BGH Urteil v. - LwZR 20/01

Leitsatz

[1] Der infolge einer Umwandlung durch Verschmelzung (§ 2 UmwG) eintretende Pächterwechsel (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Überlassung der Pachtsache an einen Zusammenschluß im Sinne des § 589 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Der infolge einer Umwandlung durch Verschmelzung (§ 2 UmwG) eintretende Pächterwechsel (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) rechtfertigt allein nicht eine außerordentliche Kündigung des Verpächters aus wichtigem Grund. Eine solche ist nur möglich, wenn die Umwandlung zu einer konkreten Gefährdung der Ansprüche des Verpächters geführt hat; die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt dem Verpächter.

Gesetze: BGB § 589 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 242 Bc

Instanzenzug: OLG Jena AG Gera

Tatbestand

Die Kläger zu 1 und 2 sowie die aus den Klägern zu 3 bis 5 bestehende Erbengemeinschaft sind Eigentümer verschiedener landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, die die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die W. Agrar GmbH, mit in ihrem Wortlaut identischen Verträgen vom bis zum angepachtet hat.

Die Verträge enthalten eine den Vorschriften des § 589 BGB entsprechende Abrede und gewähren dem Verpächter das Recht zur fristlosen Kündigung, wenn der Pächter trotz schriftlicher Abmahnung und angemessen gesetzter Frist einen vertragswidrigen Gebrauch der Pachtsache, z.B. eine unzulässige Unterverpachtung, fortsetzt.

Die W. Agrar GmbH als übertragende Gesellschaft schloß am mit der damals noch als F. Agrargesellschaft mbH firmierenden Beklagten als übernehmender Gesellschaft einen Verschmelzungsvertrag. Die Verschmelzung wurde am in das Handelsregister eingetragen. Im Hinblick auf diese Verschmelzung kündigten die Kläger die Pachtverträge nach vorheriger Abmahnung mit Schreiben vom fristlos und forderten die Herausgabe der Grundstücke.

Das Landwirtschaftsgericht hat den zunächst in drei getrennt geführten Prozessen erhobenen Räumungs- und Herausgabeklagen im wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Verfahren verbunden und die Klagen abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung der Urteile des Landwirtschaftsgerichts. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Kündigungen der Kläger für unwirksam. Das im Vertrag vereinbarte, der Vorschrift des § 589 Abs. 1 BGB nachgebildete Kündigungsrecht setze eine Nutzungsüberlassung an Dritte und damit ein Weiterbestehen des Pächters voraus. Daran fehle es, weil der ursprüngliche Pächter, die W. Agrar GmbH, als übertragender Rechtsträger nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG erloschen sei, folglich keine Nutzungsüberlassung an die Beklagte erfolgt, sondern ein gesetzlicher Pächterwechsel eingetreten sei. In einem solchen Fall bestehe auch kein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Die Interessen des Verpächters würden nämlich ausreichend durch anderweitige Gläubigerschutzbestimmungen (insbesondere § 22 UmwG) gewahrt.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.

1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Voraussetzungen einer Kündigung nach §§ 589 Abs. 1 Nr. 1, 594e, 553 a.F. BGB bzw. nach den inhaltsgleichen Regelungen im Pachtvertrag nicht gegeben sind. Denn diese Regelungen erfassen nur den Fall, daß der Pächter das Pachtland ohne Zustimmung des Verpächters einem Dritten zur Nutzung überläßt. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall einer Umwandlung durch Verschmelzung nach § 2 UmwG in wesentlichen Punkten. Die frühere Pächterin als übertragendes Unternehmen hat die Nutzung der Pachtflächen nicht einem Dritten, der Beklagten, überlassen, sondern sie hat sich in die Beklagte umgewandelt mit der Folge, daß diese kraft Gesetzes anstelle der früheren Pächterin in die bestehenden Verträge eingetreten ist (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Dieser strukturelle Unterschied erlaubt auch keine entsprechende Anwendung des § 589 Abs. 1 Nr. 1 BGB (bzw. eine dahingehende Auslegung der inhaltsgleichen vertraglichen Bestimmungen). Hinzu kommt, daß die Norm dem Pächter ein bestimmtes Verhalten untersagt und daß sich an einen Verstoß hiergegen das Kündigungsrecht knüpft. Demgegenüber war es der Pächterin nicht untersagt, sich durch Verschmelzung mit anderen Unternehmen umzuwandeln. Die Vertragsparteien hätten dies zwar vereinbaren können (OLG Oldenburg, OLG-Report 2000, 65, 66 m.w.N.). Davon haben sie aber - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - keinen Gebrauch gemacht. Auch dieser Unterschied, der den Grund des Kündigungsrechts betrifft, steht einer analogen Anwendung der Norm entgegen.

2. Nichts anderes gilt - entgegen der Auffassung der Revision - für den Kündigungsgrund der §§ 589 Abs. 1 Nr. 2, 594e, 553 BGB a.F. (den die Parteien ebenfalls im Vertrag wiederholt haben). Denn der Vorschrift des § 589 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt kein über Nr. 1 der Norm hinausgehender Regelungsgehalt zu (Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, BGB (1995), § 589 Rdn. 6). Sie geht vielmehr ebenfalls von einer Überlassung der Pachtsache durch den Pächter an Dritte aus und stellt lediglich klar, daß der Dritte auch in einem landwirtschaftlichen Zusammenschluß bestehen kann. Daß sich der Pächter selbst an dem Zusammenschluß beteiligt, rückt die von § 589 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfaßte Konstellation nicht in die Nähe einer übertragenden Umwandlung. Denn trotz der Beteiligung bleibt der Pächter nach wie vor Vertragspartner (vgl. MünchKomm-BGB/Voelskow, 3. Aufl., § 589 Rdn. 2). So ergeben sich zu Nr. 1 der Norm weder strukturelle Unterschiede noch Unterschiede hinsichtlich der Grundlage des Kündigungsrechts.

3. Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zu Unrecht verneint. Dieses von Literatur und Rechtsprechung aus §§ 626, 723, 242 BGB entwickelte (und jetzt in § 543 BGB, auf welche Vorschrift § 594e BGB verweist, geregelte) Kündigungsrecht ist für beide Parteien eines Miet- oder Pachtverhältnisses gegeben, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, so daß dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Vertragsbeendigung nicht zugemutet werden kann. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

a) Im Vordergrund des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund stehen die Fälle, die durch eine, nicht notwendigerweise schuldhafte, Vertragsverletzung eines der beiden Vertragspartner gekennzeichnet sind. § 543 BGB, welche Vorschrift jetzt eine zusammenfassende Kodifizierung dieses Kündigungsrechts enthält (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 61. Aufl., § 543 Rd.Nr. 1), bestätigt dies anschaulich. Die in Absatz 2 der Norm beispielhaft genannten wichtigen Gründe haben sämtlich Vertragsverletzungen zum Gegenstand. Ferner soll das Verschuldenselement einen maßgeblichen Umstand für die Beurteilung des Einzelfalls darstellen (Abs. 1). Vorausgesetzt wird also eine objektive Pflichtverletzung, da sonst die Frage des Verschuldens nicht gestellt werden kann. Fälle dieser Art kommen vorliegend von vornherein nicht in Betracht. Denn die Umwandlung der früheren Pächterin in die Beklagte stellte - wie ausgeführt - keine Vertragsverletzung dar.

b) Anknüpfungspunkt für eine Kündigung aus wichtigem Grund kann nur der Umstand sein, daß die Kläger ohne ihre Zustimmung durch die Umwandlung einen neuen Vertragspartner erhalten haben. Dieser Umstand berührt zwar die Interessen der Kläger, ist aber - ohne hinzutretende Besonderheiten - nicht von einem solchen Gewicht, daß ihnen allein deswegen die Fortsetzung des Pachtverhältnisses bis zu dessen vertragsgemäßem Ende nicht zugemutet werden könnte. Das ergibt sich aus folgendem.

aa) Der Gesetzgeber hat dem Umstand, daß die Gläubiger des übertragenden - und des übernehmenden - Rechtsträgers an dem Verschmelzungsvorgang nicht beteiligt sind und daher Risiken durch die Umwandlung ausgesetzt sind, auf die sie keinen Einfluß haben, dadurch Rechnung getragen, daß er ihnen unter den Voraussetzungen des § 22 UmwG einen Anspruch auf Sicherheitsleistung eingeräumt hat. Danach hat es der Gesetzgeber nicht für geboten erachtet, den Gläubiger schon allein wegen der ohne seine Zustimmung erfolgten Auswechselung des Schuldners vor abstrakten Risiken zu schützen. Sicherheit ist erst dann zu leisten, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, daß durch die Verschmelzung die Erfüllung der Forderung, und zwar konkret (vgl. Bermel, in: Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1996, § 22 Rdn. 15; Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 347 Rdn. 9, zur früheren Rechtslage nach dem Aktiengesetz), gefährdet ist. Diese Regelung ließe sich mit einem Kündigungsrecht schon aufgrund einer allgemeinen Risikoerhöhung nicht vereinbaren. Denn es bedeutete einen Wertungswiderspruch, wollte man dem Gläubiger das Recht zu einer Lösung vom Vertrag unter geringeren Voraussetzungen zubilligen als den Anspruch auf Sicherheitsleistung.

bb) Eine andere Beurteilung ist nicht deswegen geboten, weil es sich vorliegend um ein Dauerschuldverhältnis handelt, das von der Notwendigkeit eines gegenseitigen Vertrauens der Vertragspartner zueinander geprägt ist. Allerdings trifft dies für das Landpachtverhältnis - wie auch die Regelungen des § 589 Abs. 1 BGB zeigen - in signifikanter Weise zu (vgl. auch Senat, Urt. v. , LwZR 7/98, WM 1999, 1293). Gleichwohl läßt sich daraus kein Kündigungsgrund für den Fall der Umwandlung durch Verschmelzung herleiten. Zum einen hat der Gesetzgeber auch in § 22 UmwG den Interessen des Gläubigers in einem Dauerschuldverhältnis nicht in hervorgehobenem Maße Rechnung getragen. Im Gegenteil, da in einem Dauerschuldverhältnis der jeweilige Anspruch zumeist erst mit der Fälligkeit der einzelnen Leistung entsteht, die Sicherheitsleistung aber nur für bereits entstandene Ansprüche verlangt werden kann, versagt der Schutz durch Sicherheitsleistung für zukünftige Ansprüche (vgl. Dehmer, UmwG, 2. Aufl., § 22 Rdn. 6; Rowedder/Zimmermann, GmbHG, 3. Aufl., Anh. nach § 77 Rdn. 127; Hachenburg/Schilling, GmbHG, 7. Aufl., § 77 Anh. Rdn. 3). Zum anderen hat es der Gesetzgeber nicht generell für geboten erachtet, dem Verpächter im Falle eines ohne sein Zutun zustande gekommenen Wechsels auf Pächterseite stets ein Kündigungsrecht zuzubilligen. Wird die Pachtsache im Zusammenhang mit einer Betriebsübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge an einen Dritten übergeben mit der Folge, daß dieser nach § 593a Satz 1 BGB anstelle des bisherigen Pächters in den Pachtvertrag eintritt, so ist der Verpächter nur dann zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache durch den Übernehmer nicht gewährleistet ist (§ 593a Satz 3 BGB). Stirbt der Pächter, so kann der Verpächter dies zwar zum Anlaß für eine Kündigung nehmen (§ 594d Abs. 1 BGB). Die Kündigung bleibt jedoch im Ergebnis ohne Erfolg, wenn die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache durch die Erben oder einen von ihnen beauftragten Dritten gewährleistet erscheint (§ 594d Abs. 2 BGB). Auch wenn diese Umstände von den Erben darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen sind, zeigt die Regelung, daß in materieller Hinsicht nicht der Parteiwechsel an sich die Kündigung rechtfertigt, sondern daß entscheidend - wie bei § 593a Satz 3 BGB - die Gefährdung der Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung ist. Daran knüpft der Gesetzgeber sowohl im Umwandlungsrecht (zur Frage der Sicherheitsleistung) als auch im Landpachtrecht (zur Frage der Kündigung) an. Das verbietet es, unabhängig von diesem für die Wertung maßgeblichen Gesichtspunkt, allein aus dem Umstand, daß ein Parteiwechsel auf Pächterseite stattgefunden hat, auf ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu schließen.

c) Ein anderes Ergebnis ließe sich im konkreten Fall nur dann rechtfertigen, wenn die Darlegungslast hinsichtlich der Umstände, aus denen auf die Gefährdung bzw. Nichtgefährdung der Ansprüche des Verpächters geschlossen werden kann, in entsprechender Anwendung des § 594d Abs. 2 BGB der Beklagten obläge. Das ist indes zu verneinen.

Zum einen sind die Fälle des Pächterwechsels durch Umwandlung mit denen einer Rechtsnachfolge durch Tod des Pächters hinsichtlich der Frage der Darlegungslast nicht zu vergleichen. Stirbt der bisherige Pächter, so ist es völlig dem Zufall überlassen, ob der oder die Erben willens und in der Lage sind, das gepachtete Land ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Die Erfahrung zeigt, daß dies eher nicht angenommen werden kann (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zu § 594d, BT-Drucks. 10/509, S. 24). Angesichts dessen konnte der Gesetzgeber die Darlegungslast wie geschehen verteilen. Anders ist es beim Pächterwechsel durch Umwandlung eines Rechtsträgers im Sinne des § 3 UmwG. Hier ist es - ähnlich wie bei § 593a Satz 1 BGB - nicht in gleicher Weise dem Zufall überlassen, ob das umgewandelte Unternehmen willens und in der Lage ist, die Pächterpflichten zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung zu erfüllen. So hat auch im Falle des § 593a BGB der Verpächter darzulegen und zu beweisen, daß eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht gewährleistet ist (§ 593a Satz 3 BGB). Soweit der neue Pächter die Pachtgrundstücke entsprechend seiner wirtschaftlichen Ausrichtung oder seines Gesellschaftszwecks anders nutzen will, ist der Verpächter ohnehin durch § 590 BGB geschützt.

Zum anderen obliegt die Darlegungslast hinsichtlich des wichtigen Grundes dem Kündigenden. Lediglich soweit es auf Verschulden ankommt, rechtfertigt sich eine Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf denjenigen, in dessen Verantwortungsbereich die Pflichtverletzung fällt (vgl. , NJW 2000, 2342, 2343). Im übrigen bleibt es aber bei dem Regelfall, daß derjenige, der sich von dem Vertrag lösen will, die Umstände darlegen und beweisen muß, die dieses Begehren rechtfertigen. Diesem Grundsatz widerspräche es, wollte man dem umgewandelten Unternehmen die Pflicht auferlegen, darzulegen und zu beweisen, daß der Pächterwechsel nicht eine konkrete Gefährdung der Rechte des Verpächters zur Folge hat. Ausnahmen hiervon sind dem Gesetzgeber vorbehalten.

d) Konkrete Umstände dafür, daß die Umwandlung der früheren Pächterin in die Beklagte zu einer konkreten Gefährdung der Ansprüche der Kläger geführt hat, in welchem Falle allein eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht gekommen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch die Revision verweist nicht auf entsprechenden Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2002 S. 1598 Nr. 31
TAAAC-01418

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja