Leitsatz
[1] Die Verkehrssicherungspflicht für Wasserstraßen gebietet in der Regel auch eine optische Kennzeichnung verbleibender Hindernisse, wenn Merkmale, an denen sich die Schiffahrt orientieren konnte, im Zuge von Bauarbeiten entfernt worden sind (hier: Beseitigung eines Brückenbogens bei stehengebliebenen Brückenpfeilern).
Gesetze: BGB § 823 Ea
Instanzenzug: Moselschiffahrtsobergericht Köln 3 U 35/04 BSchMo vom Moselschiffahrtsgericht St. Goar
Gründe
I.
Die klagende Versicherung nimmt die Bundesrepublik Deutschland als Verkehrssicherungspflichtige der Bundeswasserstraße Mosel auf Ersatz von Schäden in Anspruch, die bei einer Kollision des Motorschiffs "I. " mit dem rechten Brückenpfeiler der Straßenbrücke Mehring am Abend des entstanden sind. Die Brücke war damals im Zuge von Bauarbeiten bis auf die beiden Brückenpfeiler abgebaut. Während der rechte Pfeiler im Dunkeln lag und nur durch talwärts und bergwärts angelegte Radarbojen gekennzeichnet war, war der linke Brückenpfeiler aufgrund der Bauarbeiten zum Unfallzeitpunkt hell erleuchtet. Auf die Brückenbauarbeiten hatte die Beklagte durch eine Beschilderung am Moselufer hingewiesen. Der Schiffsführer des auf der rechten Moselseite zu Berg fahrenden Motorschiffs übersah den am Rande des Fahrwassers stehenden Brückenpfeiler. Das Schiff stieß gegen den Pfeilerstumpf und sank; es entstand Totalschaden.
Das Moselschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Moselschiffahrtsobergericht hat den im Berufungsverfahren auf Zahlung von 1.099.186,54 € gerichteten Leistungsantrag dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt und die Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren Schäden zu 1/3-Anteil festgestellt. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet. Zulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in Binnenschiffahrt 2005 Nr. 1/2 S. 64 abgedruckt ist, hat im Ausgangspunkt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf seiten der Beklagten bejaht. Es hat die Hinweise auf Brückenbauarbeiten in der Beschilderung am Moselufer und die Sicherung des rechten Brückenpfeilers durch Radartonnen nicht für ausreichend gehalten, sondern das zusätzliche Anbringen von Lichtern oder Wahrschauflößen verlangt, um auch die bei Dunkelheit nach optischer Sicht fahrenden Verkehrsteilnehmer auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen. Die Brückenbauarbeiten hätten nämlich auch zur Entfernung bis dahin von der Schiffahrt genutzter Zeichen geführt. Wegen der Straßenbeleuchtung und an der Brücke angebrachter Schiffahrtszeichen sei die Brücke zuvor selbst bei Dunkelheit sichtbar gewesen und habe damit der Schiffahrt zur Orientierung gedient. Durch den Abriß seien die Schiffsführer trotz der Baustellenhinweise vor eine überraschende Situation gestellt worden, die die Gefahr von Fehlreaktionen in sich getragen habe.
2. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und bedarf keiner weiteren grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren.
a) Bei einer Wasserstraße hat der Verkehrssicherungspflichtige das gesamte Fahrwasser für den durchgehenden Schiffsverkehr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu sichern, insbesondere dafür zu sorgen, daß es frei von Hindernissen ist oder daß zumindest bekannte künstliche Hindernisse genügend gekennzeichnet sind (BGHZ 37, 69, 70 ff.). Dies gilt um so mehr, wenn die Wasserstraßenverwaltung die Gefahrenlage selbst geschaffen (so im Fall des Senatsurteils vom - III ZR 238/54 - VersR 1956, 504, 505) oder diese - wie hier - wesentlich vergrößert hat, indem sie Merkmale, an denen sich die Schiffahrt orientieren konnte (im Streitfall Straßenbeleuchtung auf der Brücke, Schiffahrtszeichen am Brückenbogen) im Zuge von Bauarbeiten beseitigt hat. In solchen Fällen muß der Verkehrssicherungspflichtige zur Abwehr der für die Schiffahrt drohenden Gefahren Zeichen wählen und Vorkehrungen treffen, die für jeden Verkehrsteilnehmer eindeutig und unmißverständlich die Art und Lage der nicht oder nicht mehr ohne weiteres erkennbaren Gefahrenstelle klarstellen und es den Verkehrsteilnehmern möglich machen, der Gefahr rechtzeitig auszuweichen (Senatsurteil vom aaO; - VersR 1979, 437).
b) Diesen Anforderungen haben nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts die von der Beklagten getroffenen Sicherungsmaßnahmen (Hinweisschilder am Moselufer, Radartonnen bergwärts und talwärts vor dem rechten Brückenpfeiler) nicht genügt, selbst wenn die ungefähr 2 m aus dem Wasser ragenden Pfeilerreste und die gelben Tonnen, wie die Beklagte behauptet hat, bei Dunkelheit und guter Feuersicht auch für einen nur nach optischer Sicht fahrenden Schiffsführer erkennbar waren. Infolgedessen kommt es auch auf die in diesem Zusammenhang erhobene, auf die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe diesen Sachvortrag übergangen, nicht an. Weder die verbliebenen Brückenpfeiler noch die Radarbojen fielen nach der rechtsfehlerfreien tatsächlichen Beurteilung des Berufungsgerichts bei Dunkelheit jedenfalls derart ins Auge, daß von einer eindeutigen und unmißverständlichen Kennzeichnung der Gefahrenstelle gesprochen werden könnte.
Es trifft zwar zu, daß unter solchen Umständen der Schiffsführer aufgrund seiner - bei Dunkelheit gesteigerten - allgemeinen Sorgfaltspflicht (§ 1.04 MoselSchPV) gehalten ist, auf ein ihm zur Verfügung stehendes Radargerät als Hilfsmittel zurückzugreifen, obwohl dies in § 6.30 Nr. 4 MoselSchPV ausdrücklich nur für unsichtiges Wetter bestimmt ist (vgl. dazu BGHZ 65, 304, 306 f. für die Seeschiffahrt; - VersR 1991, 605 zum Einsatz eines Sprechfunkgeräts; Bemm/v. Waldstein, RheinSchPV, 3. Aufl., § 1.04 Rn. 4, § 6.30 Rn. 5). Hierauf durfte sich die Beklagte aber schon deshalb nicht verlassen, weil nicht gewährleistet ist, daß alle Schiffe mit modernen, leistungsfähigen Radargeräten ausgerüstet sind. Davon abgesehen mußte die Beklagte entgegen der Beschwerde auch ein Fehlverhalten der plötzlich vor eine unklare Situation gestellten Schiffsführer wie in dem vorliegenden Fall in Betracht ziehen. Aus diesen Gründen ist dem Berufungsgericht ebenso darin zuzustimmen, daß zur Sicherung des gefährlichen Brückenpfeilers hier auffällige optische Hinweise, insbesondere am Pfeiler angebrachte Lichter oder Wahrschauflöße mit entsprechenden Zeichen, erforderlich waren.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde schließlich vorsorglich auch gegen die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Haftungsquote. Die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und wäre auch in einem Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat ( - NJW 2003, 1929, 1930 m.w.N.). Rechtsfehler dieser Art - geschweige denn zulassungsrelevante Rechtsverstöße - sind nicht ersichtlich.
Fundstelle(n):
LAAAB-98766
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja