Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 91; ZPO § 91a; ZPO § 93d; ZPO § 97; ZPO § 254; ZPO § 269 Abs. 3; ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1; ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2; ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3; ZPO § 344; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; ZPO § 574 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und die weiteren vier Gesellschafter gewährten der C. G. Verwaltungsgesellschaft mbH im Jahre 1995 Darlehen über jeweils 130.000 DM (66.467,94 €). Durch gerichtlichen Vergleich vom übertrug der Kläger seinen Geschäftsanteil zu gleichen Teilen auf die übrigen Gesellschafter. Diese beschlossen die am in das Handelsregister eingetragene Auflösung der GmbH. Zuvor - am - waren die von der GmbH an der Beklagten, der G. GmbH & Co. KG, gehaltenen Anteile auf die Gesellschafter der GmbH und ein Versicherungsunternehmen übertragen worden. Mit Schreiben vom 16. Juli und mahnte der Kläger bei der GmbH ausstehende Ratenzahlungen an. Die Beklagte antwortete ihm am "als Rechtsnachfolgerin der C. G. Verwaltungsgesellschaft mbH", setzte ihn von der Liquidation der GmbH in Kenntnis und kündigte eine Prüfung der Ansprüche des Klägers durch ihren Wirtschaftsprüfer an. Am stellte der Kläger das gesamte Darlehen gegenüber der Beklagten in Höhe von 31.941,27 € fällig. Diese überwies ihm den aus ihrer Sicht allein noch offen stehenden Betrag von 240,02 €. In dem vom Kläger über den Restbetrag angestrengten Rechtsstreit berief sie sich auf ihre fehlende Passivlegitimation. Der Kläger hat seine auf Zahlung von 31.701,25 € gerichtete Klage gegen die Beklagte zurückgenommen und im Wege des Parteiwechsels gegen die beiden Liquidatoren der GmbH erhoben. Das Landgericht hat ihm mit Beschluß vom in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO die außergerichtlichen Kosten der (bisherigen) Beklagten auferlegt. Seine sofortige Beschwerde ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft; an ihre Zulassung ist der Senat gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gebunden. Sie ist auch im übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO bestimme, daß eine Klagrücknahme nur dann nicht zur Kostentragungspflicht des Klägers führe, wenn die Kosten der beklagten Partei "aus einem anderen Grunde aufzuerlegen" seien. Der Gesetzgeber habe damit die von der Rechtsprechung bis dahin anerkannten Ausnahmefälle - etwa bei einer außergerichtlichen Kostenregelung im Zuge eines Vergleichs - erfassen wollen, nicht aber einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, wie ihn der Kläger für sich geltend mache. Die Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO seien nicht erfüllt, weil die vom Kläger erhobene Klage von Anfang an gegenüber der Beklagten nicht begründet gewesen sei. Auch wenn die Beklagte möglicherweise zum Kläger in einem vertragsähnlichen Verhältnis (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB) stehe und ihm mit ihren unzutreffenden Auskünften über die Rechtsnachfolge Anlaß zur Klagerhebung gegeben habe, müsse es bei der grundsätzlichen Kostentragungspflicht des Klägers verbleiben. Denn das Verfahren nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO sei - auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 93d ZPO - nicht geeignet, die sich bei Prüfung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs des Klägers ergebenden Fragen zu klären.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß der Kläger nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO verpflichtet ist, die außergerichtlichen Kosten der durch Klagrücknahme aus dem Rechtsstreit ausgeschiedenen Beklagten zu tragen. Die Regelung ist eine Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrundeliegenden Prinzips, daß die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger seine Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen ( - GRUR 1995, 169 unter II 2; Beschlüsse vom - VII ZB 23/03 - bei juris abrufbar unter III 3 b; vom - II ZB 38/02 - BGH-Report 2004, 274 unter II 1 a). Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt, ist ohne Bedeutung. Letzteres betrifft allein den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber die davon zu unterscheidende prozessuale Kostenlast (BGHZ 45, 251, 256 f.). Das stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.
b) Entgegen ihrer Auffassung sind die Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO nicht erfüllt, weil sich eine Kostenlast der Beklagten nicht "aus einem anderen Grund" im Sinne dieser Vorschrift ergibt. Anlaß für die Ausnahmeregelung war die Neufassung des § 93d ZPO durch das Kindesunterhaltsgesetz vom (BGBl. I S. 666). Danach können die Kosten des Rechtsstreits abweichend von § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO der beklagten Partei auferlegt werden, wenn sie zu einem Unterhaltsprozeß Anlaß gegeben hat, indem sie ihre Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt hat. Damit verbunden war eine Ergänzung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO dahingehend, daß von der Kostentragungspflicht des Klägers im Falle der Klagrücknahme die Kosten ausgenommen waren, die "dem Beklagten aufzuerlegen" waren. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kindesunterhaltsgesetz war damit allein der Fall des § 93d ZPO gemeint (BT-Drucks. 13/7338, S. 33). Eine sachliche Änderung der Kostenvorschrift über diesen Bereich hinaus war nicht beabsichtigt. Der Vorschrift des § 93d ZPO liegt der Gedanke zugrunde, daß gesetzliche Unterhaltsansprüche im Interesse aller Beteiligten bereits außergerichtlich geklärt werden sollen. Das ist nur möglich, wenn der Verpflichtete bereit- und freiwillig umfassend Auskunft erteilt, so daß der Berechtigte nicht den umständlichen und zeitraubenden Weg einer Stufenklage nach § 254 ZPO zu gehen braucht. Verstöße gegen die Auskunftspflicht normiert § 93d ZPO mit einer "Kostenstrafe" (BT-Drucks. 13/7338 aaO; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 93d Rdn. 1). Das ist nicht auf andere Ansprüche übertragbar (a.A. Musielak/Foerste, ZPO 4. Aufl. § 269 Rdn. 13).
Auch das ZPO-Reformgesetz vom (BGBl. I S. 1887) hat diese Rechtslage nicht berührt. Vielmehr ist § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur redaktionell angepaßt worden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz sollte klargestellt werden, daß dem Kläger die Kosten nicht auferlegt werden können, wenn einer der schon bisher von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliegt (BT-Drucks. 14/4722 S. 80 unter Bezugnahme auf Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. § 269 Rdn. 15 und Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 269 Rdn. 18a; aaO unter II 1 b). Dazu gehören insbesondere eine Kostentragungspflicht der beklagten Partei gemäß § 344 ZPO (vgl. - BB 2004, 1470 unter 2 a) und eine von § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO abweichende Regelung der prozessualen Kostenlast in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich (vgl. - FamRZ 2004, 1552 unter 1).
c) Der Rechtsbeschwerde ist zuzugeben, daß die beabsichtigte Beschränkung des Anwendungsbereiches von § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO auf § 93d ZPO oder die von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle im Gesetzeswortlaut unmittelbar nicht zum Ausdruck kommt. Es genügt nach der im Gesetz gewählten Formulierung, daß dem Beklagten die Kosten überhaupt "aus einem anderen Grund" aufzuerlegen sind. Das schließt in den beiden Gesetzesbegründungen nicht erwähnte Abweichungen von der Kostenregel des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO nicht grundsätzlich aus. Jedoch muß es sich dabei um Bestimmungen handeln, die aus einem (anderen) prozessualen Grund zu einer Kostentragungspflicht der beklagten Partei führen. Materiell-rechtlich begründete Kostenerstattungsansprüche werden davon nicht erfaßt. Der Kläger erstrebt indes eine Kostengrundentscheidung, die sich aus solchen materiell-rechtlichen Erwägungen ergibt. Darauf ist die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ersichtlich nicht zugeschnitten. Sie dient allein dazu, prozessualen Besonderheiten Rechnung zu tragen und insoweit Ausnahmen von dem in § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO normierten Veranlassungsprinzip zuzulassen, ohne daß dadurch die Prüfung materiell-rechtlicher Fragen zum Gegenstand der prozessualen Kostenentscheidung gemacht werden könnte.
d) Schließlich scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO aus. Eine vergleichbare Fallgestaltung ist nicht gegeben; ebensowenig wird eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigte Regelungslücke erkennbar. Die Vorschrift bestimmt, daß die Kosten des Rechtsstreits wie bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung zu verteilen sind, wenn der Anlaß zur Klagerhebung vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und der Kläger die Klage daraufhin zurücknimmt. Nach bisheriger Rechtslage hatte der Kläger in diesen Fällen keine Möglichkeit, in dem laufenden Verfahren eine für ihn nachteilige Kostenentscheidung zu vermeiden, selbst wenn der Beklagte Anlaß zur Erhebung der Klage gegeben hatte. Ihm war auch der Weg über eine Erledigungserklärung mit dem Ziel einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO verschlossen, weil diese Möglichkeit eine Erledigung des Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit voraussetzt. Deshalb hat das ZPO-Reformgesetz eine Abweichung von dem Grundsatz des § 269 Abs. 3 Satz 2 eingeführt (BGH, Beschlüsse vom aaO unter II 2; vom - VIII ZB 72/03 - BGH-Report 2004, 562 unter II 1 und 2 a; vom - VII ZB 55/02 - ZfBR 2004, 373 unter III 1). Aus Gründen der Prozeßökonomie ist ausnahmsweise ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch bereits für die Kostenentscheidung des laufenden Rechtsstreits zu berücksichtigen; ein neues Verfahren wird dafür nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO hat nach billigem Ermessen zu ergehen. Sie fordert unter Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes eine sachliche Prüfung nicht nur der geltend gemachten Forderung, sondern auch des behaupteten erledigenden Ereignisses und gegebenenfalls eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs (BT-Drucks. 14/4722 S. 81 zu § 91a ZPO; - ZVI 2004, 730 unter II 1 b bb). Mit diesen Fragen soll die prozessuale Kostenentscheidung - von dem im Gesetz geregelten Ausnahmefall abgesehen - sonst nicht belastet werden. Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist daher einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich.
Der Kläger war überdies nicht vor die - von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO allein erfaßte - Situation gestellt, bei Wegfall des Anlasses für die Einreichung einer (begründeten) Klage bereits kostenauslösende Maßnahmen getroffen zu haben. Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO hat nicht zum Zweck, den Kläger von der Prüfung der materiellen Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage zu entlasten. Das muß er aus eigenem Risiko beurteilen, auch wenn die gegnerische Partei ihm gegenüber vorgerichtlich als passivlegitimiert aufgetreten ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 1662 Nr. 23
NAAAB-98962
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein