Leitsatz
[1] Hat der Auftragnehmer bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag prüfbar abgerechnet, muss das Gericht in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Dabei ist auch eine vom Auftragnehmer nachträglich erstellte Kalkulation auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Bei der Ermittlung des dem Auftragnehmer zustehenden Werklohns ist § 287 ZPO anwendbar.
Gesetze: VOB/B § 14 Nr. 1
Instanzenzug: LG Potsdam 10 O 378/99 vom OLG Brandenburg 4 U 190/03 vom
Tatbestand
Die Klägerin verlangt nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrags Werklohn für erbrachte Leistungen und die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek.
Im Februar und März 1999 beauftragten die Beklagten die Klägerin mit der Erstellung eines Einfamilienhauses zu einem Gesamtpauschalpreis einschließlich Zusatzleistungen von 351.320 DM (179.627,06 €) brutto. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Nachdem die Klägerin einen Teil der Leistungen erbracht hatte, kündigten die Beklagten den Vertrag fristlos.
Die Klägerin hat 60.233,51 € eingeklagt und weiter begehrt, die Beklagten zu verurteilen, die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in dieser Höhe zu bewilligen. Während des Verfahrens ist ein Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden. Die Klägerin wurde wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Ihr ehemaliger Geschäftsführer wurde durch Gerichtsbeschluss zum Liquidator bestellt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 41.355,47 € stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in Höhe von 38.799,01 € weiter.
Gründe
Die zulässige Revision der vom Berufungsgericht zutreffend für partei- und prozessfähig erachteten Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Beurteilung richtet sich nach den bis zum geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Schlussrechnung der Klägerin sei prüfbar und entspreche den Anforderungen, die an die Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags zu stellen seien. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei jedoch davon auszugehen, dass sie inhaltlich nicht richtig sei. Die inhaltliche Richtigkeit setze unter anderem voraus, dass die kalkulatorischen Bewertungsansätze hinsichtlich der erbrachten und der nicht erbrachten Leistungen plausibel seien. Verschiebungen zu Lasten des Auftraggebers durch eine nachträgliche höhere Bewertung der erbrachten Leistungen müssten ausgeschlossen werden können. Diesen Beweis der Plausibilität habe die Klägerin nicht geführt. Nach ihrer Kalkulation seien die erbrachten Leistungen mit 44,45 % der Gesamtbaukosten zu bewerten, wobei von der Grundausstattung des Hauses ohne Zusatzleistungen auszugehen sei. Üblich seien jedoch für vergleichbare Leistungen nur durchschnittlich 35,04 %. Eine dem niedrigeren, üblichen Wert entsprechende Vergütung könne nicht zugesprochen werden. Die Klage sei vielmehr insgesamt abzuweisen. Denn die der Klägerin zustehende vertragliche Vergütung lasse sich nur auf der Grundlage einer plausiblen Kalkulation ermitteln. Die nicht plausible Schlussrechnung sei auch keine Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO. Es habe kein Anlass bestanden, der Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Die Bedenken gegen die Plausibilität der Schlussrechnung seien für die Klägerin erkennbar gewesen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen die Klageabweisung nicht.
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klage sei wegen fehlender Plausibilität der Schlussrechnung der Klägerin insgesamt abzuweisen, ist rechtsfehlerhaft.
Hat bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet, muss das Gericht in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Hat der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung bestritten, ist hierüber Beweis zu erheben (st. Rspr.; z.B. , BauR 2005, 385, 386 = NZBau 2005, 147 = ZfBR 2005, 252). Feststellungen zur Höhe der dem Auftragnehmer zustehenden Vergütung sind, soweit möglich, auch dann zu treffen, wenn sich die Unrichtigkeit seiner Schlussrechnung daraus ergibt, dass der Auftragnehmer die kalkulatorischen Ansätze hinsichtlich der erbrachten Leistungen nachträglich zu hoch bewertet und so den Vergütungsanteil für die erbrachten Leistungen zum Nachteil des Auftraggebers zu Unrecht erhöht. Derartige Verschiebungen machen eine Schlussrechnung nicht insgesamt "unplausibel" und rechtfertigen nicht ohne weitere Feststellungen eine Klageabweisung. Auch insoweit kann und muss die nachträgliche Kalkulation auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden (vgl. , BauR 2003, 1207, 1208 = NZBau 2003, 497 = ZfBR 2003, 567).
2. Ebenfalls unzutreffend ist die nicht näher begründete Ansicht des Berufungsgerichts, die Schlussrechnung der Klägerin sei keine ausreichende Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO. Gerade dann, wenn der Auftragnehmer nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrags die erbrachten Leistungen prüfbar, aber sachlich fehlerhaft abgerechnet hat, gibt § 287 ZPO dem Gericht die Möglichkeit, den dem Auftragnehmer zustehenden Werklohn durch Schätzung zu ermitteln (, BauR 2004, 1441, 1442 = NZBau 2004, 549 = ZfBR 2004, 687 und vom - VII ZR 50/04, BauR 2006, 517, 519 = NZBau 2006, 179 = ZfBR 2006, 239). Die Klägerin hat ein Aufmaß vorgelegt und ihre Kalkulation offen gelegt, die von einem gerichtlichen Sachverständigen überprüft worden ist. Ausreichende Grundlagen für eine Schätzung nach § 287 ZPO, soweit eine solche erforderlich sein sollte, liegen damit vor.
3. Die Revision beanstandet ferner zu Recht, dass das Berufungsgericht seiner richterlichen Hinweispflicht nach § 139 ZPO nicht hinreichend nachgekommen ist. Das Gericht erfüllt seine Hinweispflicht nicht, indem es allgemeine oder pauschale Hinweise erteilt. Vielmehr muss es die Parteien auf fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen. Es muss darauf hinwirken, dass sich die Parteien über erhebliche Tatsachen vollständig erklären und ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen (, BGHZ 140, 365; Urteil vom - VII ZR 34/04, BauR 2005, 1918, 1920 = NJW 2006, 60, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Beschluss vom - VII ZR 67/05, BauR 2006, 558 = NZBau 2006, 240).
Dieser Hinweispflicht hat das Berufungsgericht nicht genügt. Das Landgericht hat die Kalkulation der Klägerin als plausibel angesehen und als Abrechnungsgrundlage anerkannt. Bedenken gegen diese Beurteilung lassen sich den Beschlüssen des Berufungsgerichts vom 16. Juni und , auf die es sich beruft, nicht entnehmen. Mit ihnen wurde dem gerichtlichen Sachverständigen aufgegeben, sein vor dem Landgericht erstattetes Gutachten zur Angemessenheit der Kalkulation der Klägerin in einigen Punkten zu ergänzen. Erst in der mündlichen Verhandlung vom wurde nach Anhörung des Sachverständigen pauschal darauf hingewiesen, dass sich die "Unplausibilität der Kalkulation der Klägerin" herausgestellt habe und "die Schlüssigkeit der Berechnung der Klageforderung insgesamt als nicht mehr gegeben" erachtet werde. Im Anschluss daran wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung, bei der es sich dann um das Berufungsurteil handelte, bestimmt, ohne der Klägerin Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags zu geben.
Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 1455 Nr. 21
WM 2007 S. 134 Nr. 3
RAAAC-03633
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein