Leitsatz
[1] Zur Haftung eines Verhandlungsführers aus Verschulden bei Vertragsschluß, der bei den von ihm geführten Verhandlungen den Auftragnehmer nicht darauf hinweist, daß der als GmbH mit Sitz im Inland ausgegebene Auftraggeber eine Gesellschaft ungarischen Rechts mit ausschließlichem Sitz in Ungarn ist, die nur zum Schein vorgeschoben ist.
Gesetze: BGB § 276 Fa
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom LG Fulda vom
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2 auf Schadensersatz in Anspruch, weil er sie bei den von ihm geführten Verhandlungen über einen Bauvertrag mit der Beklagten zu 1 darüber nicht aufgeklärt habe, dass der Vertrag mit einer Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn geschlossen wird.
Die Klägerin unterbreitete dem Beklagten zu 2 auf dessen Aufforderung ein Angebot für Bauarbeiten auf einem Grundstück in Sch. , das diesem gehörte und auf dem ein Hotel, ein Supermarkt sowie Wohnungen errichtet werden sollten. Die anschließenden Vertragsverhandlungen führte der Beklagte zu 2 im Namen der Beklagten zu 1, einer in Budapest ansässigen Gesellschaft ungarischen Rechts, deren Gesellschafter er zumindest früher einmal gewesen war. Gegenüber der Klägerin bezeichnete er die Beklagte zu 1 nicht mit ihrem ungarischen Namen, sondern als Analysis III. GmbH. Auf ihren ausländischen Geschäftssitz wies er nicht hin. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 schlossen daraufhin einen schriftlichen Bauvertrag. Die Klägerin führte die vom Beklagten zu 2 als Architekten geleiteten Bauarbeiten durch. Hierfür erhielt sie Abschlagszahlungen. Nach Fertigstellung erteilte sie eine Schlußrechnung, aus der sie nach Abzug der Abschlagszahlungen und verschiedener Umlagen noch 104.866,05 DM geltend machte. Die Beklagte zu 1 lehnte eine weitere Zahlung unter Hinweis auf eine nach ihrer Auffassung unzutreffende Abrechnung, verbliebene Mängel sowie weitere Gegenforderungen ab.
Die Klägerin hat von den Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner Zahlung von 104.866,05 DM Werklohn sowie 4.010 DM Kosten aus einem Vorprozess gegen die Beklagte zu 1 verlangt. Der Beklagte zu 2 hat zur Erfüllung einer Geldauflage, die ihm als Voraussetzung für die Einstellung eines gegen ihn wegen Betrugs eingeleiteten Strafverfahrens gemacht worden war, nach Rechtshängigkeit auf die Forderung aus dem Bauvertrag weitere 25.000 DM gezahlt.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 zur Zahlung von 53.983,03 DM verurteilt. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie Zahlung von insgesamt 70.535,65 DM und Zinsen sowie hilfsweise die Feststellung der Schadensersatzpflicht verlangt hat, ist erfolglos geblieben. Nach der Behauptung der Klägerin ist die Beklagte zu 1 mit Wirkung vom nach Liquidation erloschen und verwertbares Vermögen nicht vorhanden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin nach Rücknahme des Rechtsmittels gegen die Beklagte zu 1 ihre Anträge allein gegen den Beklagten zu 2 mit der Maßgabe weiter, daß sie lediglich 53.983,03 DM und Zinsen sowie hilfsweise die Feststellung seiner Verpflichtung zum Schadensersatz verlangt.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum geltenden Fassung anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht hält den Beklagten zu 2, der nicht selbst Vertragspartner der Klägerin geworden sei, weder wegen eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen noch aus Delikt für verpflichtet, für den mit der Beklagten zu 1 vereinbarten Werklohn einzustehen. Der Beklagte zu 2 habe als Verhandlungsvertreter keine für den Entschluß der Klägerin bedeutsame zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen übernommen. Auch unter dem Gesichtspunkt eines wirtschaftlichen Eigeninteresses sei eine Haftung nicht begründet. Hierfür sei nicht ausreichend, daß der Beklagte zu 2 Eigentümer des Grundstücks sei, auf dem die Werkleistungen erbracht worden seien. Sein wirtschaftliches Interesse habe sich wegen der Beauftragung der Beklagten zu 1 nicht mehr auf die einzelnen Verträge mit den Bauhandwerkern gerichtet. Soweit die Klägerin behauptet habe, daß der Beklagte zu 2 keinen Vertrag mit der Beklagten zu 1 geschlossen oder darin übernommene Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt habe, fehle es an dem nach dem Bestreiten des Beklagten zu 2 notwendigen Beweisantritt. Auch eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB oder nach § 826 BGB komme nicht in Betracht. Es könne jedenfalls nicht festgestellt werden, daß der Beklagte zu 2 bei der unterlassenen Aufklärung der Klägerin über den Sitz der Beklagten zu 1 in Ungarn den Vorsatz gehabt habe, die Klägerin zu schädigen und sich oder der Beklagten zu 1 einen dem Schaden entsprechenden rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Eine Haftung des Beklagten zu 2 wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens lehnt das Berufungsgericht zu Recht ab. Eine solche würde voraussetzen, daß er der Klägerin eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts oder die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen geboten hat, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam gewesen ist (vgl. , NJW-RR 1991, 1312, 1314; , BauR 1992, 393, 394; , NJW 1997, 1233, 1234). Aus dem Umstand, daß der Beklagte zu 2 nach dem Vortrag der Klägerin bei den Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen hat, daß er die zu errichtenden Gebäude geplant habe, die Bauarbeiten leiten und überwachen sowie die Rechnungen prüfen werde, läßt sich die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht herleiten. Die Gebäudeplanung, die Bauaufsicht und die Mitwirkung bei der Prüfung von Rechnungen fallen in den gewöhnlichen Aufgabenbereich eines Architekten und lassen deshalb nicht den Schluß auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zu.
2. Eine Haftung des Beklagten zu 2 nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen könnte sich aber aus einem qualifizierten Eigeninteresse des Beklagten zu 2 ergeben.
a) Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen grundsätzlich den Vertretenen und nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen auch den Vertreter. Eine Haftungserstreckung wegen besonderen wirtschaftlichen Eigeninteresses setzt voraus, daß der Vertreter eine so enge Beziehung zum Vertragsgegenstand hat, daß er wirtschaftlich gleichsam in eigener Sache handelnd erscheint (, NJW-RR 1989, 110, 111; , NJW-RR 1991, 289). Dazu reicht die Beteiligung des Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH an der von ihm vertretenen Gesellschaft allein nicht aus (vgl. , NJW-RR 1991, 1312, 1313; , BGHZ 126, 181, 184 ff. m.w.N.). Auf die Frage, ob der Beklagte zu 2 als Gesellschafter oder Geschäftsführer beherrschenden Einfluß auf die Beklagte zu 1 hatte, kommt es daher nicht entscheidend an.
b) Ein die Haftung begründendes Eigeninteresse des Beklagten ist, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, dann zu bejahen, wenn der Bauvertrag mit der Beklagten zu 1 nicht oder nur zum Schein geschlossen wurde. In diesem Fall hätte der Beklagte zu 2 die Verhandlungen ausschließlich in seinem eigenen Interesse geführt. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, der Frage, ob der Vertrag nicht oder nur zum Schein geschlossen wurde, nicht weiter nachgehen zu müssen, weil die Klägerin keinen Beweis für diese Behauptung angetreten habe. Denn der Beklagte zu 2 hat diese Behauptung bisher nicht substantiiert bestritten.
aa) Den Gegner der primär darlegungs- und beweisbelasteten Partei trifft im Rahmen der ihm nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht eine sekundäre Behauptungslast, wenn diese Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozeßgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind ( IV b ZR 78/85, LM Nr. 53 zu § 323 ZPO; , NJW 1990, 3151; , NJW 1999, 714, 715).
bb) So liegt es hier. Die Klägerin kann nicht wissen, ob vertragliche Beziehungen zwischen den Beklagten bestanden, wie diese ausgestaltet waren und ob sie durchgeführt worden sind. Dem Beklagten zu 2 ist es dagegen möglich, zu dem Inhalt des nach seinem Vortrag geschlossenen Bauvertrages und zu dessen Abwicklung näher vorzutragen. Das ist ihm auch zumutbar, weil die Klägerin das Fehlen eines tatsächlich durchgeführten Vertrages nicht ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt behauptet hat, sondern die Gesamtumstände ihre Behauptung nachhaltig stützen:
Es sind bisher keine Umstände erkennbar, aus denen sich ergibt, dass die Beklagte zu 1 überhaupt Bauleistungen erbracht hat. Alle im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauvorhabens notwendigen Leistungen sind vom Beklagten zu 2 selbst erbracht worden. Dieser hat das Bauvorhaben nicht nur geplant, sondern auch selbst die Verhandlungen mit den Bauunternehmern geführt. Auf die in erster Instanz vorgelegte Auskunft der ungarischen Korrespondenzanwälte der Klägerin, an dem angegebenen Sitz der Beklagten zu 1 in Budapest habe ebenso wie unter einer weiteren, aus dem öffentlichen Telefonverzeichnis ersichtlichen Anschrift einer Gesellschaft Analysis III. nur ein Briefkasten ermittelt werden können, hat der Beklagte zu 2 lediglich vortragen lassen, auch nach deutschem Recht sei die Errichtung eines eigenen Bürohauses nicht vorgeschrieben. Er hat damit die indiziell verwertbare Tatsache, daß die Beklagte zu 1 unter der angegebenen Anschrift über keine zur Geschäftstätigkeit normalerweise erforderlichen Büroräume verfügt, nicht in Abrede gestellt. Der Beklagte zu 2 hat sich zum Beweis seiner Vertragsbeziehungen zu der Beklagten zu 1 im Berufungsverfahren zwar auf die Vorlage des Bauvertrages bezogen. Er hat jedoch weder eine Kopie hiervon eingereicht noch nähere Einzelheiten zu dem Vertragsinhalt vorgetragen. Die Abschlagszahlungen an die Klägerin sind nach deren Vortrag im Berufungsrechtszug nicht von der Beklagten zu 1, sondern von einer in N. ansässigen Analysis III. GmbH geleistet worden, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte zu 2 war. Der Beklagte zu 2 hat sich hierzu nicht eindeutig erklärt. Während er zunächst angegeben hat, die Beklagte zu 1 habe die Zahlungen lediglich durch Nutzung eines deutschen Bankkontos bewirkt, hat er nach Konkretisierung des Vortrags der Klägerin eingeräumt, es könne sein, daß die Zahlungen "unter Einschaltung der Niederlassung der Analysis III. Kft. in Deutschland" erfolgt seien.
3. Der Beklagte zu 2 hat die vorvertragliche Pflicht verletzt, die Klägerin anläßlich der Vertragsverhandlungen darüber aufzuklären, daß es sich bei der Auftraggeberin um eine in Budapest ansässige Gesellschaft ungarischen Rechts ohne eingetragene Niederlassung (§ 13 e Abs. 2 HGB) in der Bundesrepublik Deutschland handelt. Diese Information war für die Klägerin von wesentlicher Bedeutung. Davon konnte abhängen, ob oder mit welcher Sicherung sie den Vertrag abschließt. Das war für den Beklagten zu 2 ohne weiteres erkennbar. Die Gestaltung des Vertragstextes einschließlich der Angabe unterschiedlicher Firmennamen im Vertragskopf und bei der Unterschrift legen eine Absicht nahe, einen Geschäftssitz im Inland vorzuspiegeln und Verwechslungen mit Gesellschaften ähnlich klingenden Namens bei der Bonitätsprüfung Vorschub zu leisten.
4. Die Pflichtverletzung kann auch zu dem Schaden geführt haben, der darin liegt, dass die Beklagte zu 1 zunächst in einem anderen Rechtsstreit erfolglos in Anspruch genommen worden ist und die Forderung nunmehr nicht mehr realisiert werden kann. Wäre die Klägerin zutreffend aufgeklärt worden, wären die Kosten des Vorprozesses voraussichtlich nicht in vollem Umfang entstanden. Sie wäre zudem mit dem Werklohn nicht ausgefallen, wenn sie den Vertrag mit der Beklagten zu 1 nur mit vollständiger Absicherung ihrer Werklohnforderung geschlossen hätte, wie sie behauptet. Wäre eine Sicherheitsvereinbarung nicht zu realisieren gewesen und hätte die Klägerin den Vertrag dann überhaupt nicht geschlossen, bestünde ihr Schaden in Höhe der vergeblichen Prozesskosten und des Wertes der nicht vergüteten Bauleistungen.
III.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben, die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird unter Beachtung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast erneut zu prüfen haben, ob eine Haftung des Beklagten zu 2 aus dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen oder aus Delikt in Betracht kommt. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß der Beklagte zu 2 seiner Vortragslast angesichts der besonderen Umstände nicht durch die bloße Darlegung des Inhalts oder die Vorlage eines zwischen den Beklagten geschlossenen Bauvertrages erfüllen kann, sondern es ihm obliegen wird, auch Angaben zu dessen tatsächlicher Durchführung zu machen, insbesondere zu einer Zahlung des vereinbarten Entgelts.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2002 S. 1878 Nr. 36
DStR 2002 S. 1275 Nr. 30
CAAAC-03463
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein