BGH Urteil v. - IX ZR 5/00

Leitsatz

[1] Zu den Pflichten eines Anwalts, der von der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein Räumungsurteil abrät.

Gesetze: BGB § 675

Instanzenzug: OLG Celle vom LG Hannover

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch. Das Mandat betraf die Verteidigung gegen ein Räumungsbegehren der A. ... GmbH (fortan: A. ), von der die Klägerin in einer Markthalle Gewerbeflächen zum Betrieb eines Käse- und eines Geflügelstandes gemietet hatte. Nachdem die Räumungsklage wegen des Käsestandes in erster Instanz erfolgreich gewesen war, veranlaßte die Klägerin die Beklagte, bei dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsanwälte mit der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung zu beauftragen. Die Berufung wurde eingelegt und führte zur Klagabweisung. Die Klägerin hatte jedoch zwischenzeitlich die Gewerbeflächen geräumt, das Inventar verkauft und mit der A. Einvernehmen über einen Nachmieter erzielt.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Käsestand nur geräumt und das Inventar verkauft, weil die Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil gedroht und die Beklagte ihr geraten habe, den Stand freiwillig zu räumen, um weitere Vollstreckungskosten zu vermeiden.

Die Klägerin macht im Wege der Zahlungs- und Feststellungsklage bereits entstandenen sowie künftigen Erwerbsschaden geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Zahlungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben.

Mit der Revision begehrt die Klägerin Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beklagte habe ihre anwaltlichen Sorgfaltspflichten verletzt, indem sie es versäumt habe, eine Entscheidung des Landgerichts über einen Vollstreckungsschutzantrag der Klägerin herbeizuführen. Ein solcher wäre erforderlich und erfolgversprechend gewesen. Der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach stehe nicht entgegen, daß die Klägerin den Käsestand bereits vor Durchführung des Berufungsverfahrens geräumt habe; denn hierzu habe ihr die Beklagte geraten. Die Prüfung eines Mitverschuldens der Klägerin hat das Berufungsgericht insgesamt späterer Entscheidung vorbehalten.

II.

Das Berufungsurteil kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht über den Feststellungsantrag durch stattgebendes Teilurteil entschieden und den Grad eines etwaigen Mitverschuldens offengelassen hat. Dies war rechtsfehlerhaft. Ein Feststellungsurteil, das unter dem Vorbehalt eines später zu bestimmenden Mitverschuldens ausgesprochen wird, ist unzulässig (, NJW 1997, 3176, 3177 unter II. 2. b; vgl. auch Urt. v. - VI ZR 272/93, VersR 1995, 706, 707 unter II.1.).

Das Berufungsgericht hätte mithin über den Mitverschuldenseinwand der Beklagten befinden müssen. Hierzu bestand Veranlassung, nachdem das Landgericht die Klage maßgeblich unter diesem Gesichtspunkt abgewiesen und die Klägerin sich im Berufungsverfahren dagegen zur Wehr gesetzt hatte.

III.

1. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.), auch soweit durch Grundurteil über den Zahlungsanspruch entschieden worden ist. Anderenfalls bestünde die Gefahr, daß das - nach Rechtskraft des Grundurteils - mit dem Betragsverfahren betraute Landgericht anders über den Grad des Mitverschuldens entschiede, als das Berufungsgericht im Rahmen des bei ihm anhängigen Feststellungsantrages (vgl. aaO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sie ist nicht zur Endentscheidung reif, weil es an den notwendigen Feststellungen zum Mitverschulden fehlt (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).

2. Das Berufungsgericht wird bei der neuen Verhandlung zu beachten haben, daß als Ausgangspunkt für die anwaltliche Pflichtverletzung der Beklagten in erster Linie die Behauptung der Klägerin in Betracht kommt, die Beklagte habe ihr zur freiwilligen Räumung des Käsestandes geraten, um weitere Kosten zu sparen, weil gegen die Räumung letztlich nichts zu machen sei. Ein solcher Rat hätte gegen die der Beklagten obliegenden Anwaltspflichten verstoßen (vgl. zu den Pflichten eines Anwalts nach Abschluß der Instanz , NJW 2003, 2022, 2023 f). Bis zur Entscheidung der Klägerin über die endgültige Durchführung der Berufung mußte die Beklagte darauf hinwirken, daß keine vollendeten Tatsachen geschaffen wurden. In diesem Rahmen war sie grundsätzlich gehalten, einerseits der möglichen Zwangsvollstreckung aus dem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren landgerichtlichen Räumungsurteil mit geeigneten Rechtsbehelfen entgegenzutreten und andererseits der Klägerin zu verdeutlichen, daß eine Zwangsvollstreckung der A. diese bei erfolgreicher Berufung gemäß § 717 Abs. 2 ZPO zum Schadensersatz verpflichtete.

Fundstelle(n):
VAAAC-00924

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein