Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: KUG § 22; KUG § 23; KUG § 23 Abs. 1 Nr. 1; KUG § 23 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main 11 U 8/03 vom
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine Bildberichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift FREIZEIT REVUE.
Die Klägerin unterhält seit 2001 eine Beziehung zu dem damaligen Ehemann der Schauspielerin Uschi Glas, B. T.. In Nr. 13/02 der genannten Zeitschrift veröffentlichte die Beklagte einen Artikel unter der Überschrift "Das wahre Drama hinter den Kulissen", in dem über die Trennung Glas/T. berichtet wird. Dazu ist ein Portraitfoto der Klägerin veröffentlicht mit der Bildunterschrift: "Die neue Frau an der Seite von B. T.: Anke S...".
Die Klägerin begehrt die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des Fotos. Die Beklagte hält die Veröffentlichung unter dem Gesichtspunkt eines überwiegenden Informationsinteresses sowie deswegen für zulässig, weil die Klägerin und B. T. im Januar 2003 ihre Beziehung selbst öffentlich gemacht hätten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten durch das angefochtene Urteil abgewiesen und die Revision zugelassen.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht verneint eine ausdrückliche und eine konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung des Fotos. Es ist weiter der Ansicht, die Klägerin sei durch ihre Beziehung mit B. T. nicht zu einer Person der Zeitgeschichte geworden. Die "Begleiterrechtsprechung" lasse sich auf den Fall nicht übertragen. Das öffentliche Interesse an der Klägerin sei erst durch die identifizierende Berichterstattung begründet worden, die das Ziel verfolgt habe, die Klägerin als "Rivalin" von Uschi Glas aufzubauen und das Zerbrechen der Ehe Glas/T. als öffentliches zeitgeschichtliches Ereignis erst zu konstituieren. Ein überwiegendes Informationsinteresse an der lediglich der Befriedigung von Neugier und Sensationslust dienenden Berichterstattung habe nicht bestanden.
Es gehe jedoch nicht um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Veröffentlichung, sondern um die Unterlassung erneuter Veröffentlichung. Insoweit fehle die Wiederholungsgefahr. Eine erneute Veröffentlichung des Fotos stelle keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Durch den gemeinsamen Auftritt der Klägerin mit B. T. bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises im Januar 2003 und die dabei abgegebenen Erklärungen habe die Klägerin ihre Privat- und Sozialsphäre insoweit selbst öffentlich gemacht. Mit dem bisherigen Rechtsschutzanspruch, der damit begründet worden sei, die Klägerin habe ein Recht auf Anonymität und trage in keiner Weise dazu bei, daß ihr Privatleben an die Öffentlichkeit gelange, könne sie nicht mehr durchdringen.
Die Annahme eines überwiegenden Interesses der Beklagten an der Publikation von Bildern der Klägerin gelte allerdings nicht schrankenlos. Der Beklagten seien insoweit zeitliche und inhaltliche Grenzen gesetzt. Zeitlich seien derartige Veröffentlichungen nur so lange als rechtmäßig zu bewerten, wie das Scheitern der Ehe Glas/T. noch als zeitgeschichtlicher Vorgang angesehen werden müsse, an dem die Öffentlichkeit ein Interesse habe. Nach der inzwischen rechtskräftigen Scheidung dieser Ehe werde die Bedeutung des Vorgangs auch für das öffentliche Informationsinteresse stetig abnehmen, so daß die Klägerin jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt Veröffentlichungen von Fotografien, die sie abbilden, hinnehmen müsse. Gegenwärtig müsse allerdings das Interesse der Klägerin an der Unterlassung nicht genehmigter Bildveröffentlichungen wegen fortbestehender Aktualität des Vorgangs noch für einen begrenzten Zeitraum hinter dem Informationsinteresse zurücktreten.
Darüber hinaus müsse die Klägerin auch keineswegs eine Veröffentlichung sämtlicher der Presse zugänglich gemachter Fotografien hinnehmen. Es bestehe kein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse an Bildern, die die Klägerin in Bereichen der geschützten Intim- und Privatsphäre zeigten bzw. die aus früherer Zeit stammten und in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem heutigen Leben als Partnerin von B. T. stünden. Davon ausgehend könne hinsichtlich des hier in Frage stehenden Fotos von einem berechtigten Interesse an der Unterlassung nicht ausgegangen werden. Das Foto sei eher neutral und berühre die Privatsphäre der Klägerin nur insoweit, als sie als Person in gleicher Weise optisch identifizierbar sei wie durch ihr öffentliches Auftreten.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
1. Das Berufungsgericht verneint mit dem Landgericht eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung des Fotos. Dies nimmt die Revision als ihr günstig hin. Diese Wertung ist auch nicht zu beanstanden.
2. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts war die von der Beklagten vorgenommene Veröffentlichung rechtswidrig.
a) Davon geht im Ergebnis auch die Revision aus. Soweit sie dem Berufungsgericht vorwirft, die Systematik der §§ 22, 23 KUG verkannt und trotz Verneinung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG vorgenommen zu haben, sind dessen Ausführungen so zu verstehen, daß eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten aus den Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG vorgenommen wird, um festzustellen, ob die hier in Frage stehenden Bildnisse dem "Bereiche der Zeitgeschichte" überhaupt zugeordnet werden können.
Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte unabhängig von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Das weitere dem Grundrechtseinfluß offen stehende Tatbestandsmerkmal des "berechtigten Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises außer acht gelassen worden sind (BVerfGE 101, 361, 391 f.; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922 f.). Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich, wobei der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen ist, der der Pressefreiheit und zugleich dem Persönlichkeitsschutz ausreichend Rechnung trägt (BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922). Demgemäß verlangt auch der erkennende Senat, daß bereits in diesem Zusammenhang eine Interessenabwägung hinsichtlich der betroffenen Grundrechte vorzunehmen ist ( - NJW 1996, 985, 986 = VersR 1996, 341 f.; vom - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863 und vom - VI ZR 305/03 - zur Veröffentlichung bestimmt, sub II 2 a; vgl. ferner Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rn. 4 ff.).
b) Nicht zu beanstanden ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom (NJW 2004, 2647 ff.), daß das Berufungsgericht bei seiner Abwägung die Ehekrise Glas/T. wegen des daran bestehenden öffentlichen Interesses als zeitgeschichtlichen Vorgang ansieht, gleichwohl aber (ausgehend von der hergebrachten Definition der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte) für die Zeit vor dem öffentlichen Auftreten der Klägerin (hierzu unten 3 c) ein überwiegendes Informationsinteresse am Privatleben der Klägerin verneint.
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Unterlassungsklage sei unbegründet, weil die Klägerin jedenfalls für einen gewissen Zeitraum die Bildberichterstattung über sich im Zusammenhang mit der Ehekrise und nachfolgenden Scheidung von Uschi Glas und B. T. dulden müsse, hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, eine Verurteilung zur Unterlassung einer Handlung könne nicht ohne weiteres darauf gestützt werden, daß in der Vergangenheit eine Rechtsverletzung stattgefunden hat. Eine solche Verurteilung kann vielmehr nur dann erfolgen, wenn eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, wird unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr geprüft. Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB), ist Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung ( - NJW 1987, 3251, 3253; vom - I ZR 84/90 - GRUR 1992, 318, 319; vom - I ZR 16/92 - NJW 1994, 2096; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1004 Rn. 78; MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rn. 97; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 1999, § 1004 Rn. 208; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 6 Rn. 7; Wenzel/Burkhardt, aaO, Kap. 12 Rn. 7). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des Unterlassungsanspruchs. Auch wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt worden ist, hat keinen Anspruch darauf, daß ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (so Teplitzky, aaO, Kap. 6 Rn. 4). Davon gehen letztlich auch diejenigen Stimmen aus, die der Wiederholungsgefahr lediglich prozessuale Bedeutung beimessen (Nachweise bei MünchKomm-BGB/Medicus, aaO und Teplitzky, aaO, Rn. 6).
b) Die Ausführungen der Revision dazu, daß ein Wegfall der Wiederholungsgefahr hier nicht bejaht werden könne, berücksichtigen nicht ausreichend, daß sich das Fehlen der Wiederholungsgefahr aufgrund unterschiedlicher Umstände ergeben kann. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mag der häufigste Grund für die Beseitigung dieser Gefahr sein. Er ist aber keineswegs der einzige. Die Überlegung, daß die Wiederholungsgefahr bei bereits geschehener Rechtsverletzung vermutet wird und daß an die Widerlegung der Vermutung strenge Anforderungen zu stellen sind, hilft jedenfalls dann nicht weiter, wenn es nicht um eine Abschätzung des mutmaßlichen künftigen Verhaltens des Rechtsverletzers geht, sondern darum, ob die Wiederholungsgefahr aufgrund veränderter Umstände aus rechtlichen Gründen zu verneinen ist.
c) Hier hat das Berufungsgericht geprüft, inwieweit die Voraussetzungen des § 23 KUG hinsichtlich künftiger Veröffentlichungen auch noch nach dem Auftreten der Klägerin bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises vorliegen. Diese Frage ist für das in Rede stehende Foto dahin zu beantworten, daß eine Veröffentlichung in den vom Berufungsgericht aufgezeigten Grenzen nicht untersagt werden kann.
aa) Das Berufungsgericht stützt seine Bewertung darauf, daß sich die Klägerin durch ihr Auftreten in einen zeitgeschichtlichen Vorgang eingeordnet habe, so daß sie einer dies darstellenden Berichterstattung nicht ihr Recht auf Privatheit und Anonymität entgegenhalten könne.
Diese Überlegung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des erkennenden Senats ist bereits mehrfach betont worden, daß sich niemand auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen kann, die er selbst der Öffentlichkeit preisgibt (BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG, NJW 2000, 1021, 1022 f.; Senat, Urteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 524 = NJW 2004, 762 und - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525, 526 = NJW 2004, 766). Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden; die Erwartung, daß die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muß situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG, NJW 2000, 1021, 1023; zur Problematik vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 8 Rn. 75; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, S. 230 f.; Seitz, NJW 2000, 2167). Dies gilt auch und insbesondere für den Bildnisschutz bei Anwendung der §§ 22, 23 KUG, die mit ihrem abgestuften Schutzkonzept einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit anstreben, gilt also auch, soweit bereits bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.
bb) Unter den Umständen des Streitfalls durfte das Berufungsgericht eine künftige in zeitlicher Nähe zu den Vorgängen stehende erneute Veröffentlichung des hier in Frage stehenden Fotos als nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt ansehen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht konkret beanstandet worden sind, liegt hier ein Fall vor, in dem die Betroffene gerade nicht situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht hat, ihre Privatsphäre solle nicht Gegenstand der Berichterstattung in der Presse sein. Die Klägerin hat sich danach selbst mit ihrem öffentlichen Auftritt an die Öffentlichkeit gewandt, ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin von B. T. auch gegenüber der Boulevardpresse offengelegt und dies sowohl mit dem von ihr gebilligten Interview ihres Partners als auch mit der Einwilligung in die von ihr und B. T. dabei angefertigten Fotografien dokumentiert.
Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, unter diesen Umständen dürfe das beanstandete Portraitfoto trotz seines fehlenden Bezuges zu dem zeitgeschichtlichen Vorgang veröffentlicht werden, weil es eher neutral sei und die Privatsphäre der Klägerin nur insoweit berühre, als sie als Person optisch in gleicher Weise identifizierbar werde, wie es durch die von ihr gebilligten Aufnahmen anläßlich der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises auch geschehen sei. Die Verwendung kontextneutraler wie auch kontextfremder Fotoaufnahmen bei der Presseberichterstattung ist nicht zu beanstanden, wenn weder die Veröffentlichung des jeweiligen Fotos als solche noch der Zusammenhang, in dem es gebracht wird, das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten beeinträchtigen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1921, 1924 ff.; Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 8 Rn. 26 ff.). Dies ist nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des fraglichen Fotos der Fall.
III.
Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AAAAC-02898
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein