Leitsatz
[1] Daß die Prüfung einer erstmals in der Berufungsinstanz auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegründeten Einwendung die Entscheidung verzögern würde, rechtfertigt es nicht, die Geltendmachung der Gegenforderung als nicht sachdienlich anzusehen, wenn deren Berücksichtigung zur endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet (hier: Wechsel des Bestellers vom Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln des Werks zur Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs).
Gesetze: ZPO a.F. § 530 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Naumburg vom LG Halle
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Vergütung für die Herstellung und Lieferung von Vorhängen aus Glasfasergewebe.
Nachdem die Klägerin die Vorhänge hergestellt und geliefert und die Beklagte sie im Messezentrum ... aufgehängt hatte, machten sich Falten bemerkbar, deren Ursache zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom forderte die Beklagte die Klägerin zur Beseitigung der Faltenbildung und weiterer, im einzelnen aufgeführter Mängel auf und setzte ihr hierfür eine Frist bis zum . Die Klägerin kam dieser Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht nach.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 93.010,60 DM, Zug um Zug gegen Beseitigung der Faltenbildung an den Vorhängen, verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, wobei die Beklagte ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht zurückgenommen hat.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgetragen, daß sie die Mängel der Vorhänge beseitigt habe, nachdem die Klägerin der Aufforderung zur Mängelbeseitigung im Schreiben vom nicht nachgekommen sei. Sie hat die Aufrechnung mit einem Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 49.167,07 € erklärt.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, an die Klägerin 93.010,60 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat den Werklohnanspruch der Klägerin als fällig angesehen. Auf den Streit der Parteien über die Abnahme komme es nicht an, weil die Beklagte das Werk mittlerweile selbst fertiggestellt habe und keine weiteren Arbeiten mehr von der Klägerin verlange. Die Zulassung der erstmals im Berufungsrechtszug erklärten Aufrechnung, der die Klägerin nicht zugestimmt habe, sei nicht sachdienlich. Jedenfalls das Vorbringen der Beklagten zur Höhe des zur Aufrechnung gestellten Anspruchs bedürfe noch der Substantiierung. Die Zulassung der Aufrechnung im Berufungsrechtszug sei jedoch regelmäßig nicht sachdienlich, wenn die Aufrechnungsforderung aufgrund eines gerichtlichen Hinweises erst noch mit Substanz vorgetragen werden müsse.
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Allerdings rügt sie zu Unrecht, die Auffassung des Berufungsgerichts, der Unternehmer könne nach Ablauf der gemäß § 634 Abs. 1 BGB (in der hier anzuwendenden, bis zum geltenden Fassung; im folgenden a.F.) vor Abnahme wirksam gesetzten Frist ohne weiteres die vereinbarte Vergütung beanspruchen und es sei Sache des Bestellers, mit dem Anspruch auf Ersatz der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten aufzurechnen, stehe in Widerspruch zu der Beweislastregel, wonach der Unternehmer vor Abnahme die Freiheit des Werks von Mängeln darlegen und beweisen müsse, um seinen Vergütungsanspruch durchzusetzen.
Denn das Berufungsgericht spricht zwar im Tatbestand seines Urteils an einer Stelle davon, die Beklagte habe die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch erklärt. In den Entscheidungsgründen heißt es jedoch im Einklang mit den Schriftsätzen der Beklagten vom 13. und , auf die das Berufungsgericht sich bezieht, daß die Beklagte die Aufrechnung mit einem Anspruch nach § 633 Abs. 3 BGB a.F. auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten erklärt habe. Das stimmt damit überein, daß die Beklagte in dem Schreiben vom - entgegen der durch den Tatbestand des Berufungsurteils nicht gestützten Behauptung der Revision - keine Ablehnungsandrohung ausgesprochen, sondern nur eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat.
Ein Abwicklungsverhältnis hat das Berufungsgericht somit nicht zugrundegelegt. Es hat vielmehr als unstreitig angesehen, daß das Werk - jedenfalls nach der Mängelbeseitigung - fehlerfrei sei. Die Klägerin konnte daher den vereinbarten Werklohn verlangen, soweit ihr Vergütungsanspruch nicht durch Aufrechnung mit dem Anspruch der Beklagten auf Aufwendungsersatz erloschen war.
2. Es hält jedoch der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, daß das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit der Berücksichtigung der Aufrechnung verneint hat.
a) Nach § 530 Abs. 2 ZPO in der auf das Berufungsverfahren anwendbaren, bis zum geltenden Fassung (im folgenden a.F.) ist die auf die Aufrechnung einer Gegenforderung gegründete Einwendung des Beklagten im Berufungsverfahren nur zuzulassen, wenn der Kläger einwilligt oder das Gericht die Geltendmachung in dem anhängigen Verfahren für sachdienlich hält.
Bei der Entscheidung über die Zulassung der Aufrechnung oder der entsprechend zu behandelnden Widerklage handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (BGHZ 33, 398, 400). Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozeßwirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Aufrechnung oder der Widerklage zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGHZ aaO; , WM 1976, 1278, 1280; Urt. v. - IX ZR 14/91, ZIP 1992, 558, 562 f.).
Es steht deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem solchen Fall der Sachdienlichkeit nicht entgegen, daß durch die Zulassung der Aufrechnung oder der Widerklage neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen notwendig werden und die Erledigung des Rechtsstreits dadurch verzögert wird (, WM 1983, 1162, 1163; Urt. v. - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urt. v. - II ZR 237/85, WM 1986, 1200, 1201; Urt. v. - XI ZR 308/98, NJW 2000, 143, 144).
Zwar ist andererseits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschiedentlich auch ausgesprochen worden, daß der Tatrichter die Sachdienlichkeit verneinen darf, wenn die Prüfung des Einwandes die Entscheidung verzögern würde (BGHZ 5, 373, 377 f.; 17, 124, 125; , BGHR ZPO § 530 Abs. 2 - Sachdienlichkeit 1; Beschl. v. - III ZR 170/87, BGHR ZPO § 530 Abs. 2 - Sachdienlichkeit 2; Sen.Urt. v. - X ZR 16/01, NJW-RR 2003, 738).
Dabei geht es aber um solche Fälle, in denen nicht die sachgerechte Erledigung des bisherigen Streitstoffs in Rede steht, sondern das Gericht bei Zulassung des neuen Vorbringens zur Beurteilung und Entscheidung eines neuen, bis dahin zwischen den Parteien nicht erörterten Streitstoffs genötigt würde. In diesen Fällen kann nicht unberücksichtigt bleiben, ob ohne Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Rechtsstreit entscheidungsreif wäre (vgl. BGHZ 5, 373, 377 f.; , LM ZPO § 523 Nr. 1; Urt. v. - VIII ZR 139/75, NJW 1977, 49; Urt. v. aaO; Sen.Urt. v. aaO).
b) Das läßt das Berufungsgericht außer Acht, wenn es die Zulassung der Aufrechnung im Berufungsrechtzug regelmäßig als nicht sachdienlich ansehen will, wenn die Aufrechnungsforderung aufgrund eines gerichtlichen Hinweises erst noch mit Substanz vorgetragen werden muß.
Der Streit der Parteien ging von Anfang an darum, ob und gegebenenfalls inwieweit die von der Klägerin an die Beklagte gelieferten Vorhänge mangelhaft seien. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Werklohnklage stattgegeben, der Beklagten jedoch durch Zug-um-Zug-Verurteilung einen Nachbesserungsanspruch zugebilligt. Indem das Berufungsgericht es der Beklagten verwehrt hat, im Hinblick auf die behauptete Mängelbeseitigung in dem anhängigen Rechtsstreit nunmehr Aufwendungsersatz statt Nachbesserung zu beanspruchen, hat es ein Urteil gefällt, das die vom Landgericht betriebene Sachaufklärung entwertet und den Streit der Parteien in der Sache unentschieden läßt. Hierdurch hat das Berufungsgericht dasjenige verfehlt, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das maßgebende Kriterium für die Zulassung der Aufrechnung darstellt, nämlich die sachgemäße und endgültige Erledigung des Streitstoffs im Rahmen des anhängigen Verfahrens, die einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt.
3. Im übrigen ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die zur Aufrechnung gestellte Aufwendungsersatzforderung der Beklagten sei nicht hinreichend substantiiert dargetan, nicht rechtsfehlerfrei.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen (u.a. , ZIP 1998, 956, 957; Sen.Urt. v. - X ZR 160/99, NJW-RR 2001, 887). Die Beklagte hat in dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftsatz vom zur Rechtfertigung ihrer Gegenforderung dargetan, welche Mängel die von der Klägerin gelieferten Vorhänge aufgewiesen hätten und mit welchem Aufwand an Material und (nach Stundenzahl und Stundenlohn spezifizierten) Arbeitslohn sie diese beseitigt habe. Dem war zwanglos die Behauptung zu entnehmen, daß dieser Aufwand zur Beseitigung der Mängel erforderlich gewesen sei. Diese Behauptung war dem Beweis insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zugänglich; der vom Berufungsgericht vermißten Darlegung, welche Arbeiten im einzelnen mit welchem Stundenaufwand erforderlich gewesen seien, um konkret zu bezeichnende Mängel zu beseitigen, bedurfte es nicht.
4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht deshalb im Ergebnis richtig, weil die Beklagte das Urteil des Landgerichts, durch das sie zur Zahlung Zug um Zug gegen Nachbesserung verurteilt worden ist, nicht (mehr) angefochten hat. Zwar steht der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn ihr Gegenanspruch - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - durch Aufrechnung gegen die Klageforderung erloschen ist. In diesem Fall darf die Beklagte aber auch nicht uneingeschränkt zur Zahlung verurteilt werden. Denn die Zug-um-Zug-Verurteilung ist gegenüber der unbeschränkten Verurteilung ein Weniger (BGHZ 27, 241, 249; 117, 1, 3). Der Klägerin darf indes nichts zugesprochen werden, was ihr materiell-rechtlich nicht zusteht und prozessual durch den Wegfall der Zug-um-Zug-Verurteilung über das hinausgeht, was ihr das Landgericht unangefochten zuerkannt hat (vgl. , NJW 1993, 324, 325). Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken, die der prozessualen Geltendmachung der Aufrechnungsforderung im wiedereröffneten Berufungsrechtszug Rechnung trägt.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 1248 Nr. 23
PAAAC-04905
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein