Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 138; BGB § 138 Abs. 1
Instanzenzug:
Tatbestand
Der Kläger war an dem Erwerb von Immobilien zum Zweck der Kapitalanlage interessiert. Über den anderweit verklagten Vermittler B. erlangte er Kenntnis von Immobilien im Wohnpark B. -A. . Er schloß im Oktober und November 1998 mit der Beklagten notarielle Kaufverträge über die Wohnung Nr. 6 zum Preis von 200.000 DM und die Wohnung Nr. 21 zum Preis von 410.000 DM. Den Kaufpreis für die Wohnung Nr. 21 zahlte der Kläger. Im Februar 1999 wurde er als Eigentümer der Wohnung Nr. 21 in das Grundbuch eingetragen. Den Kaufpreis für die Wohnung Nr. 6 zahlte der Kläger nicht.
Mit Schreiben vom erklärte der Kläger die Anfechtung der Kaufverträge wegen arglistiger Täuschung. Er strebt die Rückabwicklung des Kaufvertrags über die Wohnung Nr. 21 und die Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrags über die Wohnung Nr. 6 an. Er hat behauptet, daß die beiden Wohnungen überteuert verkauft worden seien. Sämtliche Berechnungs- und Bewertungsgrundlagen hätten sich als falsch erwiesen. Die Wohnung Nr. 21 sei in Wirklichkeit nur 100.000 DM wert gewesen, die Wohnung Nr. 6 nur 60.000 DM. Die Wohnungen seien in erheblichem Umfang renovierungsbedürftig, während ihm versichert worden sei, die Wohnungen seien gerade renoviert worden. Auch seien derzeit noch verschiedene Verwalter tätig, was die Hausgelder verteure. Dies alles hätten die Geschäftsführer der Beklagten auch gewußt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seinen Klageanspruch weiter.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht verneint die Nichtigkeit der Kaufverträge nach § 138 BGB. Der Kläger habe schon nicht schlüssig dargetan, daß die beiden Wohnungen weit über Wert verkauft worden seien. Seine Behauptungen seien aus der Luft gegriffen. Der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb ein hierzu von der Beklagten vorgelegtes Gutachten unrichtig sein solle. Dies habe im einzelnen dargelegt werden müssen.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstoßen und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der begünstigte Vertragspartner die schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt oder wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, daß sich der andere nur in Unkenntnis der wahren Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einläßt. Ist das Mißverhältnis besonders grob, so ist allein deswegen der Schluß auf bewußte oder grob fahrlässige Ausnutzung irgendeines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig. Von einem besonders groben Mißverhältnis ist auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung des Begünstigten (vgl. nur Senat, BGHZ 146, 298, 301, 302 m. w. N.; Senatsurt. v. , V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 430 f.). Die tatsächliche Vermutung kann aber durch besondere Umstände erschüttert sein und damit nicht die Schlußfolgerung auf eine verwerfliche Gesinnung eröffnen. Solche Umstände können sich namentlich aus sachgerechten, eine Übervorteilung regelmäßig ausschließenden Bemühungen zur Ermittlung eines den Umständen nach angemessenen Leistungsverhältnisses ergeben, wie etwa bei einem (fehlerhaften) Verkehrswertgutachten als Grundlage der Kaufpreisbemessung (Senat, BGHZ 146, 298, 305; Senatsurt. v. , V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156 und v. , V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166).
2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht angewendet, weil der Kläger schon das grobe Mißverhältnis von Kaufpreis und Grundstückswert nicht schlüssig dargelegt habe. Damit hat das Berufungsgericht aber, wie die Revision mit Erfolg rügt, die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags überspannt.
a) Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und damit als Prozeßstoff erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das mit der Klage geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muß in der Lage sein, auf Grund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen. Der Sachvortrag bedarf im Hinblick auf die Erwiderung des Gegners nur dann der Ergänzung, wenn er infolge dieser Einlassung unklar wird und nicht mehr den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zuläßt. Eine Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen darf nicht abgelehnt werden, wenn die Behauptung konkret genug ist, um eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu beurteilen (Senatsurt. v. , V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270 und v. , V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, jeweils m. w. N.). Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung (Senatsurt. v. , V ZR 95/91, NJW 1992, 3106; und v. , V ZR 150/95, NJW-RR 1996, 1402 jew. m.w.N.).
b) Richtig ist zwar der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, wonach es im Zivilprozeß wegen Rechtsmißbrauchs unzulässig ist, eine Behauptung ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam "ins Blaue hinein" aufzustellen (vgl. , NJW 1996, 394; Urt. v. , VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541, 1542; Urt. v. , VII ZR 202/98, NJW-RR 2000, 208). Bei der Annahme eines solch mißbräuchlichen Verhaltens ist aber Zurückhaltung geboten; denn oftmals wird es einer Partei nicht erspart bleiben, in einem Zivilprozeß Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse haben kann, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält (, NJW 1995, 2111, 2112). In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf einer Behauptung "ins Blaue hinein" rechtfertigen können ( aaO).
c) Hieran gemessen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen des Klägers. Ihm ist zwar einzuräumen, daß der Kläger in erster Instanz ein objektiv bestehendes grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in beiden Verträgen zwar behauptet, aber nicht näher erläutert hat. In zweiter Instanz hat er indessen vorgetragen, daß die Wohnung Nr. 21 bei einem Kaufpreis von 410.000 DM nur 100.000 DM und die Wohnung Nr. 6 bei einem Kaufpreis von 200.000 DM nur 60.000 DM wert und dieser Umstand den Organen der Beklagten auch bekannt gewesen sei. Diese Behauptung wäre nur dann unbeachtlich, wenn diese Angaben ersichtlich aus der Luft gegriffen wären. Das ist, worauf die Revision mit Recht hinweist, nicht der Fall. Der Kläger hat sich in seiner Berufungsbegründung mit dem von Beklagtenseite vorgelegten Gutachten U. auseinandergesetzt und dargelegt, worin er dessen Fehler sieht. Sie sollen, was auch näher erläutert wird, in dem angesetzten Boden- und Ertragswert und vor allem darin liegen, daß in dem Gutachten ein guter Erhaltungszustand vorausgesetzt werde, wohingegen in Wirklichkeit erheblicher Sanierungsbedarf bestehe. Der Vortrag wird in das Wissen von Zeugen gestellt, die als Geschäftsführer der Fa. K. Grundbesitz-Verwaltungs-GmbH, welche die Wohnanlage "I. W. " in B. verwaltet und betreut, Sachkenntnis haben sollen. Außerdem wird Augenscheins- und Sachverständigenbeweis angeboten. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts brauchte sich der Kläger nicht noch intensiver mit den Einzelheiten des der Preisbildung zugrundeliegenden Wertgutachtens auseinanderzusetzen. Dieses Gutachten ist nicht sonderlich ausführlich und bietet kaum mehr Ansatzpunkte für eine sachliche Auseinandersetzung, als sie der Kläger auch genutzt hat. Auch deshalb genügte es, wenn sich der Kläger mit den aus seiner Sicht wesentlichen Einwänden auseinandersetzte und dieses als Kaufanreiz qualifizierte. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, daß sein Vortrag wegen der unterschiedlichen Kaufpreise der zudem unterschiedlichen Wohnungen unstimmig sei. Denn der Kläger will gerade geltend machen, daß sie jetzt wegen des Erhaltungszustands wertmäßig nahezu gleichwertig geworden sind. Dem Vorbringen des Klägers läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß es ihm nur um eine Geldanlage gegangen sei. Denn dies steht der Annahme der Sittenwidrigkeit nicht von vornherein entgegen. Dies gilt auch für die Bereitschaft des Klägers, dem Vergleichsvorschlag des Landgerichts zu folgen. Die Bereitschaft einer Partei zur Annahme eines Vergleichsvorschlags des Gerichts hängt entscheidend davon ab, wie die Partei angesichts des Vorschlags ihre Prozeßaussichten beurteilt. Rückschlüsse darauf, wie der Wert der Wohnungen vor und bei Abschluß eines streitig gewordenen Kaufvertrags war, läßt eine solche Bereitschaft nicht zu.
3. Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Durchführung einer Beweisaufnahme über die Höhe des von dem Kläger behaupteten Verkehrswertes unterlassen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
LAAAC-02287
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein