BGH Urteil v. - IX ZR 480/00

Leitsatz

[1] Beauftragt der spätere Gemeinschuldner einen Rechtsanwalt mit Sanierungsbemühungen, so ist die Zahlung des Honorars anfechtbar, wenn sie erst fast zwei Monate nach Fälligkeit und nach Zahlungseinstellung erfolgt.

Gesetze: KO § 30 Nr. 1 Fall 2

Instanzenzug: LG Aachen vom

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der P. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Am beauftragte die Gemeinschuldnerin den Beklagten zu 3) (im folgenden: Beklagten), einen Rechtsanwalt, ihr bei der Sanierung behilflich zu sein. Sie sagte ihm hierfür ein Pauschalhonorar in Höhe von 55.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer (insgesamt 63.250 DM) zu, das am fällig sein sollte. Die von dem Beklagten bis zum entfalteten Sanierungsbemühungen scheiterten an diesem Tage. Am zahlte die Gemeinschuldnerin an den Beklagten das vereinbarte Honorar. Am darauffolgenden Tag stellte sie wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Konkursantrag, der zur Eröffnung des Verfahrens führte.

Der Kläger nimmt den Beklagten, gestützt auf die Vorschriften der Konkursanfechtung, auf Rückzahlung des erhaltenen Honorars in Anspruch. Landgericht (durch Teilurteil) und Oberlandesgericht (dessen Urteil ist in ZIP 2001, 251 veröffentlicht und von Undritz in EWiR 2001, 489 besprochen) haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten.

I.

Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:

Für den Anfechtungstatbestand des § 30 Nr. 1 Fall 2 KO fehle es an dem Merkmal der Gläubigerbenachteiligung. Beauftrage der nachmalige Gemeinschuldner einen Dritten mit ernsthaften und nicht von vornherein aussichtslos erscheinenden Sanierungsbemühungen, unterliege die - angemessene - Honorierung des vorleistungspflichtigen Sanierers einer Konkursanfechtung ebensowenig wie im Falle eines Bargeschäfts. Andernfalls würde sich niemand finden lassen, der einen derartigen Auftrag annehme.

Auch eine Anfechtung gemäß § 30 Nr. 2 KO scheide aus. Der Beklagte habe keine inkongruente Deckung erhalten. Die Honorarforderung sei am fällig gewesen. Daß die Zahlung erst am erfolgt und bis dahin nicht eingefordert worden sei, rechtfertige nicht den Schluß, die Gemeinschuldnerin und der Beklagte hätten eine Stundungsvereinbarung getroffen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Mit der in erster Linie geäußerten Ansicht, die Klage müsse schon aufgrund der ebenfalls geltend gemachten sogenannten Absichtsanfechtung gemäß § 31 Nr. 1 KO Erfolg haben, dringt die Revision allerdings nicht durch.

Zu einer Benachteiligungsabsicht der Gemeinschuldnerin hat das Berufungsgericht zwar keine Feststellungen getroffen. Für die Annahme einer derartigen "Absicht" reicht das Vorbringen des Klägers jedoch nicht aus. Insofern ist erforderlich, daß die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg der Rechtshandlung gewollt ist (, WM 1991, 1273, 1275; v. - IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563). Hat der Gemeinschuldner indes dem Anfechtungsgegner nur das gewährt, was dieser nach den getroffenen Vereinbarungen zu beanspruchen hatte, so sind erhöhte Anforderungen an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht zu stellen. Im Fall der kongruenten Deckung erschöpft sich der Wille des Gemeinschuldners in der Regel darin, seiner Verbindlichkeit gerecht zu werden. Das Bewußtsein, infolge der Erfüllung dieser Verpflichtung nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, genügt deshalb regelmäßig nicht, um die Annahme einer Benachteiligungsabsicht zu rechtfertigen (, aaO). Anders ist dies zwar dann, wenn es dem Gemeinschuldner weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als auf die Schädigung der übrigen Gläubiger ankommt. Daß es sich im vorliegenden Fall bei der Gemeinschuldnerin so verhielt, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Ein Beweisanzeichen für eine Benachteiligungsabsicht wäre die Gewährung einer inkongruenten Deckung (, ZIP 1993, 276, 279). Eine solche hat das Berufungsgericht aber zu Recht ausgeschlossen, und dagegen wendet sich die Revision nicht.

2. Die Klage ist jedoch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 30 Nr. 1 Fall 2 KO begründet.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist eine objektive Gläubigerbenachteiligung gegeben.

aa) Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung, die für eine Anfechtung gemäß § 30 Nr. 1 Fall 2 KO genügt (BGHZ 123, 320, 323), liegt vor, weil die Masse um das Honorar verkürzt ist (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 116; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 163 a.E.).

bb) Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, daß die Zahlung eines der Höhe nach angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen selbst dann, wenn diese letztlich gescheitert sind, entsprechend den Grundsätzen über das Bargeschäft einer Deckungsanfechtung entzogen sein kann (vgl. RGZ 162, 292, 296; BGHZ 28, 344, 347 f; 77, 250, 252 f; , ZIP 1988, 324, 326; OLG Hamm NJW 1998, 1871). Insbesondere ist dem Erfordernis eines unmittelbaren Leistungsaustauschs, mit dem das Bargeschäft zum - grundsätzlich als gläubigerschädigend angesehenen - Kreditgeschäft abgegrenzt werden soll (Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 142 Rn. 5; HK-Kreft, InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 6), unter Umständen auch dann noch gedient, wenn der Anfechtungsgegner - wie hier - als Geschäftsbesorger gemäß § 675 i.V.m. § 614 BGB vorleistungspflichtig war und die Zahlung unmittelbar nach Abschluß der Geschäftsbesorgung oder, falls die Fälligkeit vertraglich festgelegt war, zu dem festgelegten Zeitpunkt erfolgt (Jaeger/Henckel, § 30 KO Rn. 116; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rn. 19). Ob eine Vereinbarung, derzufolge die Vergütung erst ein dreiviertel Jahr nach Beginn der Tätigkeit fällig wird, noch als verkehrsüblich angesehen werden kann, kann dahinstehen.

Denn im vorliegenden Fall ist der unmittelbare zeitliche Zusammenhang bereits deshalb nicht mehr gegeben, weil die Zahlung, obwohl sie am fällig war, erst am erfolgt ist. Das Berufungsgericht hat diesen Umstand lediglich daraufhin überprüft, ob er auf eine stillschweigend vereinbarte Stundung schließen läßt, was eine inkongruente Deckung hätte bedeuten können. Daß das Nichtzahlen einer fälligen Forderung - auch ohne Stundung - sich sogar im Rahmen einer kongruenten Deckung gläubigerschädlich auswirken kann, hat es nicht bedacht. Auf die Frage, ob der Beklagte nach dem die ausstehende Zahlung angemahnt hat, kommt es nicht an. In jedem Fall ist der Zusammenhang zwischen den durch den Geschäftsbesorgungsvertrag begründeten Leistungspflichten in einer Weise gelockert, welche die schließlich erfolgte Zahlung nicht mehr als "unmittelbare Gegenleistung" im Sinne eines Bargeschäfts erscheinen läßt (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rn. 15).

Daß die Sanierungsbemühungen des Beklagten am noch nicht abgeschlossen waren, rechtfertigt - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nicht die Annahme, die Gemeinschuldnerin und der Beklagte hätten die Fälligkeit des Honoraranspruchs nachträglich bis zum Abschluß dieser Bemühungen hinausgeschoben. Zwar mögen die Gemeinschuldnerin und der Beklagte bei Auftragserteilung am davon ausgegangen sein, die Sanierungsbemühungen würden bis zum abgeschlossen sein, und dementsprechend die Fälligkeit des Honorars auf diesen Tag festgelegt haben. Der Beklagte hat jedoch in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet, daß man wegen der fortdauernden Sanierungsbemühungen die Fälligkeit des Honorars hinausgeschoben habe. Er hat vielmehr vorgetragen, er habe die Gemeinschuldnerin im August 1997 mehrfach telefonisch an die ausstehende Honorarzahlung erinnert.

b) Im Zeitpunkt der Befriedigung des Beklagten hatte die Gemeinschuldnerin die Zahlungen eingestellt; das war dem Beklagten bekannt.

Das Berufungsgericht hat dazu keine abschließenden Feststellungen getroffen und von seinem Standpunkt aus brauchte es dies auch nicht. Es hat gleichwohl bemerkt, die Zahlungseinstellung und die Kenntnis des Beklagten hiervon seien "kaum zweifelhaft". Dagegen hat die Revisionserwiderung nichts erinnert.

Die Zahlungseinstellung und die Kenntnis des Beklagten kann der Senat selbst feststellen, weil insofern nichts mehr aufzuklären ist. Zwar hat der Beklagte in der Berufungsinstanz geltend gemacht, die Zahlungseinstellung sei erst am eingetreten, und bekannt geworden sei sie ihm noch später. Die Gemeinschuldnerin habe die Überweisung des Honorars bereits am in Auftrag gegeben, auf diesen Zeitpunkt sei abzustellen. Damit dringt der Beklagte jedoch nicht durch. Für die Anfechtbarkeit einer bargeldlosen Überweisung kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der girovertragliche Anspruch des Empfängers auf die Gutschrift entsteht (, z.V.b.; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 140 Rn. 9). Das ist der Fall, wenn die Deckung bei der Bank des Empfängers eingegangen ist (Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 49 Rn. 41). Legt man den Vortrag des Beklagten zugrunde, wonach die Gutschrift am erfolgt ist, kann der "", für den das Berufungsgericht die erfolgte Zahlung festgestellt hat, nur den Zeitpunkt bezeichnen, in dem der Anspruch auf die Gutschrift entstanden ist. Da stand aber bereits fest, daß die Sanierung gescheitert war. Spätestens jetzt war die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig. Der Beklagte wußte als erster davon. Schon am stellte die Gemeinschuldnerin (auch) wegen Zahlungsunfähigkeit Konkursantrag. Dafür, daß die Zahlungsunfähigkeit in den Stunden zwischen dem Eingang der Deckung bei seiner Bank und dem Gang der Gemeinschuldnerin zum Konkursgericht eingetreten ist, ist nichts ersichtlich.

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb mitsamt dem erstinstanzlichen Teilurteil aufzuheben (§§ 564 Abs. 1, 536 ZPO a.F.), und der Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BB 2002 S. 1774 Nr. 35
DB 2003 S. 501 Nr. 9
HAAAC-00907

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja