Leitsatz
[1] Die Befriedigung einer fremden Schuld ist dem Gläubiger gegenüber nicht gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechtbar.
Gesetze: KO § 30 Nr. 2
Instanzenzug: OLG Celle vom LG Verden (Aller)
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der B. GmbH (Gemeinschuldnerin). Der Beklagte war Eigentümer des Betriebsgrundstücks der Gemeinschuldnerin. Er verpachtete das Grundstück am an die Straßen- und Tiefbaugesellschaft Gebr. H. GmbH & Co. (im folgenden: Fa. H. ). Diese vermietete das Betriebsgrundstück an die Gemeinschuldnerin. P. F. , Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. H. , war auch Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Die Fa. H. geriet mit ihren Pachtzahlungen gegenüber dem Beklagten mit mehr als 150.000 DM in Verzug. Der Beklagte erwirkte gegen sie einen entsprechenden Zahlungstitel.
Nachdem die Gemeinschuldnerin im Jahre 1997 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, veräußerte sie das Geschäftsinventar. Der Käufer erwarb vom Beklagten auch das Betriebsgrundstück. Nachdem der Käufer den Kaufpreis für das Inventar geleistet hatte, überwies die Gemeinschuldnerin am 11. Juni und jeweils 75.000 DM an den Beklagten zur Ablösung von Pachtforderungen.
Am wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Der Kläger hat deren Zahlungen an den Beklagten gemäß § 32 Nr. 1, § 31 Nr. 1 und § 30 Nr. 2 KO angefochten. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 150.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungstatbestände des § 30 Nr. 1 und des § 31 Nr. 1 KO jeweils aus tatsächlichen Gründen verneint. Dies greift die Revision nicht an.
Die Anfechtung gemäß § 32 Nr. 1 KO hat das Berufungsgericht abgelehnt, weil keine unentgeltliche Verfügung vorgelegen habe. Das nimmt die Revision hin und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte hat durch die Zahlungen seine Forderungen gegen die Fa. H. als Hauptpächterin verloren (vgl. § 267 BGB). Das Berufungsgericht stellt unangefochten fest, daß diese Forderung werthaltig war. Darin liegt die Gegenleistung des Beklagten (vgl. BGHZ 41, 298, 301 ff; 141, 96, 99).
2. Die Anfechtung gemäß § 30 Nr. 2 KO hat das Berufungsurteil mit der Begründung abgelehnt, der Beklagte sei nicht Konkursgläubiger im Sinne dieser Bestimmung. Die Gemeinschuldnerin habe mit der Zahlung der zwei Raten von jeweils 75.000 DM auf eine Schuld der Fa. H. gezahlt. Es könne nicht festgestellt werden, daß auch eine entsprechende Verpflichtung der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Beklagten bestanden habe. Dessen Behauptung, die Fa. H. und die Gemeinschuldnerin hätten bereits 1994 einen Beitritt der Gemeinschuldnerin zur Schuld der Fa. H. vereinbart, habe der Kläger bestritten und sich auch hilfsweise nicht zu eigen gemacht. Auch könne nicht festgestellt werden, daß zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten eine Vereinbarung über die Zahlung der zwei Raten von je 75.000 DM zustande gekommen sei. Somit sei davon auszugehen, daß die Gemeinschuldnerin auf eine fremde Schuld gezahlt habe.
Die Tilgung einer fremden Schuld, für die der Gemeinschuldner nicht einzustehen habe, könne aber nicht nach § 30 Nr. 2 KO angefochten werden, weil es sich nicht um eine Konkursforderung handele.
Die weiteren Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 30 Nr. 2 KO hat das Berufungsgericht dahingestellt sein lassen.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 30 Nr. 2 KO halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Revision greift die Feststellung des Berufungsgerichts nicht an, die Gemeinschuldnerin sei gegenüber dem Beklagten zur Zahlung von 150.000 DM nicht verpflichtet gewesen. Soweit die Revisionserwiderung meint, es fehle bereits an einer Rechtshandlung der (späteren) Gemeinschuldnerin gegenüber dem Beklagten, weil Leistungen der Gemeinschuldnerin nur gegenüber der Fa. H. erbracht worden seien, trifft dies nur bereicherungsrechtlich zu. Der Begriff der Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsrechts, hier des § 30 Nr. 2 KO, ist aber nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der Leistung. Der anfechtungsrechtliche Begriff der Rechtshandlung ist im weitesten Sinne zu verstehen. Er meint jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst (vgl. , ZIP 1983, 334, 335) und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (Henckel, Kölner Schrift zur InsO 2. Aufl. S. 820 Rn. 19). Dazu zählen neben Willenserklärungen auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen (, WM 1975, 1182, 1184). Daß hier in den Überweisungen der späteren Gemeinschuldnerin solche Rechtshandlungen lagen, kann danach nicht zweifelhaft sein.
2. Die Revision stützt sich auf die Meinung, die Befriedigung einer fremden Schuld könne nicht deshalb unanfechtbar sein, weil sich die Forderung des Gläubigers gegen einen anderen als den Gemeinschuldner richte, ihr Inhaber also streng genommen nicht zu den Konkursgläubigern gehöre. Eine andere Auffassung laufe dem Zweck des § 30 KO zuwider, vorkonkursliche Schmälerungen der Masse auszugleichen (Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 30 Rn. 40). Dieser Meinung ist nicht zu folgen.
Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom - VIII ZR 40/79, WM 1980, 779, 780, ausdrücklich offengelassen, ob die Tilgung fremder Verbindlichkeiten durch die Gemeinschuldnerin nach § 30 Nr. 2 KO anfechtbar sein kann. Die Frage ist nunmehr zu verneinen, soweit sich die Anfechtung gegen den Gläubiger richtet.
Der Begriff Konkursgläubiger ist in § 3 KO gesetzlich umschrieben als persönlicher Gläubiger, der einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner hat. Für eine ausdehnende Auslegung oder entsprechende Anwendung besteht keine Veranlassung.
a) Zunächst ergibt sich nichts daraus, daß § 30 Nr. 2 KO auch eine Anfechtung für den Fall vorsieht, daß der Gläubiger eine Befriedigung nicht zu beanspruchen hatte. Gemeint sind hier die Fälle unvollkommener Verbindlichkeiten (z.B. Spiel oder Wette; §§ 762 f BGB), verjährter Forderungen, heilender Erfüllung formungültiger Verträge (z.B. § 313 Satz 2 BGB a.F. - jetzt § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB; § 766 Satz 3 BGB) oder aufschiebend bedingter Forderungen (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 204; vgl. auch MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 131 Rn. 14 f).
b) Zweck des § 30 KO ist es, eine vorkonkursliche Schmälerung der Masse auszugleichen, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu ermöglichen. Wird auf eine fremde Schuld an einen Dritten geleistet, der nicht Gläubiger des Gemeinschuldners ist, tritt gemäß § 267 BGB Erfüllung ein, wenn der Gläubiger die Leistung nicht ablehnt; dies darf er nur, wenn der Schuldner widerspricht, § 267 Abs. 2 BGB. Mit der Erfüllung erlischt die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner (Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 267 Rn. 6). In der Leistung liegt eine Zuwendung gegenüber dem Dritten, die unter den erleichterten Voraussetzungen des § 32 KO anfechtbar ist, wenn dessen Forderung gegen den Schuldner nicht werthaltig war.
War der Gemeinschuldner dem Schuldner nicht zu dieser Leistung verpflichtet, kann er gemäß § 32 KO gegenüber dem Schuldner anfechten (BGHZ 41, 298, 302) oder gegen diesen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen (BGHZ 70, 389, 396 f; Palandt/Heinrichs aaO § 267 Rn. 7).
Leistet der Gemeinschuldner aufgrund eines Anspruchs oder einer Weisung des Schuldners, stellt sich dies im Verhältnis der Beteiligten als eine Leistung des Gemeinschuldners an den Schuldner dar, der hierdurch von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit wird.
Es liegen in diesen Fällen zwei Leistungsverhältnisse vor, nämlich zwischen Gemeinschuldner und Schuldner einerseits und zwischen Schuldner und Gläubiger andererseits. Wie im Bereicherungsrecht kommt auch im Konkursrecht bei derartigen Fallkonstellationen eine Anfechtung grundsätzlich nur im jeweiligen Leistungsverhältnis in Betracht. Dies ist angemessen, weil hierdurch die Risiken den Leistungsverhältnissen zugeordnet werden, auf die die Parteien Einfluß haben. Besteht zwischen Gemeinschuldner und Gläubiger keine Rechtsbeziehung, ist es im Rahmen des § 30 Nr. 2 KO nicht gerechtfertigt, daß der Gläubiger das Insolvenzrisiko des Gemeinschuldners tragen und den geleisteten Betrag zurückerstatten muß. Der Gemeinschuldner kann vielmehr seine Leistung an den Schuldner anfechten, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Nur in diesem Verhältnis läßt sich auch beurteilen, ob etwa eine kongruente oder inkongruente Deckung vorliegt.
Wird der Schuldner seinerseits zahlungsunfähig, verwirklicht sich auch dieses Risiko in dem jeweiligen Leistungsverhältnis. Leistet der Gemeinschuldner aufgrund seiner von ihm mitgestalteten Rechtsbeziehung zu dem Schuldner, ist es angemessen, daß er dessen Insolvenzrisiko trägt. Der Gemeinschuldner hätte es auch zu tragen, wenn er unmittelbar an den Schuldner selbst gezahlt hätte. Im Verhältnis des Schuldners zum Gläubiger hat ebenfalls jede Seite das Insolvenzrisiko der anderen zu tragen. Würde man im Konkurs des Gemeinschuldners eine Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger zulassen, träfe diesen ein doppeltes Insolvenzrisiko, nämlich das von Gemeinschuldner und Schuldner. Dies wäre in aller Regel nicht sachgerecht.
Der Anspruch des § 37 KO geht dahin, daß ein Gegenstand, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung zur Konkursmasse gehören würde, ihr zum Zwecke der Verwertung wieder zugeführt wird. Der Gemeinschuldner hat durch seine Zahlung an den Beklagten eine mittelbare Zuwendung an dessen Schuldner erbracht. Anfechtungsrechtlich sind solche Zuwendungen im allgemeinen so zu behandeln, als habe der Berechtigte die mittelbare Zuwendung vom Gemeinschuldner erworben (vgl. BGHZ 142, 284, 288; Urt. v. - IX ZR 22/97, WM 1998, 968, 975). Mit der Erfüllung der Schuld der Fa. H. durch die Zahlung an den Beklagten hat allein die Fa. H. einen wirtschaftlichen Wert aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin erlangt.
3. Die Erfüllung einer fremden Schuld soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch ein nach § 30 Nr. 1 Fall 1 KO anfechtbares Rechtsgeschäft sein (Jaeger/Henckel, aaO § 30 Rn. 103 a.E., Rn. 148 Mitte; MünchKomm-InsO/Kirchhof § 132 Rn. 5, § 130 Rn. 19).
Die Anfechtung nach dieser Vorschrift hat das Berufungsgericht auch deshalb verneint, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, daß der Beklagte eine Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin gekannt habe. Ob die Anfechtung nach dieser Vorschrift gegenüber dem Beklagten möglich gewesen wäre, kann hier deshalb offenbleiben. Die Frage wäre im übrigen, sofern überhaupt das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts im Sinne dieser Bestimmung anzunehmen wäre, wie bei § 30 Nr. 2 KO aufgrund umfassender Interessenabwägung zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAC-00902
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja