Leitsatz
[1] a) Der Schuldner ist nach Offenlegung einer aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts erfolgten Teilabtretung der gegen ihn gerichteten Forderung an den Vorbehaltslieferanten grundsätzlich berechtigt, in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 1 BGB nachträglich zu bestimmen, dass seine an den bisherigen Gläubiger erbrachten Abschlagszahlungen vorrangig auf die dem Vorbehaltslieferanten zustehende Teilforderung anzurechnen sind.
b) Entsprechend dem § 121 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken muss der Schuldner die Leistungsbestimmung unverzüglich vornehmen, nachdem er von der Teilabtretung Kenntnis erhalten hat.
Gesetze: BGB § 121 Abs. 1; BGB § 366 Abs. 1
Instanzenzug: LG Berlin 93 O 1/02 vom KG Berlin 24 U 295/02 vom
Tatbestand
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Restwerklohnansprüche der Fa. A. gegen die Beklagte bis zum Betrag von 184.000 € geltend.
Die Klägerin lieferte der inzwischen insolvent gewordenen Fa. A. aufgrund eines im Jahr 1993 geschlossenen Warenkreditvertrags unter Eigentumsvorbehalt Material für Heizungs- und Sanitäranlagen. Die von der Fa. A. akzeptierten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin (künftig: AVL) enthalten unter "VII. Eigentumsvorbehalt" u.a. eine Regelung über einen verlängerten Eigentumsvorbehalt mit einer Vorausabtretung der Werklohnforderung, sofern der Käufer das von der Verkäuferin gelieferte Material aufgrund eines Werkvertrages mit einem Dritten verwendet.
Die Beklagte beauftragte die Fa. A. zwischen Februar 1994 und März 1996 mit der Ausführung der Gewerke Sanitär und Heizung für die Bauvorhaben K. und K.-N. Die Klägerin zeigte der Beklagten die Abtretung mit Schreiben vom an. Die Beklagte bestimmte nachträglich, dass ihre an die Fa. A. geleisteten Abschlagszahlungen vorrangig auf die an die Klägerin abgetretenen Teile der Werklohnforderungen der Fa. A. aus den näher bezeichneten Bauverträgen anzurechnen seien.
Die Klägerin hat zunächst behauptet, sie habe gegen die Fa. A. noch Forderungen aus Lieferungen für die Bauvorhaben K.-N. in Höhe von 565.161,12 DM und K. in Höhe von 962.330,29 DM. Sie ist der Ansicht, dass ihr unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen aus den Bauaufträgen für die Blöcke 10/11, 13/15, 33 und 35/52 (Bauvorhaben K.) sowie für die Blöcke 8 und 14 (Bauvorhaben K.-N.) Werklohnansprüche gegen die Beklagte wirksam abgetreten worden seien, die die Höhe ihrer gegen die Fa. A. gerichteten Forderungen überstiegen. Sie hat diese Werklohnforderungen zunächst bis zur Höhe der behaupteten Restforderung gegenüber der Fa. A. in Höhe von 780.993,95 € (1.527.491,41 DM) geltend gemacht.
Das Landgericht hat angenommen, dass der Klägerin Werklohnforderungen der Fa. A. für das Bauvorhaben K.-N. in Höhe von 367.771,35 DM und für das Bauvorhaben K. in Höhe von 613.755,29 DM wirksam abgetreten worden seien. Es hat die Klage im Hinblick auf die nachträgliche Tilgungsbestimmung der Beklagten abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der diese bis zur Höhe eines Betrags von 184.000 € jeweils einen erststelligen Teilbetrag der an sie abgetretenen Werklohnforderungen aus den Bauaufträgen entsprechend der erstinstanzlich bestimmten Reihenfolge geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zur Frage der Wirksamkeit einer nachträglichen Tilgungsbestimmung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Klageforderung in Höhe von 184.000 € mit der Maßgabe weiter, dass bis zu diesem Betrag jeweils erststellige Teilbeträge der nach Auffassung des Landgerichts wirksam an sie abgetretenen Werklohnansprüche gegen die Beklagte aus den Bauverträgen gemäß der in den Vorinstanzen bestimmten Reihenfolge gefordert werden.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in BauR 2005, 388 abgedruckt ist, geht in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon aus, dass der Klägerin Werklohnansprüche gegen die Beklagte aus näher bezeichneten Aufträgen für die Bauvorhaben K. und K.-N. in Höhe des Rechnungswerts des von der Klägerin gelieferten Materials wirksam abgetreten worden seien. Die an die Klägerin abgetretenen Werklohnansprüche seien durch Abschlagszahlungen der Beklagten in entsprechender Höhe gemäß §§ 362, 366 Abs. 1 BGB erloschen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, nachträglich zu bestimmen, dass ihre an die Fa. A. geleisteten Abschlagszahlungen zunächst den im Voraus an die Klägerin abgetretenen Teil der Werklohnforderungen tilgen sollten. Dem Schuldner, der in Unkenntnis einer Teilabtretung Leistungen an den bisherigen Gläubiger erbringe, stehe ein nachträgliches Tilgungsbestimmungsrecht entsprechend § 366 Abs. 1 BGB zu, um zu gewährleisten, dass er das ihm nach dieser Vorschrift zustehende Bestimmungsrecht ausüben könne.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Die Revision beanstandet zu Unrecht, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht im Sinne des § 547 Nr. 6 ZPO mit Gründen versehen ist.
Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss das Berufungsurteil die von den Parteien gestellten Berufungsanträge wiedergeben und erkennen lassen, welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (vgl. , BGHZ 156, 216, 218 und vom - V ZR 392/02, WM 2003, 2424, 2425 mit Nachw.). Welche Anforderungen danach im Einzelfall an die Entscheidungsgründe eines Berufungsurteils zu stellen sind, ist unter Berücksichtigung des mit § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO verfolgten Zwecks zu beurteilen, eine Überprüfung der Entscheidung durch das Revisionsgericht zu ermöglichen (vgl. aaO, S. 218 f. mit Nachw.).
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung unter Beachtung dieser Grundsätze ausreichend begründet. Die Berufungsanträge werden im Urteil wörtlich wiedergegeben. Der Streitgegenstand der Berufung ist durch die Bezugnahme auf die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom , aus der sich das mit der Berufung verfolgte Rechtsmittelbegehren ergibt, hinreichend bezeichnet. Eine wörtliche Wiedergabe der Erläuterungen zu den mit der Berufung verfolgten Teilansprüchen war neben der gemäß § 540 ZPO zulässigen Bezugnahme auf schriftsätzliches Parteivorbringen nicht geboten, da das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen von einer vollständigen Erfüllung aller Teilansprüche ausgegangen ist.
2. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht die Annahme, dass die an die Klägerin wirksam abgetretenen Werklohnansprüche der Fa. A. aus den Bauvorhaben K. und K.-N. durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen sind.
a) Mit der Revision verfolgt die Klägerin ursprünglich der Fa. A. zustehende Werklohnforderungen in dem Umfang weiter, in dem sie ihr nach der vom Berufungsgericht bestätigten Entscheidung des Landgerichts teilabgetreten worden sind, nämlich in Höhe des Rechnungsbetrages für das jeweils eingesetzte von ihr an die Fa. A. gelieferte Material. Gegen die Wirksamkeit dieser Teilabtretung bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken. Die hinreichende Bestimmbarkeit des jeweils abgetretenen Teils der Forderungen ist nicht zweifelhaft. Die Bezugnahme auf die Rechnungsbeträge für das eingesetzte Material reicht hierfür aus (vgl. , BGHZ 98, 303, 312).
b) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte grundsätzlich in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen ist, nach Offenlegung der erfolgten Teilabtretung der gegen sie gerichteten Werklohnforderungen aus den Bauvorhaben K. und K.-N. nachträglich zu bestimmen, dass ihre in Unkenntnis der Abtretung an die Fa. A. geleisteten Abschlagszahlungen vorrangig auf die der Klägerin zustehenden Forderungsteile anzurechnen seien.
Der Schuldner, der in Unkenntnis einer Teilabtretung Teilleistungen an den bisherigen Gläubiger erbracht hat, ist berechtigt, sein Tilgungsbestimmungsrecht in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 1 BGB nachträglich auszuüben, nachdem er von der Aufspaltung der Forderung auf mehrere Teilgläubiger Kenntnis erlangt hat (so OLG Hamm, BauR 2002, 638, 640; MünchKommBGB-Wenzel, 4. Aufl., § 366 Rdn. 3; Staudinger/Kaduk, BGB, 12. Aufl., § 366 Rdn. 12; Erman/H. P. Westermann, BGB, 11. Aufl., § 366 Rdn. 3, 9; Soergel/Zeiss, BGB, 12. Aufl., § 366 Rdn. 3; Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 366 Rdn. 3 und 4a; a.A.: OLG Köln, OLGR 1998, 417; OLG Zweibrücken, OLGR 1998, 216; Staudinger/Olzen, BGB, (2000) § 366 Rdn. 31; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl., § 7 I. 4. b) S. 141).
aa) Nach § 366 Abs. 1 BGB wird, wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, diejenige Schuld getilgt, die der Schuldner bei der Leistung bestimmt. Dem Schuldner steht ein Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 366 Abs. 1 BGB darüber hinaus für den Fall zu, dass eine einheitliche Forderung zwischen mehreren Gläubigern aufgeteilt ist (vgl. , NJW 1991, 2629, 2630 und vom - VII ZR 221/64, BGHZ 47, 168, 171 mit Nachw.).
bb) § 366 Abs. 1 BGB regelt dagegen nicht unmittelbar die Frage, was zu gelten hat, wenn der Schuldner bei der Leistung infolge einer ihm nicht offen gelegten Teilabtretung von dem Bestehen eines Tilgungsbestimmungsrechts nach § 366 Abs. 1 BGB keine Kenntnis hat und es folglich nicht ausüben kann. In diesem Fall ist es ihm gestattet, sein Recht nachträglich wahrzunehmen. Damit wird der durch die verdeckte Teilabtretung für den Schuldner begründete Nachteil ausgeglichen, dass seine Dispositionsfreiheit über die Art der Anrechnung von ihm erbrachter Teilleistungen im Zeitpunkt der Leistung nicht gewährleistet war.
(1) Dem Schuldner wird durch die nicht offen gelegte Teilabtretung der gegen ihn gerichteten Forderung die Möglichkeit entzogen, bei der Leistung gemäß § 366 Abs. 1 BGB zu bestimmen, wie Teilleistungen auf die infolge der Abtretung auf verschiedene Gläubiger aufgeteilte Forderung angerechnet werden sollen. Die zwischen dem bisherigen und dem neuen Gläubiger vereinbarte Sicherungsabtretung dient vorrangig den Interessen des bisherigen Gläubigers und des Zessionars, nicht aber des Schuldners. Nach Anzeige der Teilabtretung besteht kein rechtfertigender Grund, es dem Schuldner zu verwehren, in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 1 BGB sein Leistungsbestimmungsrecht nachträglich auszuüben. Erst die Anzeige eröffnet ihm die Möglichkeit, ein Wahlrecht, wie es § 366 Abs. 1 BGB gewährt, auszuüben.
(2) Für die Einräumung eines nachträglichen Leistungsbestimmungsrechts spricht der sich aus §§ 404 ff. BGB ergebende Grundsatz, den Schuldner durch die Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung nicht schlechter zu stellen, als er ohne diese stehen würde. Der Zessionar darf deshalb nicht darauf vertrauen, dass Teilleistungen des Schuldners, die dieser in Unkenntnis einer Teilabtretung und damit der Möglichkeit erbringt, bei der Leistung eine Bestimmung über die Art und Weise ihrer Anrechnung zu treffen, entsprechend der in § 366 Abs. 2 BGB bestimmten Reihenfolge auf die mit der Abtretung entstandenen Teilforderungen angerechnet werden. Er hat es nach Offenlegung der Teilabtretung vielmehr hinzunehmen, dass der Schuldner in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 1 BGB nachträglich eine Tilgungsbestimmung zu seinem Nachteil trifft.
cc) Die Anwendung der ergänzenden Regelung des § 366 Abs. 2 BGB kommt nur in Betracht, wenn der Schuldner in Kenntnis der Teilabtretung von seinem Leistungsbestimmungsrecht keinen Gebrauch macht. Die an den bisherigen Gläubiger erbrachten Teilleistungen des Schuldners sind dann in der Regel verhältnismäßig auf die dem bisherigen und dem neuen Gläubiger zustehenden Teilforderungen anzurechnen (vgl. , NJW 1991, 2629, 2630 und vom - VII ZR 221/64, BGHZ 47, 168, 171 mit Nachw.).
dd) Der Schuldner ist entsprechend dem § 121 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken allerdings gehalten, sein Leistungsbestimmungsrecht unverzüglich auszuüben, nachdem er von der Teilabtretung Kenntnis erhalten hat. Er darf bei der Ausübung des nachträglichen Tilgungsbestimmungsrechts nicht besser stehen, als er im Falle einer Irrtumsanfechtung einer nach § 366 Abs. 1 BGB bei der Leistung getroffenen Tilgungsbestimmung gestanden hätte. Auf die Anfechtung einer Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB wegen Irrtums sind die Anfechtungsvorschriften grundsätzlich entsprechend anzuwenden (vgl. , BGHZ 106, 163, 166 m. Nachw.). Den Schuldner trifft die Beweislast dafür, dass eine etwaige Verzögerung der nachträglichen Leistungsbestimmung auf Gründen beruht, die er nicht zu vertreten hat.
c) Das Berufungsgericht trifft keine Feststellungen dazu, ob die Beklagte die Tilgungsbestimmung unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB vorgenommen hat, nachdem ihr die Abtretung der Forderungen angezeigt worden ist. Zugunsten der Klägerin ist in der Revision davon auszugehen, dass die Beklagte die nachträgliche Leistungsbestimmung nicht unverzüglich getroffen hat.
III.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Für die neue Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat zunächst die erforderlichen Feststellungen dazu nachzuholen, ob die nach Aktenlage erst geraume Zeit nach Anzeige der Abtretung vorgenommene Tilgungsbestimmung der Beklagten auf einer von ihr zu vertretenden Verzögerung beruht. Sollte die Beklagte ihr nachträgliches Tilgungsbestimmungsrecht nicht unverzüglich ausgeübt haben, hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Umstands, dass die an die Klägerin abgetretenen Teilforderungen durch die erbrachten Abschlagszahlungen dann gemäß § 366 Abs. 2 BGB verhältnismäßig getilgt worden sind, zu prüfen, in welcher Höhe die auf die Klägerin übergegangenen Forderungsteile durch die vor Offenlegung der Abtretung geleisteten Abschlagszahlungen der Beklagten erfüllt worden sind. Ferner hat es den von der Beklagten geltend gemachten weiteren Einwendungen gegen die an die Klägerin abgetretenen Teilforderungen sowie der erhobenen Verjährungseinrede nachzugehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1709 Nr. 32
DB 2006 S. 1490 Nr. 27
DStZ 2006 S. 566 Nr. 16
DStZ 2006 S. 675 Nr. 19
NJW 2006 S. 2845 Nr. 39
WM 2006 S. 1289 Nr. 27
ZIP 2006 S. 1636 Nr. 35
GAAAC-03427
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: nein