BGH Urteil v. - VII ZR 471/01

Leitsatz

[1] Der Verzug mit der Bezahlung einer Abschlagsforderung endet jedenfalls nach Abnahme und Erteilung einer Schlußrechnung.

Gesetze: VOB/B § 16 E

Instanzenzug: LG Berlin

Tatbestand

Die Klägerin nimmt ihren ehemaligen Prozeßbevollmächtigten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er einen Anspruch auf Ersatz von Verzugszinsen unsachgemäß verfolgt habe.

Die Klägerin erbrachte für die Deutsche Reichsbahn (DR) Bauleistungen. Dem Auftrag lag die VOB/B zugrunde. Am erstellte die Klägerin eine Rechnung über ca. 12 Mio. DM, die später vereinbarungsgemäß als 6. Abschlagsrechnung angesehen wurde. Nachdem die DR einen Betrag von 1.744.383,99 DM akzeptiert hatte, mahnte die Klägerin den vollen Rechnungsbetrag am mit Frist zum zur Zahlung an. Am legte die Klägerin eine Schlußrechnung über knapp 10 Mio. DM.

Im Vorprozeß hat die Klägerin von der DR Zahlung von über 7,7 Mio. DM nebst 7 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem verlangt. Nach nur teilweisem Klageerfolg verfolgte sie in der Berufung, nunmehr vertreten durch den Beklagten, den Hauptanspruch nebst Zinsen ab dem . Die Mahnung vom war vom Beklagten unstreitig nicht in den Rechtsstreit eingeführt worden. Streitig ist, ob sie dem Beklagten vorlag. Das Kammergericht erkannte auf eine Zahlungspflicht von 2.961.894,49 DM nebst Zinsen ab dem und wies den Zinsanspruch für den Zeitraum vom bis zum mit der Begründung ab, der Zinsbeginn zum sei nicht näher dargelegt worden; zu diesem Zeitpunkt sei die Schlußrechnungsforderung noch nicht fällig gewesen.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr dadurch entstanden sei, daß der Beklagte vor dem Berufungsgericht hinsichtlich der Verzinsung unzureichend vorgetragen habe. Insbesondere habe er die Mahnung vom nicht in den Prozeß eingeführt, obwohl ihm diese mit den Prozeßunterlagen überreicht worden sei. Das Landgericht hat die auf Zahlung von 612.537,52 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, die Berufung, mit der Zahlung von 623.424,76 DM verlangt worden ist, ist erfolglos geblieben.

In der Revision verfolgt die Klägerin den Schadensersatz weiter, den sie nach einem Zinsanspruch von 1 % über dem Lombardsatz vom bis zum aus einem Betrag von 1.988.597,75 DM, mithin in Höhe eines Betrages von 220.736,91 DM, berechnet.

Gründe

Die Revision ist unbegründet.

Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, dem Beklagten könne allenfalls vorgehalten werden, daß er den Werklohnanspruch der Klägerin jedenfalls wegen eines Teils der Zinsen nicht auch auf die als 6. Zwischenrechnung angesehene Rechnung vom und den von der DR anerkannten Betrag gestützt habe. Ein derartiger Fehler führe nicht zum Erfolg der Klage. Ansprüche auf Abschlagszahlung seien nur solange einklagbar, bis die Schlußrechnung vorliege. Der Verzug mit Abschlagszahlungen ende mit Vorlage der Schlußrechnung. Der Auftragnehmer könne den Auftraggeber erst nach Ablauf der Prüfungsfrist aus § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B erneut in Verzug setzen.

Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden sei, daß der Beklagte den Verzugszinsanspruch für die Zeit vom bis zum nicht begründet habe, bestehe nicht, weil die Klägerin insoweit ihren Schadensersatzanspruch abgetreten habe.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus Verletzung des Anwaltsvertrags. Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne den Schaden nicht geltend machen, der durch möglicherweise entgangene Verzugszinsen vom 1. März bis zum entstanden ist, weil sie ihren möglichen Anspruch insoweit abgetreten habe. Der Senat hat deshalb nur zu beurteilen, ob der Klägerin Verzugszinsen für die Zeit vom bis zum dadurch entgangen sein könnten, daß der Beklagte die ihm möglicherweise vorliegende Mahnung vom nicht in den Prozeß eingeführt hat. Das ist nicht der Fall.

1. Mit dem Abschluß des Bauvertrages entsteht für den Auftragnehmer die Werklohnforderung. Sie kann nach dem Vergütungssystem der VOB/B unter verschiedenen Voraussetzungen durchgesetzt werden.

a) Nach § 16 Nr. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Diese Regelung bezweckt, den vorleistungspflichtigen Auftragnehmer zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen (, BauR 1985, 456, 457 = ZfBR 1985, 174; Urteil vom - VII ZR 217/85, BauR 1987, 453 = ZfBR 1987, 200). Der Anspruch auf Abschlagszahlungen ist auf Anzahlungen in Bezug auf den Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk gerichtet und dadurch gekennzeichnet, daß Zahlungen darauf nur vorläufig sind bis zur Feststellung einer endgültigen Vergütung des Auftragnehmers durch die Schlußrechnung (, BauR 2002, 1257, 1259 = IBR 2002, 350 = NZBau 2002, 390 = ZfBR 2002, 558; Urteil vom - IX ZR 46/85, BauR 1986, 361, 365, 366 = ZfBR 1986, 162). Diese auf vorläufige Vergütung gerichtete Abschlagsforderung ist ein schuldrechtlicher Anspruch im Sinne des § 241 Satz 1 BGB, der vom Gläubiger mit Eintritt der Fälligkeit selbständig geltend gemacht werden kann. Er kann deshalb z.B. selbständig verjähren (, BauR 1999, 267 = IBR 1999, 68, 90 = ZfBR 1999, 98). Ebenso kann ein Verzug des Auftraggebers unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B begründet werden.

b) Nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Schlußzahlung alsbald nach Prüfung und Feststellung der von ihm vorgelegten Schlußrechnung. Der Anspruch wird spätestens zwei Monate nach Zugang der Schlußrechnung fällig. Aus dieser Regelung, wie auch aus der Abschlagszahlungsvereinbarung, folgt, daß der Auftragnehmer nach Beendigung des Vertrages seine Leistung prüfbar endgültig abzurechnen hat. In dieser Abrechnung ist die gesamte Vergütung einschließlich der vergütungsgleichen Ansprüche darzustellen und der Saldo, der sich durch Abzug der Voraus- und Abschlagszahlungen ergibt, zu ermitteln. Abschlagszahlungen sind ebenso wie Vorauszahlungen lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrags bezogen werden können (, BGHZ 140, 365, 373 f.; Urteil vom - VII ZR 196/00, BauR 2002, 938, 939 = IBR 2002, 235 = NZBau 2002, 329 = ZfBR 2002, 473; Urteil vom - VII ZR 249/00, BauR 2002, 1407, 1408 = IBR 2002, 352 = NZBau 2002, 562 = ZfBR 2002, 673).

2. Jedenfalls nach Abnahme und Erteilung der Schlußrechnung ist das Recht zur vorläufigen Abrechnung erloschen und damit auch die Berechtigung, eine vorläufige Abrechnung durchzusetzen und Verzugsfolgen daraus fortwirken zu lassen (vgl. auch , BauR 1985, 456 = ZfBR 1985, 174). Die Fälligkeit der Abschlagsforderungen wirkt nach einer Abnahme und Erteilung der Schlußrechnung nicht fort. Die Abschlagsforderung verliert durch die endgültige Abrechnung zwangsläufig ihren selbständigen Charakter. Sie verliert auch ihre Durchsetzbarkeit. Ein Verzug wird beendet (MünchKommBGB/Ernst, 4. Aufl., § 286 Rdn. 98). Entgegen der Auffassung der Revision bleibt sie auch nicht als unselbständiger Bestandteil der Schlußrechnungsforderung bestehen, soweit identische Leistungen abgerechnet werden. Es gibt nur eine Werklohnforderung. Deren Fälligkeit kann nur einheitlich geregelt sein.

Aus der Entscheidung des Senats vom (VII ZR 30/99, BauR 2000, 1482 = IBR 2000, 479 = NZBau 2000, 507 = ZfBR 2000, 537) folgt nichts anderes. Der Senat hat in dieser Entscheidung hervorgehoben, daß der Auftragnehmer seinen Anspruch auf Abschlagszahlung jedenfalls dann verfolgen kann, wenn er zwar eine Schlußrechnung gestellt hat, jedoch eine Abnahme oder deren unberechtigte Verweigerung nicht nachweisen kann. In diesem Fall ist davon auszugehen, daß er noch vorleistungspflichtig ist, so daß es auch gerechtfertigt ist, ihm einen Anspruch auf Abschlagszahlungen zuzubilligen. Anders ist das jedoch, wenn die Abnahme erklärt und die Schlußrechnung erteilt ist.

3. Das Vergütungssystem der VOB/B nimmt in Kauf, daß das Recht zur vorläufigen Abrechnung jedenfalls nach Abnahme und Erteilung der Schlußrechnung endet und dadurch ein Zeitraum von höchstens zwei Monaten entsteht, in dem die Vergütungsforderung nicht fällig ist und deshalb ein Verzug für diesen Zeitraum nicht begründet sein kann. Dem liegt die Wertung zugrunde, daß der Auftraggeber in diesem Zeitraum die Gelegenheit haben muß, die Schlußrechnung zu prüfen. Das gilt unabhängig davon, ob überhaupt Abschlagsforderungen erhoben worden sind. Ein Verzug mit Zahlung des endgültig festgestellten Betrages kann nur unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B erneut begründet werden. Unberührt davon bleibt das Recht des Auftragnehmers, die Ansprüche zu verfolgen, die sich aus dem Verzug mit der Begleichung von Abschlagsforderungen ergeben. Diese Ansprüche gehen nicht unter. Der Auftragnehmer ist z.B. nicht gehindert, einen Schaden zu verfolgen, der daraus entstanden ist, daß die Abschlagsforderung nicht beglichen worden ist und deshalb der entsprechende Geldbetrag dem Auftragnehmer nicht zur Begleichung von eigenen Schulden oder zur Kapitalanlage zur Verfügung stand. Begrenzt ist lediglich der Zeitraum des Verzuges, so daß die sich aus § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B hergeleiteten Verzugszinsen in Höhe von 1 % über dem Lombardsatz nicht mehr ab dem Zeitpunkt verlangt werden können, zu dem nach einer Abnahme die Schlußrechnung erteilt worden ist.

4. Auf dieser Grundlage hatte der Beklagte keine Möglichkeit, im Vorprozeß einen ab dem berechneten Anspruch auf Ersatz der nach § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B berechneten Verzugszinsen durch Vorlage der Mahnung vom durchzusetzen. Denn diese Mahnung betraf die 6. Abschlagsrechnung. Mit Ablauf der darin bis zum gesetzten Frist konnte die DR nur mit ihrer Verpflichtung zur Begleichung der Abschlagsrechnung in Verzug geraten. Dieser Verzug endete mit Erteilung der Schlußrechnung am .

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2004 S. 2811 Nr. 52
FAAAC-03595

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein