verpflichtungen nach § 10a Abs. 3 und 6 nachkommt. Dieses sortenschutzfreie Erntegut darf auch zum Zwecke des Nachbaus aufbereitet werden (§ 10a Abs. 2 Satz 2 SortG) und bleibt unabhängig davon sortenschutzfrei, ob der Aufbereiter den nach § 10a Abs. 6 auch ihn treffenden Auskunftsanspruch erfüllt. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich somit nicht, daß die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 37b SortG oder eines auf § 242 BGB gegründeten, der Bezifferung eines Schadensersatzanspruchs dienenden und zusätzlich Verschulden voraussetzenden Auskunftsanspruchs gegeben wären.
III. Nach dem zu II 1 und II 3 a Ausgeführten kann auch die Zuerkennung der auf Art. 94 Abs. 1 Buchst. a GemSortV gestützten geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht bestehenbleiben.
Nach dieser Vorschrift kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer hinsichtlich einer Sorte, für die ein gemeinschaftlicher Sortenschutz erteilt wurde, eine der in Art. 13 Abs. 2 genannten Handlungen vornimmt, ohne dazu berechtigt zu sein. Nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b GemSortV hat der gemeinschaftliche Sortenschutz unter anderem die Wirkung, daß allein der Sortenschutzinhaber zur Aufbereitung zum Zwecke der Vermehrung berechtigt ist, wobei diese Wirkung durch das Landwirteprivileg des Art. 14 Abs. 1 GemSortV eingeschränkt wird. Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens kann die - gegebenenfalls nicht ohne eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu entscheidende - Frage offenbleiben, ob und inwieweit die Erfüllung der von Art. 14 Abs. 3 GemSortV vorgesehenen und in der Nachbauverordnung konkretisierten Pflichten, die nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GemSortV zu den Bedingungen für das Eingreifen des Landwirteprivilegs des Art. 14 Abs. 1 GemSortV gehören, Voraussetzung für die Rechtfertigung der Aufbereitung zum Zwecke des Nachbaus ist und ob insoweit auf die Erfüllung der Auskunftspflicht des Aufbereiters, der Verpflichtungen des Landwirts oder aber der Verpflichtungen beider abzustellen ist. Denn zu alledem fehlen hinreichende Feststellungen des Berufungsgerichts.
IV. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat insgesamt verwehrt. Die Klägerin hat die von den Tatsacheninstanzen festgestellten Aufbereitungshandlungen in der Meinung, damit die Klageansprüche ausreichend zu rechtfertigen, ausdrücklich nur beispielhaft vorgetragen. Das Berufungsgericht hatte nach seinem Rechtsstandpunkt keine Veranlassung, der Klägerin Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls auch zu den übrigen Sorten, hinsichtlich derer sie Ansprüche geltend macht, Anhaltspunkte für Aufbereitungshandlungen der Beklagten darzulegen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, dies nachzuholen.
Zugleich hat das Berufungsgericht damit Gelegenheit zur Prüfung, inwieweit die Angaben der Beklagten zur Aufbereitung der von der Klägerin konkret genannten Sorten zum Zwecke der Auskunftserteilung gemacht worden sind und inwieweit sie den geltend gemachten Auskunftsanspruch erledigen.
Fundstelle(n):
XAAAC-05037
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja