Leitsatz
[1] Zur Bestimmung des Ausgleichs nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. ist auf die üblichen Entgelte für Versorgungsleitungen nicht schon dann zurückzugreifen, wenn sich ein Marktpreis für die Einräumung von Nutzungsrechten zu Telekommunikationszwecken noch nicht gebildet hat, sondern erst, wenn die Verhältnisse des hier zu beurteilenden Marktes auch eine Schätzung nicht erlauben (Fortführung von Senat BGHZ 145, 16).
Gesetze: TKG § 57 Abs. 2 Satz 2 a. F.
Instanzenzug: AG Dortmund
Tatbestand
Die Beklagte unterhält auf Grundstücken der Klägerin in D. eine Hochspannungsleitung, die auf Grund eines Gestattungsvertrags vom durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gesichert ist. Im Jahr 1994 rüstete die Beklagte die Leitung mit einem Lichtwellenleiterluftkabel (LWL-Kabel) nach. Das LWL-Kabel wurde 1996 ohne Wissen der Klägerin, und ohne dass dies äußerlich erkennbar wurde, zu zwei Dritteln an einen Telekommunikationsanbieter vermietet, der das Kabel seitdem zu kommerzieller Telekommunikation nutzt. Das verbleibende Drittel des Kabels nutzt die Beklagte für betriebsinterne Kommunikation. Das teilte die Beklagte der Klägerin auf deren Anfrage am mit.
Mit der am erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 856,41 € nebst Zinsen beantragt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Wiederherstellung des klagabweisenden Urteils des Amtsgerichts erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hält den Anspruch für begründet. Die Beklagte sei als Inhaberin des Leitungsrechts Betreiberin der Telekommunikationslinie im Sinne von § 57 TKG a. F. Sie habe die Leitung durch ihre teilweise Vermietung an das sie jetzt mitnutzende Telekommunikationsunternehmen auch vermarktet. Ob der Anspruch 1998 verjährt sei oder der allgemeinen regelmäßigen Verjährung unterlegen habe, könne offen bleiben. Die Beklagte dürfe sich jedenfalls auf die Verjährung nicht berufen. Sie habe zwar die von der Klägerin begehrte Auskunft zeitnah erteilt. Sie sei aber verpflichtet gewesen, die Klägerin über die Nutzungsänderung zu informieren. Die in § 57 TKG a. F. bestimmte Duldungspflicht zu Lasten des Eigentümers sei verfassungsrechtlich nur mit dem in § 57 TKG a. F. auch vorgesehenen Ausgleichsanspruch zu rechtfertigen. Verjährte dieser unabhängig von der Kenntnis des Grundstückseigentümers in zwei Jahren von seinem Entstehen an, liefe er leer, weil der Eigentümer das Entstehen des Anspruchs regelmäßig nicht erkennen könne. Ihm sei auch nicht zuzumuten, sich regelmäßig nach einer etwaigen Nutzungsänderung zu erkundigen. Er müsse darüber vielmehr von dem Inhaber des Leitungsrechts informiert werden. Das sei hier nicht geschehen. Der Anspruch sei auch der Höhe nach gerechtfertigt. Das Entgelt für die Einräumung von Nutzungsrechten für oberirdische Telekommunikation betrage zwischen 5 und 15 €/lfd. m und sei hier auf 3,50 €/lfd. m zu schätzen. Dieses Entgelt sei auf 2,55 €/lfd. m zu reduzieren, weil das Grundstück der Klägerin bereits mit einer Dienstbarkeit zugunsten der Beklagten belastet sei.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand. Der Klägerin steht der Ausgleichsanspruch nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. gegen die Beklagte zu. Dieser ist nicht verjährt und auch in der zuerkannten Höhe gerechtfertigt.
1. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die Klägerin (auch) die Beklagte auf Zahlung des nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. geschuldeten Ausgleichs in Anspruch nehmen kann.
a) § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. bestimmt zwar nicht ausdrücklich, wer dem Grundstückseigentümer den Ausgleich schuldet. Für diesen Anspruch gilt aber nichts anderes als für den Anspruch nach § 57 Abs. 2 Satz 1 TKG a. F. (Senatsurt. v. , V ZR 202/04, WM 2005, 1801, 1803). Den Ausgleich schuldet in einem wie im anderen Fall der Betreiber der Telekommunikationslinie. Das ist derjenige, der die Funktionsherrschaft über die Telekommunikationslinien, also die Leitungen (vgl. § 3 Nr. 20 TKG a.F.), hat (Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 3 Rdn. 4). Funktionsherrschaft über die LWL-Kabel hat aber nicht allein das Telekommunikationsunternehmen, das mittels des Kabels Telekommunikation betreibt, sondern auch und sogar in erster Linie das Energieversorgungsunternehmen, das in Ausnutzung des Leitungsrechts und des daran geknüpften Rechts aus § 57 Abs. 1 TKG a. F. die Telekommunikationslinien verlegen lässt und selbst oder durch Vermietung vermarktet (Senatsurt. v. , V ZR 202/04). Das wird hier auch darin deutlich, dass das LWL-Kabel nur zu zwei Dritteln für Telekommunikationszwecke genutzt wird und im Übrigen weiterhin der Betriebstelekommunikation der Beklagten dient.
b) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der Ausgleichsanspruch nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. nicht schon mit der Umrüstung der vorhandene Anlage für Telekommunikationszwecke oder der Vermietung von Leitungen zu solchen Zwecken, sondern erst entsteht, wenn die Leitungen tatsächlich für Telekommunikation genutzt werden (Senatsurt. v. , V ZR 202/04). Denn dieser Umstand ändert nichts an der Funktionsherrschaft des Energieversorgungsunternehmens und an seiner Eigenschaft als Betreiber der Telekommunikationslinie. Es ist neben dem Telekommunikationsunternehmen berechtigt, die erweiterte Duldungspflicht von dem Grundstückseigentümer einzufordern (Senat, BGHZ 145, 16, 18, 29 ff., 33) und deshalb neben dem Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, den für die in der erweiterten Duldungspflicht liegende Beschränkung des Grundstückseigentums vorgesehenen Ausgleich zu zahlen (Senatsurt. v. , V ZR 202/04).
2. Der Anspruch ist auch nicht verjährt.
a) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Ausgleichanspruch vor dem in der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. von damals 30 Jahren oder in der besonderen Verjährungsfrist des § 58 TKG a. F. von damals 2 Jahren verjährt. Diese Frage hat der Senat im zweiten Sinne entschieden (Senatsurt. v. , V ZR 202/04, WM 2005, 1801, 1803).
b) Diese Verjährungsfrist war hier nicht abgelaufen.
aa) Die Verjährungsfrist von 2 Jahren begann allerdings nach § 58 TKG a. F. mit der Entstehung des Anspruchs. Das ist der Zeitpunkt, in dem die Mieterin der Beklagten die Nutzung der Leitung zu Telekommunikationszwecken aufnahm. Das geschah 1996. Dieser Verjährungsbeginn ist aber nur bei den Ansprüchen des Grundstückseigentümers auf Schadensersatz vertretbar, deren Entstehen der Grundstückseigentümer im Allgemeinen wahrnehmen kann. Bei den hier zu beurteilenden Ausgleichsansprüchen führt dieser Verjährungsbeginn typischerweise dazu, dass der Ausgleichsanspruch verjährt ist, bevor der Grundstückseigentümer bemerken kann, dass ihm ein Anspruch überhaupt zusteht. Dafür, die Verjährungsfrist dennoch beginnen zu lassen, kann es im Einzelfall tragfähige Gründe geben. Solche Gründe sind für die Verjährung von Ausgleichsansprüchen nach § 57 TKG a. F. weder angeführt worden noch ersichtlich.
bb) Die danach gebotene (Senatsurt. v. , V ZR 202/04, WM 2005, 1801, 1804 f.) verfassungskonform zu modifizierende Anwendung der Vorschrift führt allerdings nicht, wie das Berufungsgericht meint, zu der Annahme einer Pflicht des Energieversorgungsunternehmens, dem Grundstückseigentümer die Aufnahme einer Nutzung von Leitungen und Anlagen zu Telekommunikationszwecken mitzuteilen, bei deren Verletzung sich das Energieversorgungsunternehmen auf den Eintritt der Verjährung nicht berufen dürfe. § 58 TKG a. F. ist vielmehr in Anlehnung an § 852 Abs. 1 BGB a. F. und § 199 BGB einschränkend in dem Sinne auszulegen, dass die Verjährungsfrist nicht schon mit dem Entstehen des Anspruchs, sondern erst zu laufen beginnt, wenn der Grundstückseigentümer Kenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat (Senatsurt. v. , V ZR 202/04, WM 2005, 1801, 1805).
cc) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Anspruch ist zwar schon 1996 entstanden. Kenntnis hiervon hat die Klägerin aber erst seit dem . Das Entstehen des Anspruchs war der Klägerin auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt. Sie hätte zwar zu einem früheren Zeitpunkt bei der Beklagten wegen einer Nutzungsänderung nachfragen können. Das Unterlassen einer solchen Nachfrage ist aber nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen einer Nachfrage aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Grundstückseigentümers als unverständlich erscheinen lassen (Senatsurt. v. , V ZR 202/04). Dazu genügt - entgegen der Auffassung der Revision - nicht, dass die Grundstückseigentümer im Regelfall im Jahre 1997 von der Liberalisierung des Telekommunikationswesens und von der Ausgleichspflicht nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. Kenntnis erlangt haben mögen. Welche konkreten Umstände der Klägerin Veranlassung hätten geben sollen, bei ihr wegen einer Nutzung der Leitung zu Telekommunikationszwecken nachzufragen, hat die Beklagte nicht vorgetragen, obwohl die Klägerin die Unzumutbarkeit ständiger Nachfragen geltend gemacht und unter Vorlage eines Gutachtens eine entsprechende Anwendung von § 199 BGB für sachgerecht gehalten hatte. Mit der am erhobenen Klage ist die Verjährung deshalb rechtzeitig nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB gehemmt worden.
4. Unbegründet ist auch der Angriff der Revision gegen die Bemessung des Anspruchs.
a) Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin, dass sich der Ausgleichsanspruchs nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. nach der üblichen Vergütung für die Verlegung von Versorgungsleitungen richtet, soweit sich noch kein Marktpreis für die Einräumung eines Nutzungsrechts zu Telekommunikationszwecken gebildet hat (Senat, BGHZ 145, 16, 34 f.). Richtig ist auch, dass das Berufungsgericht den Ausgleich nicht auf der Grundlage der üblichen Entgelte für die Einräumung von Versorgungsleitungen ermittelt hat, obwohl es zu Beginn seiner Prüfung ausführt, ein Marktpreis für die Einräumung von Nutzungsrechten für Telekommunikationszwecke habe sich nicht gebildet, weshalb auf die üblichen Entgelte für Versorgungsleitungen zurückzugreifen sei. Das verhilft der Revision aber nicht zum Erfolg.
b) Zur Bestimmung des Ausgleichs nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. ist auf die üblichen Entgelte für Versorgungsleitungen nicht schon dann zurückzugreifen, wenn sich ein Marktpreis für die Einräumung von Nutzungsrechten zu Telekommunikationszwecken noch nicht gebildet hat. Diese Maßstäbe betreffen einen anderen Markt und können als marktfernerer Ersatz für die Bemessung des Ausgleichs für die Nutzung von Grundstücken zu Telekommunikationszwecken erst heran gezogen werden, wenn die Verhältnisse des hier zu beurteilenden Marktes auch eine Schätzung nicht erlauben. Nur so kann sichergestellt werden, dass die aus § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. folgende Einbuße des Eigentümers auch möglichst marktgerecht ausgeglichen wird (BVerfG, WM 2005, 855, 856 f.). Eine solche Schätzung ist nach den von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hier aber möglich und von dem Berufungsgericht auch vorgenommen worden. Darin unterscheidet sich der vorliegende von dem Fall des Oberlandesgerichts Hamm (NJW-RR 2002, 769), in welchem eine solche Schätzung gerade nicht möglich und deshalb auf die Entgelte für die Einräumung von Versorgungsleitungen zurückzugreifen war. Lassen die festgestellten Marktverhältnisse aber eine Schätzung des Ausgleichs für die Einräumung von Nutzungsrechten für (oberirdische) Telekommunikation zu, scheidet ein Rückgriff auf den marktferneren und deshalb nur hilfsweise heranzuziehenden üblichen Preis für die Verlegung von Versorgungsleitungen aus. Auf den Vortrag der Beklagten hierzu kommt es deshalb nicht an.
c) Die von dem Berufungsgericht vorgenommene Schätzung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar und in diesem Rahmen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat zwar auf die Preise für Versorgungsleitungen Bezug genommen, seiner Schätzung aber in der Sache zutreffend die marktnäheren Preise zugrunde gelegt, die für die Einräumung oberirdischer Telekommunikationsleitungen gezahlt werden. Diese betragen nach dem Vortrag der Klägerin zwischen 5 € und 15 € je laufendem Meter. Das hat die Beklagte nicht bestritten; sie hat nur die von dem Berufungsgericht geteilte Ansicht vertreten, hieraus lasse sich ein (bestimmter) Marktpreis nicht ableiten. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des Ausgleichs, wie geboten (Senat, BGHZ 145, 16, 35), berücksichtigt, dass der Grundstückseigentümer bei einer nachträglich erweiterten Nutzung vorhandener, anderen Zwecken dienender Leitungen zu Telekommunikationszwecken bereits ein Entgelt für die Einräumung des vorhandenen Leitungsrechts, das auch eine Nutzung zu betriebsinterner Kommunikation einschließt, entrichtet hat. Es hat seiner Berechnung dazu ein Entgelt von 3,50 €/lfd. m zugrunde gelegt, das unterhalb der niedrigsten Entgelte liegt, die nach seinen Feststellungen für die Neureinräumung von Telekommunikationsnutzungsrechten gezahlt werden. Dieses Entgelt hat es zusätzlich auf 2,55 €/lfd. m reduziert, weil die erweiterte Nutzung das Haftungsrisiko des Grundstückseigentümers nicht vergrößere und ihn in der Nutzung seines Grundstücks nicht zusätzlich beeinträchtige. Das entspricht im Ergebnis den von der Beklagten nicht substantiiert bestrittenen und sachlich als Vergleichsmaßstab tauglichen Preisen für die zusätzliche Nutzung einer Hochspannungsleitung für Telekommunikationszwecke in dem Angebot der Stadtwerke B. für eine Nachrüstung und dem Vertrag der Stadtwerke L. mit dem Landwirtschaftsverband für die zusätzliche Nutzung einer neu zu errichtenden Hochspannungsleitung und ist nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 384 Nr. 6
WM 2006 S. 49 Nr. 1
ZAAAC-02145
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja