BGH Urteil v. - III ZR 342/02

Leitsatz

[1] a) Unter den Voraussetzungen des § 839 Abs. 3 BGB tritt auch eine Ersatzpflicht nach dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nicht ein.

b) Läßt sich nicht feststellen, daß ein Antrag des Geschädigten nach § 80 Abs. 5 VwGO Erfolg gehabt hätte, die aufschiebende Wirkung eines Gebührenbescheids anzuordnen (hier Gebührenerhebung für Fleischuntersuchungen oberhalb der in der Entscheidung des Rates vom - 88/408/EWG - vorgesehenen Pauschalbeträge), kann die Ersatzpflicht für einen durch den Sofortvollzug eingetretenen Zinsschaden nicht mit der Begründung verneint werden, der Geschädigte habe die Einlegung eines solchen Rechtsmittels unterlassen (Fortführung des Senatsurteils vom - III ZR 77/84 - NJW 1986, 1924).

Gesetze: BGB § 839; BGB § 839 H; BGB § 839 K; EG-Vertrag Art. 288

Instanzenzug: LG Mosbach

Tatbestand

Die Klägerin nimmt als Rechtsnachfolgerin ihres während des Rechtsstreits verstorbenen Ehemanns die beklagte Gemeinde auf Ersatz eines in der Zeit vom bis erlittenen Zinsschadens in geltend gemachter Höhe von 84.837,65 DM in Anspruch. Dieser beruht darauf, daß die Beklagte im Zeitraum von Januar 1991 bis Dezember 1992 für Fleischuntersuchungen Gebühren erhoben hatte, die um insgesamt 156.079,48 DM über den nach der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch - 85/73/EWG - (ABlEG Nr. L 32/14) und der zu ihrer Ausführung ergangenen Entscheidung des Rates vom - 88/408/EWG - (ABlEG Nr. L 194/24) vorgesehenen Pauschalbeträgen lagen. Der Ehemann hatte die von ihm geforderten Gebühren ungeachtet der von ihm eingelegten Widersprüche gegen die Bescheide gezahlt. Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom wurden die Gebührenbescheide, soweit sie die EG-Pauschalbeträge überschritten, aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, einen überzahlten Betrag von 150.056,18 DM nebst 4 % (Prozeß-)Zinsen an den Ehemann der Klägerin zu zahlen. Die Beklagte zahlte diesen Betrag und Zinsen in Höhe von 15.155,67 DM am . Die aus der Inanspruchnahme von Bankkredit folgenden höheren Zinsen sind Gegenstand der Klage.

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der Art. 189, 215 des EWG-Vertrags in Höhe von 69.837,10 DM zuerkannt und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Ehemannes der Klägerin hat das Berufungsgericht im ersten Berufungsurteil der Klage in Höhe von insgesamt 78.351,41 DM entsprochen; die Berufung der Beklagten und die weitergehende Berufung des Ehemannes der Klägerin hat es zurückgewiesen. Der Senat hat auf die Revision der Beklagten durch Urteil vom (BGHZ 146, 153) das Berufungsurteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Er hat entschieden, das dem einzelnen durch die in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen verliehene Recht stehe unter dem einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglichen Vorbehalt (vgl. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Ratsentscheidung 88/408/EWG), daß die Mitgliedstaaten, in denen die Lohnkosten, die Struktur der Betriebe und das Verhältnis zwischen Tierärzten und Fleischbeschauern von dem für die Berechnung der Pauschalbeträge zugrunde gelegten Gemeinschaftsdurchschnitt abweichen, die Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten senken bzw. anheben dürften. Lägen diese Abweichungsvoraussetzungen - was noch ungeprüft sei - vor, sei ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch nicht gegeben. Soweit wegen der rechtswidrigen Gebührenbescheide Amtshaftungsansprüche in Betracht kämen, bedürfe die Frage der weiteren Klärung, ob den Amtswaltern der Beklagten ein Verschulden zur Last falle.

Das Berufungsgericht hat im zweiten Berufungsurteil die Voraussetzungen für einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch und einen Amtshaftungsanspruch verneint und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in vollem Umfang weiter.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet; in diesem Umfang führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. Das Berufungsgericht verneint einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, weil die Voraussetzungen, unter denen von den EG-Pauschalbeträgen für Fleischuntersuchungen abgewichen werden konnte, in den Jahren 1991 und 1992 in der Bundesrepublik vorgelegen hätten. Die Beklagte habe nämlich substantiiert vorgetragen und durch Zahlenmaterial hinreichend belegt, daß die Lohnkosten der Tierärzte in der Bundesrepublik höher gelegen hätten als diejenigen, die der Rat der Berechnung der Pauschalbeträge zugrunde gelegt habe. Auch das Verhältnis zwischen Tierärzten und Fleischbeschauern weiche erheblich von dem Gemeinschaftsdurchschnitt ab, wie die detaillierte Berechnung in Anlage 1c des von der Beklagten vorgelegten Ergebnisprotokolls vom der Sitzung der Arbeitsgruppe "Gebühren" des Ausschusses für Fleischhygiene der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Veterinärbeamten der Länder zeige, das Grundlage für die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom (Bundesanzeiger Nr. 204 vom , S. 13298) gewesen sei. Schließlich habe die Beklagte substantiiert die Strukturen der Schlachtbetriebe in Deutschland dargestellt, in denen nur zu einem sehr kleinen Teil die Zahlen von Schlachttieren jährlich anfielen, wie sie bei der Berechnung der Pauschalgebühren berücksichtigt worden seien. Die Klägerin habe sich hiermit nicht näher auseinandergesetzt und die vom Bundesministerium für Gesundheit am bekannt gemachten und im Vortrag der Beklagten übernommenen Vergleichswerte nicht hinreichend bestritten, so daß sie als unstreitig zugrunde zu legen seien.

2. Diese Beurteilung hält den Verfahrensrügen der Revision nicht stand. Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, hat die Klägerin mit verschiedenen Erwägungen bezweifelt und bestritten, daß die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Pauschalgebühren in den Jahren 1991 und 1992 vorgelegen hätten. Unter diesen Umständen war es Sache des Berufungsgerichts, sich im Wege einer förmlichen Beweisaufnahme die erforderliche Gewißheit zu verschaffen. Von einem unstreitigen Sachverhalt durfte das Berufungsgericht nicht ausgehen.

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Pauschalgebühren vorlagen, ist nach dem Senatsurteil vom entscheidend dafür, ob sich die Klägerin auf die gemeinschaftsrechtlichen Pauschalbeträge berufen kann und ob ihr im Ergebnis eine Rechtsstellung verliehen ist, deren Verletzung einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösen kann (vgl. BGHZ 146, 153, 161 f). Durfte die Beklagte nämlich - gemessen an den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften - von den Pauschalgebühren abweichen, steht der Klägerin ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch nicht zu.

b) Ungeachtet dieser Ausgangslage ist die Klägerin jedoch nicht mit der Pflicht belastet, zur Begründung des geltend gemachten Staatshaftungsanspruchs in qualifizierter Weise darzulegen und im Streitfall den Nachweis zu führen, daß es in der Bundesrepublik am Vorliegen der Abweichungsvoraussetzungen gefehlt habe. Eine solche Betrachtung ließe außer acht, daß in der Ratsentscheidung 88/408/EWG mit Wirkung ab eine unmittelbar wirksame gemeinschaftsrechtliche Bestimmung vorlag, die im Grundsatz die Anwendung der Gebührenregelung über die durchschnittlichen Pauschalbeträge von der Beklagten verlangte. Wie der Senat bereits entschieden hat, war die Heranziehung des Ehemannes der Klägerin zu den über die EG-Pauschalbeträge hinausgehenden Gebühren rechtswidrig, weil die innerstaatlichen Voraussetzungen für eine solche Gebührenerhebung im Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Bescheide nicht geschaffen waren (BGHZ 146, 153, 156 f); sie verstieß zugleich gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht (aaO S. 158). Unter diesen Umständen steht es zur Last der öffentlichen Hand, der auch die Beklagte auf gemeindlicher Ebene zuzurechnen ist, das Vorliegen der Abweichungsvoraussetzungen - wie bei einer entsprechenden Gebührenerhebung selbst - darzulegen und im Streitfall nachzuweisen. Es würde eine nicht hinnehmbare Verkürzung der Rechtsstellung des von den in Rede stehenden Gemeinschaftsrechtsakten betroffenen einzelnen darstellen, wenn er den Inhalt der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom ohne weiteres hinnehmen müßte oder in anderer Weise gehalten wäre, sich in bezug auf die Abweichungsvoraussetzungen zu Elementen der Rechtsanwendung substantiiert zu äußern, die in klassischer Weise mit der Frage verknüpft sind, ob die öffentliche Hand in dem ihr eigenen hoheitlichen Bereich berechtigt ist, Gebühren in einer die EG-Pauschalbeträge überschreitenden Höhe zu erheben. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die in der Ratsentscheidung vorgesehene Möglichkeit einer Abweichung von den Pauschalgebühren einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglich ist (Urteil vom - Rs. C-156/91 - "Hansa Fleisch", Slg. 1992, I-5589, 5594 f = NJW 1993, 315 f Tz. 14-17). Es wäre mit der dem einzelnen grundsätzlich verliehenen Rechtsstellung und der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts unvereinbar, wenn die gerichtliche Nachprüfung durch Anforderungen an die Vortragslast des einzelnen unzumutbar erschwert würde. Das Berufungsgericht durfte daher nicht mit dem Argument, der Klägerin habe selbst offensichtlich Datenmaterial zur Verfügung gestanden, über ihre grundsätzliche Aussage hinweggehen, nach der sie das Vorliegen der Abweichungsvoraussetzungen bestritten hat.

II.

Auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts rechtfertigt die vollständige Abweisung der Klage nicht.

1. Das Berufungsgericht verneint einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch mit der zusätzlichen Erwägung, der Klägerin sei es entsprechend §§ 254, 839 Abs. 3 BGB verwehrt, die streitgegenständlichen Verzugszinsen geltend zu machen. Denn der Ehemann habe es schuldhaft unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Er hätte nämlich - über die gegen die Gebührenbescheide eingelegten Widersprüche hinaus - nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen müssen, die aufschiebende Wirkung seiner Widersprüche anzuordnen. Ein solcher Antrag hätte Erfolg gehabt, soweit die Gebührenbescheide die EG-Pauschalbeträge überschritten hätten. Die gerichtliche Entscheidung hätte bewirkt, daß der Ehemann der Klägerin nur Gebühren in der zulässigen Höhe hätte zahlen müssen. Eine Zinsbelastung durch Aufnahme eines Darlehens wäre dann vermieden worden. Aus dem gleichen Grunde sei ein möglicher Amtshaftungsanspruch wegen der rechtswidrigen Gebührenbescheide nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß auch ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch aus Gründen, die in den Regelungen der §§ 254 und 839 Abs. 3 BGB angesprochen sind, gemindert oder ausgeschlossen sein kann. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Anwendung der in diesen Regelungen enthaltenen Grundsätze nicht deshalb ausgeschlossen, weil der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht von einem Verschulden abhängig gemacht werden darf, das über den hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinausgeht. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat entschieden, die Mitgliedstaaten hätten die Folgen eines verursachten Schadens, für den sie nach dem Gemeinschaftsrecht einzustehen hätten, im Rahmen ihres nationalen Haftungsrechts zu beheben. Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung sei es Sache der nationalen Rechtsordnung, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei dürften die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet sein, daß sie die Erlangung einer Entschädigung praktisch unmöglich machten oder übermäßig erschwerten (vgl. und C-9/90 - "Francovich", Slg. 1991, I-5403, 5415 f = NJW 1992, 165, 167 Tz. 42, 43). Diese Rechtsprechung hat er in seinem Urteil vom fortgeführt und dahingehend ergänzt, es sei, soweit es an Gemeinschaftsvorschriften fehle, Sache der nationalen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die Kriterien festzulegen, anhand deren der Umfang der Entschädigung bestimmt werden könne. Insbesondere könne das nationale Gericht bei der Bestimmung des ersatzfähigen Schadens prüfen, ob sich der Geschädigte in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder um die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht und ob er insbesondere rechtzeitig von allen ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht habe. Nach einem allgemeinen, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsatz müsse sich nämlich der Geschädigte in angemessener Form um die Begrenzung des Schadensumfangs bemühen, wenn er nicht Gefahr laufen wolle, den Schaden selbst tragen zu müssen (Rs. C-46/93 und C-48/93 - "Brasserie du Pêcheur" und "Factortame", Slg. 1996, I-1131, 1153, 1155, 1157 = NJW 1996, 1267, 1270 f zu Tz. 67, 74, 83-85). Es bestehen daher keine grundsätzlichen Bedenken, die den §§ 254, 839 Abs. 3 BGB zugrundeliegenden Rechtsgedanken auf den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch anzuwenden (in diesem Sinn auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 516; Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 374c; Fischer, Europarecht, 3. Aufl. 2001, § 7 Rn. 87; Staudinger/Wurm, 13. Bearb. 2002, § 839 Rn. 540).

b) Unbedenklich ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, daß neben dem eingelegten Widerspruch, der bei Gebührenbescheiden von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als Rechtsbehelf gegen einen möglichen Sofortvollzug, auf dem die Beklagte bestanden hatte, ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Betracht kam, die aufschiebende Wirkung der Bescheide anzuordnen. Für den Bereich des Amtshaftungsrechts hat der Senat wiederholt entschieden, daß das schuldhafte Unterlassen, einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu stellen oder sich gesondert gegen die Vollziehung eines Steuer- oder Haftungsbescheides zu wehren, nach § 839 Abs. 3 BGB zum Verlust des Amtshaftungsanspruchs führen kann (vgl. Senatsbeschluß vom - III ZR 6/84 - WM 1984, 1276; - NJW 1986, 1107, 1108 - insoweit ohne Abdruck in BGHZ 96, 1 -; BGHZ 130, 332, 338 f; vom - III ZR 283/95 - VIZ 1997, 247, 248; vom - III ZR 1/00 - NJW 2001, 1067, 1068).

c) Das Berufungsgericht hat im ersten Urteil in dieser Sache § 839 Abs. 3 BGB für nicht anwendbar gehalten, weil der Ehemann der Klägerin mit der rechtzeitigen Widerspruchserhebung und den Anfechtungsklagen zum Verwaltungsgericht aus seiner damaligen Sicht alles ihm Zumutbare getan habe, um einen Schaden abzuwehren. Ob dem zugestimmt werden könnte, erscheint insoweit zweifelhaft, als ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nach Lage der Dinge der gebotene Rechtsbehelf war, um sich gegen den Sofortvollzug der Gebührenbescheide zu wehren. Der Senat kann diese Frage jedoch offenlassen, weil eine Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt.

aa) Die Ersatzpflicht kann nach § 839 Abs. 3 BGB nur verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsmittels den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Für die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsmittels und dem Schadenseintritt ist der Schädiger beweispflichtig. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei der Frage, welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, nicht ohne weiteres - wie bei der Prüfung der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung - zugrunde zu legen, wie über den Rechtsbehelf richtigerweise hätte entschieden werden müssen (vgl. Senatsurteil vom - III ZR 77/84 - NJW 1986, 1924, 1925). Diese Erwägungen, die der Senat in der genannten Entscheidung für eine Dienstaufsichtsbeschwerde angestellt hat, bei der es möglich erscheine, daß der Dienstvorgesetzte keinen Anlaß sehe, das Verhalten des Untergebenen zu korrigieren, sind jedoch auf solche Rechtsbehelfe im weiteren Sinne, die ein Verhalten der Behörde selbst auslösen sollen, nicht beschränkt. Geht es, wie hier, um einen Antrag, der zu einer gerichtlichen Entscheidung führen soll, wird die wirkliche Rechtslage grundsätzlich eine größere Rolle spielen. Dennoch muß auch die Rechtspraxis in der in Rede stehenden Frage zu dem Zeitpunkt in Betracht gezogen werden, in dem der Rechtsbehelf hätte angebracht werden müssen, wenn er den Eintritt des Schadens hätte verhindern sollen.

bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann nicht davon ausgegangen werden, daß Anträge des Ehemannes der Klägerin nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Widersprüche geführt hätte. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts berücksichtigt nicht hinreichend, daß die von ihm wiedergegebene Rechtslage, wie sie durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und vor allem der Verwaltungsgerichte in den letzten Jahren geklärt worden ist, in dem hier maßgeblichen Zeitraum 1991/1992 - namentlich in Ansehung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens - noch nicht so der allgemeinen Rechtsüberzeugung entsprochen hat, daß ein Erfolg entsprechender Anträge zu erwarten war.

Daß sich ein einzelner gegenüber einem Mitgliedstaat auf Art. 2 Abs. 1 der Ratsentscheidung 88/408/EWG vom berufen kann, um sich höheren als den Pauschalgebühren zu widersetzen, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erst durch Urteil vom entschieden (Rs. C-156/91 - "Hansa Fleisch", Slg. 1992, I-5589 = NJW 1993, 315), wobei er den einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglichen Vorbehalt gemacht hat, daß die Voraussetzungen, die Gebühren auf die tatsächlichen Untersuchungskosten anzuheben, nicht erfüllt seien. Die Fragen des vorlegenden Verwaltungsgerichts Schleswig im Beschluß vom belegen den damaligen Klärungsbedarf. Innerstaatlich war mit der genannten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aber noch nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen Untersuchungsgebühren erhoben werden durften, die über die EG-Pauschalbeträge hinausgingen. Eine endgültige Klärung ist insoweit erst durch (BVerwGE 102, 39) herbeigeführt worden, das entschieden hat, nach § 24 Abs. 2 Fleischhygienegesetz (FlHG) müsse die den Bundesländern überlassene Entscheidung durch Rechtssatz getroffen werden, ob von den in Art. 2 Abs. 1 der Ratsentscheidung 88/408/EWG genannten durchschnittlichen Pauschalbeträgen abgewichen werden solle, ob die Voraussetzungen für eine Abweichung erfüllt und wie gegebenenfalls höhere Beträge zu berechnen seien (vgl. Senatsurteil BGHZ 146, 153, 156). Für die hier zu beurteilende Frage, wie die Verwaltungsgerichte entschieden hätten, wenn sich der Ehemann der Klägerin gegen den Sofortvollzug als solchen im Zeitraum 1991/1992 gewehrt hätte, ist von Bedeutung, daß der angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Gebührenbescheide aus dem Jahr 1991 zugrunde lagen, die vom Verwaltungsgericht Schleswig und vom Oberverwaltungsgericht Schleswig noch im Jahr 1994 für rechtmäßig befunden waren. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Beschluß vom , der durch ) aufgehoben wurde, in einem Normenkontrollverfahren ebenfalls keine Bedenken gegen die Gestaltung einer Gebührensatzung vom , in der die Erhebung kostendeckender Gebühren unter Einbeziehung von Reisekosten für das Fleischbeschaupersonal bejaht wurde (vgl. zum Verfahrensgang BayVGH BayVBl. 1994, 593 und zum Inhalt der abschließenden Entscheidung vom BVerwG Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 17).

Wenn dem Berufungsgericht daher auch im Ausgangspunkt zu folgen ist, daß es bei der Begründetheit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in der hier vorliegenden Konstellation, bei der Rechtsfragen im Vordergrund standen, wesentlich darauf ankommt, ob die angefochtenen Gebührenbescheide rechtswidrig waren - bei offensichtlicher Erfolgsaussicht der eingelegten Widersprüche hätte das Aussetzungsinteresse überwogen - (vgl. hierzu allgemein Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 80 Rn. 69, 73; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 80 Rn. 158 f) und ob sich ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit insbesondere aus der Ratsentscheidung 88/408/EWG ergaben, kann doch nicht übersehen werden, daß die Rechtspraxis diesen Stand in dem hier zu beurteilenden Zeitraum noch nicht erreicht hatte, so daß der Senat nicht davon ausgehen kann, der Ehemann der Klägerin hätte den Schadenseintritt durch Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO verhindern können.

3. Dieselben Erwägungen gelten für die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen auf der rechtswidrigen Gebührenerhebung möglicherweise beruhenden Amtshaftungsanspruch verneint. Zwar ist insoweit eine Rechtsfrage betroffen, die allein im nationalen Amtshaftungsrecht wurzelt, so daß die Anforderungen an einen Geschädigten, der Amtshaftungsansprüche verfolgt, in bezug auf den wahrzunehmenden Primärrechtsschutz strenger sein mögen als für jemanden, der sich wegen eines in der Vergangenheit erlittenen Schadens auf den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch beruft. Im Ergebnis beruhte die Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung aber gerade auf der Frage, unter welchen innerstaatlichen Voraussetzungen in der Bundesrepublik von den Pauschalbeträgen abweichende höhere Gebühren gefordert werden durften. Der Klägerin kann daher auch in bezug auf einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB nicht entgegengehalten werden, ihr Ehemann habe sich nicht gegen den Sofortvollzug gewehrt, weil der Senat von einem Erfolg eines solchen Rechtsmittels nicht ausgehen kann

III.

Die Revision der Klägerin hat jedoch insoweit keinen Erfolg, als sie einen Zinsschaden in Höhe von 6.486,24 DM weiterverfolgt. Dieser Teil des Schadensersatzanspruchs wurde dem Ehemann der Klägerin bereits durch das erste Berufungsurteil in dieser Sache aberkannt, ohne daß hiergegen ein Rechtsmittel geführt worden wäre. Dem entsprechend hat der Senat das erste Berufungsurteil nur insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Damit ist dieser Teil des geltend gemachten Zinsschadens rechtskräftig abgewiesen und kann von der Klägerin nicht erneut zur Entscheidung gestellt werden.

IV.

Soweit die Revision der Klägerin begründet ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die nach dem Senatsurteil vom erforderlichen Feststellungen trifft und auf dieser Grundlage erneut entscheidet.

Fundstelle(n):
DB 2004 S. 433 Nr. 8
VAAAB-98686

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja (zu Ziff. II); BGHR: ja