BGH Urteil v. - X ZR 117/02

Leitsatz

[1] Ist die Verpflichtung des Beschenkten zur Herausgabe des Geschenks ausgeschlossen, weil er damit eine Sache erworben und diese seinerseits unentgeltlich einem Dritten zugewendet hat, so haftet der Dritte nicht auf Herausgabe der ihm zugewendeten Sache, sondern auf Wertersatz, kann sich jedoch durch Herausgabe der Sache befreien.

Gesetze: BGB § 528 Abs. 1; BGB § 822

Instanzenzug: LG Dortmund

Tatbestand

Der klagende Kreis ist Träger der Sozialhilfe; er macht gegen den Beklagten aus übergeleitetem Recht Rückforderungsansprüche wegen Notbedarfs der Eheleute G. geltend. Diese hatten der Mutter des Beklagten im April 1995 ein Sparguthaben schenkweise übertragen. Die zugewandten Mittel setzte die Mutter des Beklagten unter anderem ein, um einen Pkw Nissan Serena zu erwerben und diesen ihrerseits am dem Beklagten zu schenken. In der Folgezeit wurden die Eheleute G. pflegebedürftig; für einen Teil der Heimpflegekosten kam ab dem der Kläger auf. Beide Eheleute G. verstarben im Laufe des Jahres 1998. Mit am zugegangenen Schreiben leitete der Kläger die Rückgewähransprüche der Eheleute G. gegen den Beklagten auf sich über.

Das Landgericht hat der vom Kläger erhobenen Zahlungsklage in Höhe von 33.945,-- DM stattgegeben, allerdings dem Beklagten die Befugnis eingeräumt, sich in Höhe von 16.700,-- DM durch die Herausgabe des Pkw zu befreien. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Berufung mit dem Ziel der Klageabweisung eingelegt. Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten; hilfsweise hat er beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Beklagte zur Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt werde. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Herausgabe des Fahrzeugs sowie zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 10.213,50 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

Die zulässige Revision ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.

1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß ein Rückforderungsanspruch der Schenker entstanden ist, der die Klagesumme übersteigt, soweit sich nicht aus den nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB anwendbaren bereicherungsrechtlichen Vorschriften ein geringerer geschuldeter Betrag ergibt.

2. Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß der Tod der Schenker dem Fortbestand des Rückforderungsanspruchs und seiner Überleitung auf den Kläger nicht entgegenstand (vgl. , NJW 1995, 2287, 2288; Sen., BGHZ 147, 288, 292) und daß § 822 BGB auf einen solchen Rückforderungsanspruch anwendbar ist (BGHZ 106, 354, 357 f.; 142, 300, 302).

3. Als nach § 822 BGB vom Beklagten herauszugebende Bereicherung hat das Berufungsgericht das ihm von seiner Mutter geschenkte Fahrzeug angesehen. Seine Mutter sei in Höhe der Klageforderung entreichert, denn es sei davon auszugehen, daß sie das Fahrzeug nicht gekauft und dem Beklagten zugewendet hätte, wenn ihr das Sparguthaben nicht geschenkt worden wäre. Obwohl sie selbst nach dem Kauf des Fahrzeugs nicht die Herausgabe dieses "commodum ex negatione", sondern Wertersatz geschuldet hätte, sei der Beklagte zur Herausgabe verpflichtet. Der Zweitbeschenkte trete nicht an die Stelle des Erstbeschenkten; § 822 BGB knüpfe vielmehr an das an, was der Zweitbeschenkte erlangt habe.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Der Beklagte schuldet dem Kläger Wertersatz, wobei er sich jedoch, wie bereits das Landgericht zutreffend angenommen hat, in Höhe eines dem verbliebenen Wert des Fahrzeugs entsprechenden Betrages durch die Herausgabe des Fahrzeugs befreien kann.

a) Wendet der Empfänger das Erlangte unentgeltlich einem Dritten zu, so ist, soweit infolgedessen die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist, der Dritte nach § 822 BGB zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte. § 822 BGB knüpft damit - primär - nicht an das an, was der Dritte (bei zwei aufeinanderfolgenden Schenkungen der Zweitbeschenkte) erlangt hat, sondern zunächst an das, was der Empfänger der ursprünglichen Leistung (der Erstbeschenkte) erlangt hat. In der Literatur wird zu Recht - soweit ersichtlich einhellig - angenommen, daß als "erlangt" in diesem Sinne auch Nutzungen und Surrogate des ursprünglich Erlangten im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB anzusehen sind oder die Vorschrift auf solche Nutzungen und Surrogate jedenfalls entsprechend anzuwenden ist (so Bamberger/Wendehorst, BGB, § 822 Rdn. 6; Erman/Westermann, BGB, 10. Aufl., § 822 Rdn. 3; Heimann-Trosien in RGRK z. BGB, 12. Aufl., § 822 Rdn. 6; Lieb in MünchKomm z. BGB, 3. Aufl., § 822 Rdn. 7; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 822 Rdn. 3; Planck/Landois, BGB, 4. Aufl., § 822 Anm. 2 b a; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 369; Soergel/Mühl, BGB, 11. Aufl., § 822 Rdn. 2; Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 1999, § 822 Rdn. 6; s. auch , NJW 1999, 1026, 1027). Denn hat der Erstbeschenkte ein Surrogat für das Geschenk erlangt, so ist die Interessenlage im "Dreiecksverhältnis" zwischen Schenker, Erstbeschenktem und Zweitbeschenktem keine andere als im Grundfall des § 822 BGB.

b) Grundsätzlich kann nichts anderes gelten, soweit der Erstbeschenkte nach § 818 Abs. 2 BGB (nur noch) Wertersatz schuldete, weil er zur Herausgabe des Erlangten außerstande war (Heimann-Trosien aaO, § 822 Rdn. 6; Lieb aaO, § 822 Rdn. 7; Palandt/Sprau aaO, § 822 Rdn. 3; Planck/Landois aaO, § 822 Anm. 2 b a; Reuter/Martinek aaO, S. 369 f.). Soweit hiergegen Bedenken erhoben worden sind (OLG Naumburg, Recht 1902 Nr. 1998; Soergel/Mühl aaO, § 822 Rdn. 2 unter unzutreffender Berufung auf , NJW 1969, 605), gründen sie sich offenbar auf die Schwierigkeiten, die es im Einzelfall bereiten kann, die Zuwendung des Wertes i.S.d. § 818 Abs. 2 BGB von einer Zuwendung aus dem übrigen Vermögen des Erstbeschenkten zu unterscheiden. Sie sind jedoch kein hinreichender Anlaß, eine wertungsmäßig dem Regelungsbereich der Norm unterfallende Fallkonstellation von vornherein aus deren Anwendungsbereich auszunehmen.

c) Wird das Surrogat oder der Wert einem Dritten zugewandt, so ist dieser daher zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er das Surrogat oder den entsprechenden Wert von dem Bereicherungsgläubiger erlangt hätte. Dabei kann dahinstehen, ob § 822 BGB eine eigenständige bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage darstellt oder den gegen den ursprünglichen Schuldner gerichteten Bereicherungsanspruch auf den Dritten erstreckt (so Knütel, NJW 1989, 2504). Denn jedenfalls schuldet der Dritte grundsätzlich das, was der Empfänger geschuldet hat, insofern und insoweit dessen Verpflichtung ausgeschlossen ist, weil er das Geschuldete unentgeltlich dem Dritten zugewandt hat. Die Gegenleistung aus einem Austauschgeschäft mit dem Erlangten ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Surrogat im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB (BGHZ 24, 106, 110 f.; 75, 203, 206; 112, 288, 294 f.; a.A. etwa Lieb aaO, § 818 Rdn. 26, § 822 Rdn. 7). Daher besteht, soweit die Gegenleistung, wie im Streitfall, unentgeltlich einem Dritten zugewandt wird, auch diesem gegenüber im Ausgangspunkt ein Wertersatzanspruch.

d) Andererseits darf es jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, wenn dem Dritten der Wert nicht als Geldbetrag, sondern in Form einer Sache oder eines Rechts zugewendet worden ist. Denn wenn auch der Anspruch aus § 822 BGB im Ausgangspunkt an das anknüpft, was der Empfänger erlangt hat, so besteht er doch nur insoweit, als das Erlangte oder sein Wert an den Dritten weitergegeben worden ist. Es darf daher nicht zu Lasten des Dritten gehen, wenn er zur Leistung des Wertersatzes zunächst den ihm zugewendeten Gegenstand verwerten muß. Ihm ist daher, wie es das Landgericht getan hat, das Recht zuzubilligen, sich durch Herausgabe dieses Gegenstandes zu befreien. Damit wird zugleich erreicht, daß der Gläubiger keinen Anspruch auf Herausgabe eines Gegenstandes erhält, den der Empfänger nicht von ihm erlangt hat, während der Dritte nicht über dasjenige hinaus verpflichtet wird, was ihm tatsächlich zugeflossen ist.

4. Das Berufungsgericht hat weiterhin angenommen, der Beklagte sei nach § 818 Abs. 1 BGB zudem verpflichtet, die Nutzungen herauszugeben, die er in Gestalt der Gebrauchsvorteile aus dem Pkw gezogen habe. Die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen entstehe allerdings frühestens zusammen mit dem Bereicherungsanspruch. Da die Mutter des Beklagten aus dem Sparguthaben, soweit es nicht für den Kauf des Pkw verwendet worden sei, zunächst für den laufenden Unterhalt der Eheleute G. aufgekommen sei, sei auf den abzustellen, als das Sparguthaben aufgebraucht gewesen und der Kläger erstmals Sozialhilfe gewährt habe. Auch das hat keinen Bestand.

Ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, wie ihn das Berufungsgericht dem Kläger zugebilligt hat, steht dem Kläger nicht zu. Denn die Herausgabepflicht nach § 818 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Nutzungen, die der Bereicherte aus dem ohne Rechtsgrund erlangten Gegenstand oder aus einem Surrogat i.S.d. § 818 Abs. 1 BGB gezogen hat; eine analoge Anwendung auf die Nutzungen aus Gegenständen, die durch Rechtsgeschäft als Gegenwert für das Erlangte in das Vermögen des Bereicherten gelangt sind, kommt nicht in Betracht (, NJW 1983, 868, 870). Nichts anderes kann gelten, wenn der nach § 822 BGB Haftende Wertersatz schuldet.

Die Nutzungen bzw. die Nutzungsmöglichkeit sind jedoch bei der Prüfung der Entreicherung des Beklagten in Ansatz zu bringen. Denn insoweit ist, wie die Revision zu Recht geltend macht, eine Gesamtsaldierung aller mit dem Bereicherungsvorgang verbundenen Vor- und Nachteile vorzunehmen (BGHZ 118, 383, 386 ff.; , NJW 1996, 3409, 3412 f.). Daher ist einerseits bei der Entreicherung der Wertverlust zu berücksichtigen, den das Fahrzeug während der Nutzungsdauer erlitten hat. Andererseits steht diesem Wertverlust die geldwerte Nutzungsmöglichkeit gegenüber, die dem Beklagten während dieses Zeitraums zur Verfügung gestanden hat. Im (Zwischen-) Ergebnis wird sich hierdurch die Höhe des zu ersetzenden Wertes nicht verändern, denn der Wert der Gebrauchsvorteile ist nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ("Wertverzehr") zu ermitteln (, NJW 1996, 250, 252) und entspricht damit dem Wertverlust.

5. Allerdings kann der Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, bei der Berechnung der Gebrauchsvorteile bis zum Zeitpunkt seiner mit Zugang der Überleitungsanzeige am gemäß §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB verschärften Haftung auch geltend machen, daß er ohne die Schenkung nur ein preisgünstigeres, seinen finanziellen Verhältnissen entsprechendes Fahrzeug unterhalten hätte. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Beklagte in diesem Fall einen Gebrauchtwagen beschafft hätte, und hat hierfür einen Anschaffungspreis von 20.000,-- DM für einen älteren Mittelklassewagen und einen Nutzungswert von 0,5 % pro 1.000 km zugrundegelegt. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht gehe von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, weil es meine, der Beklagte hätte "wiederum" nur ein preisgünstiges Gebrauchtfahrzeug angeschafft, obwohl nicht festgestellt und vom Beklagten ausdrücklich bestritten worden sei, daß dieser vor dem Nissan einen Gebrauchtwagen gefahren habe, mißversteht die Revision das Berufungsurteil. Das Berufungsgericht hat lediglich angenommen, daß der Beklagte in Anbetracht seiner beengten finanziellen Situation für sein Altfahrzeug mit einem Restwert von 1.200,-- DM wiederum ein preisgünstiges Fahrzeug beschafft hätte; diese tatrichterliche Beurteilung muß die Revision hinnehmen.

6. Da das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus zu Recht, anders als das Landgericht keine Feststellungen zum Restwert des Fahrzeugs getroffen hat, ist dem Senat eine abschließende Ermittlung der Anspruchshöhe nicht möglich und der Rechtsstreit hierzu an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei seiner anderweiten Entscheidung zu beachten haben, daß der Beklagte im Hinblick auf das vom Kläger nicht angefochtene Urteil des Landgerichts zu keinem Betrag verurteilt werden darf, der nach Abzug des Betrages, in dessen Höhe sich der Beklagte durch Herausgabe des Fahrzeugs befreien kann, 8.817,23 € (17.245,-- DM) übersteigt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2004 S. 2040 Nr. 38
OAAAC-04872

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: nein