Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 2 Abs. 2 S. 1; ZPO § 719 Abs. 2; ZPO § 712
Instanzenzug: LG Hamburg 307 S 59/05 vom AG Hamburg-Sankt-Georg 915 C 314/04 vom
Gründe
I.
Die Beklagten sind Mieter, die Kläger Vermieter einer Wohnung in H. S.. Die Kläger kündigten das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs des Klägers zu 2. Durch Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom sind die Beklagten zur Herausgabe des Mietobjekts verurteilt worden, wobei eine Räumungsfrist bis zum bewilligt wurde. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil hat das Landgericht Hamburg zurückgewiesen und dabei eine Räumungsfrist bis zum gewährt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihnen am zugestellten Berufungsurteil haben die Beklagten am Beschwerde eingelegt. Die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist (zuletzt) bis zum verlängert worden. Am ist die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingegangen.
II.
Die Anträge der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung sind teilweise begründet.
1. Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag gemäß § 719 Abs. 2 ZPO an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, sofern nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich zwar der Schuldner nur dann auf die Gefahr eines nicht zu ersetzenden Nachteils berufen, wenn er bereits in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht in Betracht. Allerdings sind in besonderen Fällen Ausnahmen zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZR 215/04, Grundeigentum 2004, 1523 unter II m.w.Nachw.). So liegt es hier. Die Beklagten durften darauf vertrauen, vor Rechtskraft der Räumungsfrist würde nicht vollstreckt werden, auch wenn ein Antrag nach § 712 ZPO nicht gestellt werde. Denn laut Protokoll der Sitzung beim hat der Klägervertreter damals erklärt, "dass aus einem etwaigen günstigen Urteil bis zur Rechtskraft nicht vollstreckt werden wird".
3. Die Beklagten machen unter Vorlage ärztlicher Atteste geltend, die Durchführung der Zwangsvollstreckung sei für die Beklagte zu 1 mit einer akuten Suizidgefahr verbunden. Wie auch das angenommen hat, kann es in einem solchen Fall angezeigt erscheinen, zur Durchsetzung des Grundrechts des Vollstreckungsschuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Zwangsvollstreckung (einstweilen) einzustellen. Ein solcher Fall liegt hier vor. Doch kann von einem Schuldner jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisikos verlangt werden (BVerfG aaO). Vom Schuldner - hier der Beklagten zu 1 - ist deshalb zu verlangen, sich in stationäre Behandlung zu begeben, wenn anders die Gefahr der Selbsttötung nicht abgewendet werden kann.
4. Der Senat hat deshalb die Zwangsvollstreckung (nur) bis Mitte Juni 2006 eingestellt, damit die Beklagte zu 1 eine realistische Möglichkeit erhält, sich in stationäre ärztliche Behandlung zu begeben. Soweit die Anträge der Beklagten darüber hinausgehen, sind diese aus den vorgenannten Gründen abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 11 Nr. 1
TAAAC-04425
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein