BGH Beschluss v. - IX ZB 301/03

Leitsatz

[1] a) Die Vergütung des Insolvenzverwalters, dessen Amt vorzeitig geendet hat, ist regelmäßig in der Weise zu berechnen, daß der Regelsatz nach § 2 InsVV gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c InsVV reduziert wird.

b) Sonstige Umstände, welche die Tätigkeit dieses Insolvenzverwalters erleichtert oder erschwert haben, verringern oder erhöhen unmittelbar gemäß § 3 InsVV den für den Insolvenzverwalter maßgeblichen Bruchteil der Vergütung.

Gesetze: InsVV § 2; InsVV § 3

Instanzenzug: LG Neuruppin vom AG Neuruppin vom

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde mit Beschluß des Insolvenzgerichts vom zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. mbH bestellt. In der Gläubigerversammlung am wurde er abgewählt und ein neuer Verwalter bestellt.

Mit Schriftsatz vom hat er die Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter auf 214.731,76 DM beantragt. Das Insolvenzgericht hat durch Beschluß vom die Vergütung auf 137.478,24 DM festgesetzt und den weitergehenden Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Auf die sofortige weitere Beschwerde hat das die vorangegangenen Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Insolvenzgericht zurückverwiesen. Dabei hat es ausgeführt, daß als Teilungsmasse ein Wert von 2.228.103,65 DM als Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Antragstellers zugrunde zu legen ist.

Das Insolvenzgericht hat mit Beschluß vom die Vergütung neu berechnet und wegen des Verschlechterungsverbots erneut auf 137.478,24 DM festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat sie das Landgericht auf 144.508,19 DM erhöht. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Feststellungsantrag in vollem Umfang weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Wie die Vergütung des Insolvenzverwalters zu ermitteln ist, der vorzeitig aus dem Amt scheidet und bei dem gemäß § 3 InsVV Erhöhungs- wie Reduzierungstatbestände zu berücksichtigen sind, war bisher noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung an das Insolvenzgericht, soweit das Beschwerdegericht und das Insolvenzgericht den Vergütungsantrag abgewiesen haben.

1. Das Beschwerdegericht ist bei der Festsetzung der Vergütung gemäß der insoweit bindenden Entscheidung des von einer Insolvenzmasse von 2.228.103,65 DM ausgegangen und hat hieraus eine Regelvergütung (netto) gemäß § 2 Abs. 1 InsVV von 100.062,07 DM errechnet. Auf diese Vergütung hat es wie das Insolvenzgericht Zuschläge gemäß § 3 Abs. 1 InsVV in Höhe von insgesamt 145 % für angemessen erachtet, nämlich für

Behandlung von Aus- und Absonderungsrechten 50 %

Gläubigerzahl bis 200 10 %

Übertragung von Zustellungen 25 %

Behandlung schwerwiegender Eigentumsfragen 10 %

besondere Schwierigkeiten des Verfahrens 50 %.

Auf den sich hieraus insgesamt ergebenden Prozentsatz von 245 % der Regelvergütung hat es wegen der vorzeitigen Beendigung des Amts des Verwalters einen Abschlag gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c InsVV in Höhe von 50 % vorgenommen und insgesamt 122,5 % der Regelvergütung als Vergütung festgesetzt, zuzüglich Auslagen von 2.000 DM und Umsatzsteuer, insgesamt 144.508,19 DM.

2. Diese Art der Berechnung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen (§ 63 Abs. 1 Satz 3 InsO). § 3 InsVV konkretisiert beispielhaft die gesetzlichen Vorgaben, sieht aber von bindenden Vorgaben für die Bemessung von Zu- und Abschlägen ab, weil für die Festsetzung der Vergütung die umfassende Berücksichtigung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Faktoren im Vordergrund stehen soll.

b) Nach § 3 Abs. 1 und 2 InsVV sind Zu- und Abschläge jeweils auf den Regelsatz zu beziehen (vgl. Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht § 3 InsVV Rn. 37; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 3 Rn. 74; Eickmann, Vergütungsrecht 2. Aufl. § 3 InsVV Rn. 34; MünchKomm-InsO/Novak, § 3 InsVV Rn. 24).

(1) Die Regelvergütung nach § 2 InsVV ist bei einem Verwalter, dessen Amt vorzeitig geendet hat, regelmäßig gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c zu reduzieren. Dies hat das Beschwerdegericht zutreffend gesehen. Bei mehreren hintereinander bestellten Verwaltern sollte die Vergütung des vorzeitig ausscheidenden Verwalters - von notwendiger Doppelarbeit und doppelten Aufwendungen abgesehen - dem Prozentsatz entsprechen, der sich aus dem Verhältnis der von ihm geleisteten Arbeit und der voraussichtlich noch zu leistenden Arbeit ergibt. Maßgeblich zur Bestimmung des Abschlages sind dabei insbesondere Dauer und Umfang seiner Tätigkeit sowie alle Umstände des Einzelfalls. Der Abschlag, der hiernach vorzunehmen ist, ist um so höher, je weniger von der vom Insolvenzverwalter geschuldeten Leistung bereits erbracht ist.

(2) Ausgehend von dem sonach bestimmten angemessenen Anteil der Regelvergütung für den vorzeitig ausgeschiedenen Insolvenzverwalter ist die Vergütung weiter so zu berechnen, daß besondere Umstände, welche die Tätigkeit erleichtern oder erschweren, unmittelbar gemäß § 3 InsVV den Bruchteil der Regelvergütung erhöhen oder vermindern. Würden Erschwernisse und Erleichterungen zunächst in eine fiktive Vergütung eines nicht vorzeitig abgerufenen Insolvenzverwalters einberechnet und davon insgesamt ein Prozentsatz wegen vorzeitiger Beendigung der Verwaltung gebildet, wie die Vordergerichte verfahren sind, könnte der Insolvenzverwalter unangemessen benachteiligt oder bevorzugt werden. So können Arbeiten, die vom Insolvenzverwalter zu leisten sind, von dem vorzeitig ausgeschiedenen Insolvenzverwalter bereits vollständig erledigt, noch gar nicht in Angriff genommen oder in mehr oder weniger umfangreichem Maße bearbeitet worden sein. Dem kann mit einer pauschalen Quote nicht angemessen Rechnung getragen werden. Zudem wäre es unzweckmäßig, zu kompliziert und zu wenig transparent, wenn zunächst die Vergütung eines nicht vorzeitig abberufenen Insolvenzverwalters fiktiv zu bestimmen wäre.

Zu- und Abschläge sind vielmehr in der Weise zu berechnen, daß besondere Umstände, welche die Tätigkeit erleichtern oder erschweren, unmittelbar den maßgeblichen Bruchteil der Regelvergütung verringern oder erhöhen. Dabei kann es nicht auf Tätigkeiten ankommen, die erst nach der Abberufung erledigt worden sind (vgl. für den vorläufigen Insolvenzverwalter , WM 2004, 585; v. - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1557). Die Schwierigkeiten und die Bedeutung der zeitlich befristeten Insolvenzverwaltung sind aus sich heraus zu bewerten. Dies hat dadurch zu geschehen, daß der für die Vergütung des Insolvenzverwalters maßgebliche Prozentsatz entsprechend den Verhältnissen des konkreten Einzelfalles verändert wird.

Zu prüfen ist deshalb, welcher Zuschlag für die konkrete Tätigkeit des vorzeitig abgelösten Insolvenzverwalters unmittelbar angemessen ist. Entspricht die zuschlagspflichtige Tätigkeit dieses Insolvenzverwalters in vollem Umfang der Tätigkeit eines nicht vorzeitig abberufenen Insolvenzverwalters, ist der Zuschlag wie bei diesem zu bemessen. Andernfalls sind entsprechend niedrigere Prozentzuschläge anzusetzen (vgl. für den vorläufigen Insolvenzverwalter aaO; v. aaO; v. - IX ZB 52/04, z.V.b.).

Maßgebend sind dabei stets die Umstände des Einzelfalls. Mit einer individuell angemessenen Festsetzung der Vergütung wird auch der Gefahr begegnet, daß das Schuldnervermögen aufgrund pauschal zu hoch angesetzter Vergütungen zu sehr erschöpft wird (vgl. BGHZ 146, 165, 176; Beschl. v. - IX ZB 453/02, WM 2003, 1869, 1870; v. - IX ZB 589/02 aaO).

3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Vordergerichte bei der erforderlichen Art der Berechnung zu anderen Ergebnissen gelangt wären, ist die Sache aufzuheben und zurückzuverweisen. Welcher Bruchteil der Insolvenzverwaltervergütung unter Berücksichtigung insbesondere von Art, Dauer und Tätigkeit des vorzeitig abgelösten Insolvenzverwalters festzusetzen ist, ist vorwiegend eine Frage der tatrichterlichen Würdigung des Leistungsbildes im Einzelfall (, ZIP 2002, 1459, 1460; v. - IX ZB 589/02 aaO S. 423).

Da gegen den nur der Antragsteller Rechtsbeschwerde eingelegt hat, ist die angegriffene Entscheidung, soweit sie zugunsten des Antragstellers erging, wegen des Verschlechterungsverbots aufrechtzuerhalten (, ZIP 2004, 1214).

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 576 Nr. 11
MAAAB-99888

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein